Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gehören an der Alten Weinsteige zur Tagesordnung. Foto: Tilman Baur

Die Regeln auf der Alten Weinsteige sind eigentlich klar: Die Durchfahrt ist nicht durchweg erlaubt. Aber daran hält sich so gut wie niemand. Die Polizeiberichte aus dem vergangenen Jahr lesen sich wie eine Kapitulationserklärung.

Degerloch - Patt auf der Alten Weinsteige am Nachmittag: Im Nadelöhr vor Vincent Klinks Restaurant Wielandshöhe will ein gelber Lieferwagen bergab fahren. Ein dunkler SUV kommt entgegen – der Fahrer will bergauf. Für einen Moment scheint es, als sei den PS-starken Boliden gleichzeitig der Sprit ausgegangen. Keiner fährt, keiner weicht zurück. Die Gunst der Stunde nutzt ein drittes Auto. Es prescht über eine inoffizielle Ausweichbucht – die Gleise der Zahnradbahn, die nicht im Kiesbett liegen – an beiden vorbei Richtung Kessel. Halsbrecherisch das Ganze, aber mit glimpflichem Ausgang.

Kümmern tun die Regeln wenige

Zu derlei Szenen kommt es an diesem Nachmittag noch mehrmals. Das Treiben beobachten Anwohner an der Alten Weinsteige täglich. Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gehören hier zur Tagesordnung. Denn die Durchfahrt bergab ist ab der Wielandshöhe untersagt; nur Anwohner und Taxifahrer dürfen durch. Bergauf gilt das Verbot werktags von 15 bis 19 Uhr ebenfalls. Das kümmert aber wenige. Der eine oder andere stutzt beim Anblick des Verbotsschilds, zögert kurz und fährt dann doch durch. Der Fairness halber sei gesagt, dass von zehn Fahrern einer oder zwei tatsächlich die Kehre machen, was nicht selten zu weiteren brenzligen Situationen führt, wenn zum Zeitpunkt des Manövers weitere Falschfahrer unterwegs sind.

50 Falschfahrer hatte eine Anwohnerin vor Kurzem innerhalb von gerade einmal 45 Minuten gezählt. Eine Stichprobe vergangene Woche zeigt, dass dies kein Einzelfall war. Zwischen 15.30 und 17 Uhr missachteten 112 Fahrzeuge das Fahrverbot. Immer wieder treiben dabei Autofahrer Pedelecs vor sich her, meist wohl ohne böse Absicht. Die Zweirad-Fahrer weichen dann oft verängstigt auf den Bürgersteig aus.

Ganze Kolonnen von Falschfahrern ließ man passieren

Wie ein Symbol der Resignation wirkt die Schranke, die unterhalb der Wielandshöhe angebracht ist. Von dem Schlagbaum, den man ohnehin nie in der Waagerechten gesehen hat und der auch vorher eher als Feigenblatt diente, ist nur noch ein Stummel zu sehen.

Trotz regelmäßiger Kontrollen hat sich in den vergangenen Jahren wenig am grundlegenden Problem geändert. Berichte der Verkehrspolizei aus dem vergangenen Jahr lesen sich wie Kapitulationserklärungen: Da ist die Rede davon, dass man ganze Kolonnen an Falschfahrern passieren lassen musste, weil man den Massen einfach nicht mehr Herr wurde. Für Jan Kopp sind diese Verhältnisse nichts Neues. Der Anwohner hat sich schon vor Jahren für eine Veränderung der misslichen Lage eingesetzt, hat die Stadt kontaktiert, Bezirksbeiräte, Stadträte, städtische Behörden. Auch im Bezirksbeirat Süd hat er vorgesprochen.

Will die Stadt Klagen vermeiden?

Sein Resümee fällt ernüchternd aus: „Als kleiner Anwohner wird man nicht ernst genommen.“ Eins ist für Jan Kopp klar: Durch verstärkte Kontrollen ist das Problem nicht zu lösen, denn die Menschen nutzten die Alte Weinsteige, wenn die Neue Weinsteige verstopft sei. Schließlich sei sie auch der kürzeste Weg vom Süden nach Degerloch und somit auch aus Umweltsicht der nachhaltigste. Stattdessen müssten Lösungen her, die die Situation entschärfen. Eine Einbahnstraße bergauf zum Beispiel, wobei Radfahrer in beide Richtungen fahren dürften. Andere Anwohner fordern Ausweichbuchten, damit Autos problemlos aneinander vorbeikommen.

Die Stadt will das aber nicht, weil sie befürchtet, die Strecke dadurch noch attraktiver zu machen und mehr Falschfahrer anzulocken. Kopp vermutet noch ein anderes Motiv: „Die Stadt will keine neue Rechtslage schaffen, um Klagen zu vermeiden“, vermutet er. Zumal die Ämter bekanntlich chronisch unterbesetzt sind. Die derzeitige Zwitterlösung befriedige jedenfalls nicht. Sinnvoller erscheine stattdessen entweder die konsequente Sperrung oder die konsequente Öffnung der Straße.