Viele Radler weichen mittlerweile auf den Bürgersteig aus, weil so viele Autofahrer die Strecke als Schleichweg nutzen. Foto: Tilman Baur

Es gibt fast keinen schnelleren Weg in die Stadt oder aus der Stadt als die Alte Weinsteige. Das wissen auch die allermeisten Autofahrer – und missachten gerne das Durchfahrtsverbot zwischen 15 und 19 Uhr. Bezirksbeiräte und das Ordnungsamt wollen handeln.

Degerloch - Viel Interpretationsspielraum lässt das Verkehrszeichen 260 eigentlich nicht: Das runde Schild ist deutlich rot umrandet, oben zeigt es einen Motorradfahrer, im unteren Bereich, durch einen Strich getrennt, ein Auto. An der Alten Weinsteige gilt es bergaufwärts werktags von 15 bis 19 Uhr, Taxis haben freie Fahrt. Schon Fahrschüler wissen: Dort ist die Durchfahrt verboten. Theorie und Praxis klaffen an der Alten Weinsteige aber schon lange auseinander. An einem gewöhnlichen Montagnachmittag gegen 17 Uhr schenken viele Autofahrer den Verkehrsschildern keine Beachtung.

Selbst die Schranke, die auf Höhe des Restaurants Wielandshöhe angebracht ist, umfahren sie elegant. Minütlich fahren mindestens zwei Autos gesetzeswidrig Richtung Degerloch, ebenso viele Richtung Innenstadt. Dabei ist die Ansage für von oben kommende Fahrer sogar noch eindeutiger: Ein weißer Balken auf rotem Grund verbietet die Weiterfahrt.

Radler weichen schon auf den Bürgersteig aus

Einigermaßen fassungslos beobachtet Astrid Maurer, Bezirksbeirätin der Grünen, die Szenerie: Da schiebt sich ein weißer Geländewagen bergaufwärts an der Schranke vorbei, wobei er den Bordstein mitbenutzt, der die Fahrbahn von den Gleisen der Zahnradbahn trennt. Die meisterhafte Ausführung lässt auf Übung schließen. Gegenüber wartet bereits ein Auto, um das gleiche Manöver bergabwärts durchzuführen. Ein Lieferwagen hält derweil auf dem Bürgersteig, ein weiteres Auto naht von oben. Mittlerweile herrscht ein reger Stop-and-go-Verkehr in der Verbotszone.

Maurer, die viermal die Woche von Degerloch mit dem Pedelec in die Stadt und zurückfährt, ist bei dem Anblick entsetzt, obwohl sie die Situation kennt. Als Radlerin werde man fortwährend bedrängt. „Die Autos sitzen einem bergaufwärts ständig im Nacken. Bergabwärts muss man zwischen den parkenden Autos nach Lücken suchen, weil einem Autos von unten entgegenkommen“, so Maurer. Besonders stört sie, dass sich viele Radler dem Druck der Autos beugen und auf den Bürgersteig ausweichen. Sie dagegen fahre konstant in der Mitte. Doch auch sie musste schon klein beigeben und absteigen, als der Abstand zwischen parkenden Autos und den Dränglern, die sie überholen wollten, zu klein und gefährlich wurde.

Ordnungsamt hat knapp 100 Verwarnungen ausgesprochen

Der Eindruck an diesem Nachmittag täuscht jedenfalls nicht, sondern wurde jüngst durch Zahlen belegt. Vier Kontrollen hat das Ordnungsamt auf Anfrage der Grünen-Fraktion im Bezirksbeirat zwischen Ende November und Ende Januar an der Alten Weinsteige durchgeführt. Fast 100 Verwarnungen haben die Beamten dabei ausgesprochen und Bußgelder von jeweils 20 Euro verhängt. Und das, obwohl sie meist weniger als zwei Stunden kontrollierten und nur die bergaufwärts fahrenden Fahrzeuge berücksichtigten.

„Das ist schon viel Verkehr, hauptsächlich dient die Strecke als Schleichweg im Berufsverkehr“, erläutert Stefan Praegert, Dienststellenleiter im Ordnungsamt. Mehr als verwarnen könne man freilich nicht, der Bußgeldkatalog lasse keinen Spielraum. Nur bei Wiederholungstätern erhöhe sich die Summe, da man von Vorsatz ausgehen könne. „Abgesehen davon hilft nur eine veränderte Verkehrslenkung, um das Problem zu lösen.“ Also ist die Politik gefragt.

Im Süden wird das Thema ebenfalls heiß diskutiert

Astrid Maurer will bald einen Antrag stellen, um dem Treiben an der Alten Weinsteige ein Ende zu bereiten. Denn als Verbindung zwischen Degerloch und den Stadtbezirken Süd und West sei die Strecke für Radfahrer wichtig. Ihre Kolleginnen aus dem Bezirksbeirat Süd planen ebenfalls einen Antrag dazu. Im Süden brennt den Radlern das Thema schon lange unter den Nägeln und wurde bereits bei der Bürgerversammlung 2014 diskutiert.

Was Astrid Maurer fordern will, ist im Detail noch nicht geklärt. Nahe liege ein Austausch der Schranke. Denn diese ist nicht einmal halb so lang wie die Fahrbahn, so dass sich auch wuchtige Fahrzeuge vorbeischlängeln können. „Man müsste dann eben eine Lösung für die Taxis finden“, sagt Maurer. Denkbar sei eine elektronische Schranke, die Anwohner und Taxifahrer mit Chip bedienen können. Für andere Vorschläge der Verwaltung ist die Grüne offen – der Status quo jedenfalls sei nicht länger hinnehmbar.