Walter Hartmann zeigt einen Zweig der Palmischbirne. Foto: Caroline Holowiecki

Alte Obstsorten sind in. Während man sie im Laden oftmals suchen muss, wachsen sie im Museumsobstgarten in Filderstadt öffentlich und für jeden zugänglich.

Bonlanden - Lang galt die Aurate bundesweit als verschollen. Doch dann kam Walter Hartmann. Bei einer Radtour im Jahr 2011 stand er dem selten Birnenbaum an einer Hofstelle unvermittelt gegenüber. Und nun trägt sein Fund Früchte. Nicht mehr an der Hofstelle, denn die ist mittlerweile abgerissen. Sondern im Museumsobstgarten. Für die Nachwelt gesichert.

Die Aurate ist eine der eher unbekannten Obstsorten, die auf dem 60 Ar großen Grundstück in Bonlanden gedeihen. Um die 70 alte, fildertypische und wilde Obstsorten sind hier zu finden. Seltene Äpfel hängen an den Bäumen, zudem Birnen, Kirschen und Zwetschgen. Walter Hartmann kennt sie alle. Forschen Schrittes schreitet er auf die Gelbe Wadelbirne zu, eine Hutzelbirne und die, so sagt er, älteste Obstsorte überhaupt. Weiter geht es, einmal quer über die Wiese an der Mahlestraße, zur Zibarte, einer herben Wildzwetschge. Wieder im anderen Eck wächst Jakob Lebel, „ein wunderbarer Kuchenapfel“. Jahreszahlen liefert der 77-jährige Bonländer aus dem Effeff, etwa über die Palmischbirne, die 1598 erstmals als Böhmische Birne zu Boll erwähnt wurde.

Er hat den Beinamen Zwetschgenpapst

Altes Obst ist quasi Walter Hartmanns Leibspeise. Der Pomologe war ehemals an der Uni Hohenheim vor allem für die Zwetschgenzucht zuständig. Um die 25 neue Sorten gehen auf sein Konto, etwa die erste Zwetschge, die gegen das Scharka-Virus resistent ist, das, so prophezeit es der Experte, auf kurz oder lang die Hauszwetschge komplett ausrotten wird. Jojo hat Walter Hartmann seine Züchtung einst genannt, nach seiner Tochter Johanna. „Ich habe alle meine Frauen verewigt“, sagt er über Gattin, Töchter und Enkel. Seine Leidenschaft fürs Züchten, fürs Veredeln und Recherchieren brachten ihm den Beinamen Zwetschgenpapst ein. Er selbst spricht von einem Jagdfieber.

Der Museumsobstgarten ist Walter Hartmanns Goldgrube, „da sind schöne Sachen drin“. Den städtischen Schaugarten gibt es seit 1987, erklärt Claudia Arold, die Leiterin des Umweltschutzreferats. Die Pflege teilen sich städtische Mitarbeiter und Ehrenamtliche, etwa aus den Reihen der Obst- und Gartenbauvereine oder eben Walter Hartmann. Das Besondere: Die Grünfläche am Schulzentrum ist frei zugänglich. „Der Garten soll für die Bevölkerung da sein“, sagt Claudia Arold. „Die Leute dürfen runteressen und zusammenlesen“, sagt Walter Hartmann. Wie viele Bürger das tatsächlich nutzen, ist indes im Rathaus nicht bekannt. „Es ist schwierig zu beurteilen, wie die Nachfrage ist. Die Leute melden sich vorher nicht bei uns“, sagt Claudia Arold.

Einige Supermärkte werden gerade regelrecht gestürmt

Walter Hartmann ist regelmäßig auf dem Gelände. „Morgens und abends hat es genug Leute da“, wenige junge seien allerdings darunter, außer, Kita-Gruppen und Schulklassen kommen, um zu ernten und Saft zu pressen. „Wer kennt sich schon aus mit alten Obstsorten?“, allenfalls älteren Bürgern sagten die Namen auf den Schildchen noch etwas. Sie sind es auch, die aktuell einige Supermärkte regelrecht stürmen. Die Edeka-Märkte in Bonlanden und Waldenbuch sind zwei der 15 Läden in der Region, die mit dem Verein Schwäbisches Streuobstparadies kooperieren und alte Kultursorten anbieten, um die Streuobstwiesen zu bewahren.

Und das heimische Obst geht weg wie warme Semmeln. „Es ist wirklich in“, bestätigt Walter Hartmann. Einzelne Marktbeschicker hätten solche Sorten auch im Angebot. Den Pomologen freut es, dass Jakob Fischer, Kaiser Wilhelm und Goldparmäne dauerhaft wieder in die Theken einziehen werden, glaubt er derweil nicht. „Diese Märkte brauchen kontinuierliche Mengen“, außerdem seien einige der modernen Äpfel auch schlichtweg besser im Geschmack. Testen kann man das in Bonlanden ja.