Nikolaus Back, der Filderstädter Stadtarchivar, zeigt am Heimatmuseum sogenannte Flößerlöcher. Sie beweisen: Das Holz fürs Fachwerk kam aus dem Schwarzwald. Foto: /Caroline Holowiecki

Weil der Schönbuch vor Jahrhunderten kaum Bauholz hergab, musste Nachschub aus dem Schwarzwald auf die Fildern geschafft werden. Diese und andere Dinge können Experten an Häusern in Filderstadt ablesen. Eine Spurensuche.

Schönbuch - Wer nicht weiß, worauf er achten muss, der schaut vorbei. Die dreieckigen Löcher an den Balken des ehemaligen Rathauses in Bonlanden – heute ist darin das Ortsmuseum beheimatet – sind recht unscheinbar. Drei dieser Löcher sind an der Front des prägnanten Fachwerkhauses zu finden, doch wohl kaum jemand weiß, wie sie zu deuten sind. Für Nikolaus Back ist die Sache jedoch klar. An den Auskerbungen sieht der Filderstädter Stadtarchivar auf einen Blick: Dieses Holz stammt ursprünglich aus dem Schwarzwald. Über diese Löcher wurden die Stämme vor Jahrhunderten miteinander verzurrt, konnten von Flößern auf dem Neckar aus dem Schwarzwald bis nach Neckartailfingen transportiert und schließlich auf der Filderebene verbaut werden.

Warum der ganze Aufwand? Bauholz war in der Zeit vor 1800 Mangelware. Der Schönbuch – er war ehemals kein Hochwald, sondern durch lockere, häufig niedrige Bäume, vor allem Eichen, geprägt – gab zu wenig her. Sprich: Baumaterial musste anderswo herkommen. „Der Schwarzwald hatte den Vorteil, dass es viel Nadelholz mit seinen geraden Stämmen gab“, erklärt Nikolaus Back.

Bauakten gab es erst ab dem späten 19. Jahrhundert

Bis ins frühe 20. Jahrhundert war Holz größtenteils das Baumaterial auf dem Dorf, zu sehen an den vielen Fachwerkhäusern. Und dieses Holz birgt viele Geheimnisse. So sind den Balken Informationen zu entlocken, die anderswo nicht zu finden sind. Die wichtigste: Wie alt ist das Haus überhaupt? „Es gab Bauakten erst ab dem späten 19. Jahrhundert“, erklärt Back, daher müssen Holzanalysen Aufschluss geben. Dafür werden Proben entnommen, und durch die Jahresringe im Holz lässt sich genau ablesen, wann der Baum gefällt und für den Hausbau verwendet wurde. Das Stadtarchiv arbeitet hierfür mit dem Bauforscher Tilmann Marstaller aus Rottenburg zusammen, der wiederum lässt die Proben in einem Jahresringlabor in Nürtingen begutachten. „Das Holz hat ein unverwechselbares Profil. Es ist wie eine Art Archiv“, sagt Nikolaus Back.

In Filderstadt gab es schon einige Überraschungen. Der Schafhof gegenüber dem Heimatmuseum etwa ist um einiges jünger als zuvor geschätzt. Tatsächlich, das hat die Holzanalyse ergeben, wurde das Haus 1671 gebaut, „es hätte auch aus dem frühen 17. Jahrhundert stammen können“, erklärt Nikolaus Back. Auch die Annahmen zum Turm der Georgskirche mussten revidiert werden. Er wurde 1514 errichtet, also deutlich später als der älteste Teil der Kirche, der Chor von 1472. Jedoch hat man sich in Bonlanden lang erzählt, der Kirchturm habe als Bergfried einst zu einer mittelalterlichen Burganlage gehört. Auch das konnte durch eine Analyse des Gerüstholzes, das bis heute im Mauerwerk des Turms steckt, ausgeschlossen werden. „Da werden liebgewonnene Gerüchte widerlegt“, sagt Nikolaus Back. Stadtgeschichte müsse immer wieder aktualisiert werden.

Die Stadt will mehr über die Sielminger Ortshistorie herausfinden

70 bis 80 Bauwerke in ganz Filderstadt sind bereits untersucht worden. Weitere sollen folgen. Sielmingen wird 2024 sein 750-Jahr-Jubiläum feiern, zu diesem Anlass will man sich dem Stadtteil und seinen Gebäuden intensiver widmen, um mehr über die Ortshistorie herauszufinden. „Da gibt es 1000 Dinge zu erfahren“, sagt Nikolaus Back übers Baumaterial Holz. Dem Heimatmuseum etwa sieht man an: Die Balken wurden seinerzeit händisch mit dem Beil bearbeitet, „das war auf der Filderebene üblich“. Die erste Sägemühle gab es erst ab 1793 in Sielmingen, 1865 folgte die Burkhardtsmühle im Siebenmühlental.

Heimatmuseum

Museum
Im Heimatmuseum in Bonlanden kann man im Dachgeschoss mehr über die Verwendung von Holz erfahren und historische Zimmermannsgeräte, etwa ein Beil und eine Säge, begutachten. Das Museum öffnet nach der Sommerpause wieder am 12. September. An diesem Tag werden zudem neue Exponate zum Thema Weinbau zu sehen sein. Bis 1977 gab es einen Wengert am Uhlberg.