Foto: Piechowski

Die Mieter in der alten Bahndirektion müssen Ende Dezember raus - Nicht jeder weiß, wohin.

Stuttgart - Für alle ist es hart, doch für einige härter: Wer nur einen Schreibtisch in seinem Raum im H7 stehen hat, der kann vorübergehend auch vom heimischen Küchentisch aus arbeiten. Wer dort aber einen Club betreibt oder Angestellte hat, dem tut die extrem kurze Auszugsfrist von nur drei Wochen richtig weh.

Ist es die freudige Aufbruchstimmung angesichts des neuen Jahres, die gerade die ehemalige Bahndirektion an der Heilbronner Straße 7 beherrscht? Wenn man zynisch sein will, ließe sich die Situation, die im Gebäudekomplex zurzeit vorherrscht, so deuten.

Im Foyer des sogenannten H7 hängen neuerdings Plakate, die das Filmen und Drehen im Gebäude ohne die Einwilligung des Vermieters verbieten. In den endlosen Gängen stolpert man wahlweise über Umzugskartons oder über Aufsteller, die die frohe Botschaft verkünden, dass man von Januar an in der Ossietzkystraße zu finden sei.

Eigentlich läuft der Mietvertrag noch bis März

Vor der Haarfiliale von Fili Gountoglou steht kein solcher Aufsteller. In dem Raum, den die junge Unternehmerin gemietet hat, sitzen zwei ältere Herrschaften, eine Frau und ein Mann. Sie lesen Zeitung. Fili Gountoglou wäscht ihnen nacheinander die Haare, nebenher versucht sie, ihre Gedanken zu sortieren. "Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht", sagt sie. Am Nikolaustag hat sie erfahren, dass sie bis zum Ende des Jahres aus dem H7 rausmuss - nicht vom Vermieter, sondern von jemandem aus dem Haus, wie sie sagt.

Sie sei über die kurze Frist erschrocken: "Es war klar, dass wir im kommenden Jahr rausmüssen - aber dass wir innerhalb von nur drei Wochen unsere Sachen packen müssen, damit hat keiner gerechnet", sagt sie. Schließlich lief der Mietvertrag ihres Vermieters, der Raumaufzeit GmbH, mit dem Eigentümer der alten Bahndirektion, der CA Immo Deutschland, eigentlich noch bis Ende März. Eine Klausel im Vertrag ermöglichte jedoch, dass auf Betreiben der Bahn der Vertrag früher gekündigt werden konnte - alle 156 Existenzgründer müssen das H7 nun bis Ende Dezember verlassen. Verhandlungen mit der Bahn, durch die eine Fristverlängerung für einige Mieter erzielt werden sollte, scheiterten.

Alternative Räume sind begehrt

Die Raumaufzeit GmbH habe Gountoglou dann alternativ einen Raum in der Goethestraße in Aussicht gestellt. "Ich solle die Situation als Herausforderung sehen, sagte man mir", erzählt die junge Frau. Das tat sie. Und sie schaffte es tatsächlich, bei allen nötigen Handwerkern Termine zu bekommen - und das so kurz vor Weihnachten und Neujahr. "Doch dann musste ich erfahren, dass der Vertrag zwischen dem Besitzer des Gebäudes in der Goethestraße und Raumaufzeit geplatzt ist", sagt sie.

Warum dem so ist, das verrät auch Alexander Matthies nicht, Geschäftsführer von Raumaufzeit. "Ich kann nur sagen, dass der Eigentümer keine Möglichkeit sah, an uns zu vermieten", so Matthies. Dafür aber, betont er, gebe es ein Ausweichquartier in einem Gebäudekomplex in der Ossietzkystraße, die nur ein paar Hundert Meter vom H7 entfernt ist. Wie die H7-Mieter mit dem Aufsteller vor der Bürotüre, so hat auch der Fotograf Lutz Schelhorn ab Januar dort neue Räume angemietet."Ich wollte sowieso raus aus dem H7", sagt er. Doch er ärgert sich dennoch über die Art und Weise, wie mit den Mietern umgegangen wird: "Es ist schade, in Stuttgart behandelt man Kreative nicht gut - da muss man sich nicht wundern, dass sie früher oder später nach Berlin abwandern", sagt er. Er ärgert sich auch darüber, dass "die Mieter im H7 schon jetzt inoffiziell als Hausbesetzer gelten", dabei sei jeder bestrebt, etwas Neues zu finden.

So wie Fili Gountoglou. Doch das Gebäude in der Ossietzkystraße ist bereits komplett ausgebucht. Auch um die weiteren Räume in der Türlenstraße 2 sowie im Filmhaus wurde hart gerungen.

Die meisten Mieter sind versorgt

Ende der vergangenen Woche hat sich dann noch eine weitere Nachfolgeimmobilie gefunden: Ein städtisches Gebäude mit rund 1500 Quadratmeter Fläche an der Kriegsbergstraße 28, in der die Berlitz-Sprachenschule ihren Sitz hatte.

Alexander Matthies ist "froh, dass wir mit Hilfe der Stadt und der Wirtschaftförderung neue Objekte finden konnten, um den H7-Mietern schnell eine Lösung bieten zu können". Seines Wissens nach sind die meisten Mieter mittlerweile versorgt: "Entweder haben sie selbst etwas gefunden, oder sie sind wieder bei uns untergekommen", so Matthies. Selbst der Club Rocker 33 hat eine neue Unterkunft gefunden: im Filmhaus.

Fili Gountoglou, die eine Angestellte beschäftigt, hatte weniger Glück. Ihr größter Weihnachtswunsch - dass sich für sie und ihre Angestellte eine Möglichkeit auftue - hat sich nicht erfüllt. "Ich betreibe ein Friseurgeschäft. In den meisten Ausweichquartieren gibt es allerdings nur einfache Büroräume - und bei einer Mietdauer von nur ein bis zwei Jahren lohnt es sich nicht, Wasserleitungen verlegen zu lassen", sagt sie. Deshalb hat sie einen Container angemietet, um wenigstens ihre Sachen unterstellen zu können. Freudige Aufbruchstimmung ins neue Jahr sieht anders aus.