Stuttgarter Oberbürgermeister: Wolfgang Schuster (rechts) und sein „Ziehvater“ Manfred Rommel im Jahr 2012 Foto: /chim Zweygarth

Das Stuttgarter Stadtoberhaupt in den Jahren 1997 bis 2013 wird am Donnerstag im Rathaus in einem Festakt geehrt. Der Jubilar hat die Redner selbst ausgesucht.

Der ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) feiert am Donnerstag seinen 75. Geburtstag. Der immer noch weit reisende und stark ehrenamtlich engagierte gebürtige Ulmer, den Ehefrau Stefanie in der Regel erst zur „Tagesschau“ erwartet, hat sich einen Abend für einen Festakt frei gehalten, den im Rathaus sein Nach-Nachfolger und Parteifreund Frank Nopper für ihn ausrichtet.

 

Schuster, der das Geheimnis ewiger Jugend und beneidenswerter Fitness gelüftet zu haben scheint, ist nach wie vor kein Freund des gemächlichen Gangs. Wer ihm in der Stadt die Hand schütteln will, muss sich sputen. Der Vater dreier Kinder und Großvater von acht Enkeln plant (aktuell) und baut (demnächst) mit Ingenieur Werner Sobek auf Parkplätzen und Grundstücken Hunderte Modulwohnungen, engagiert sich beim Deutsch-Türkischen Forum, bei der Theodor-Heuss-Stiftung, beim Landesmuseum und der Bachakademie. Als Vorsitzender des Fördervereins der Staatstheater steht ein Wunsch ganz oben auf der Liste: die Wiedereröffnung des Littmann-Baus um das Jahr 2040 herum bei bester Gesundheit zu erleben. Für den Donnerstagabend hat er sich auserbeten, mit Glückwünschen hauszuhalten.

Schusters Blick war stets in die Zukunft gerichtet

Schuster beschäftigt sich schon immer weniger mit Gegenwärtigem als mit der Zukunft und hat sich deshalb ein Kolloquium mit sinnhaften Vorträgen gewünscht. Der ehemalige OB, „Ziehsohn“ und Nachfolger von Manfred Rommel, wird in seinem Impulsvortrag über seine Visionen reden. Altgediente Kommunalpolitiker, in Schusters Amtszeit von 1997 bis 2013 ob seiner zukunftsweisenden Zehn-Punkte-Zukunftsprogramme oft genervt, zollen ihm im Rückblick großen Respekt.

Auch wenn 2003 die Olympiabewerbung danebenging, blieb nicht nur ein lädierter Arm zurück, den er sich kurz vor der peinlichen Präsentation vor den Granden des NOK beim Überspringen einer Absperrkette zum Organisationsbüro gebrochen hatte. Auf dem Cannstatter Güterbahnhofgelände, geplanter Standort fürs Athletendorf, entwickelte sich der Neckarpark.

OB Wolfgang Schuster und Raimund Gründler von der Olympia GmbH während der Zeit der Olympia-Bewerbung. Foto: Uli Kraufmann

Auch der Traum vom Trump-Tower, Schuster wird sich mit Grausen an den Investor Ulrich Marseille und dessen bei der Präsentation die US-Nationalhymne intonierende Gattin erinnern, zerplatzte wie eine Seifenblase. Auf dem Pragsattel stehen heute aber sehr wohl Hochhäuser. Die Stadtbibliothek am Mailänder Platz und das Kunstmuseum sind mit seinem Namen verbunden.

Viele Stuttgarter haben ihm den Einsatz für S 21 nicht verziehen

Hätte Schuster auch bei Stuttgart 21 Weitblick besessen, und hätten ihm die Finanzkrise und der auf Sparsamkeit und Schuldenabbau gepolte Finanzbürgermeister Michael Föll nicht allzu oft Grenzen gesetzt, wäre seine Gesamtbilanz noch besser ausgefallen. Beim Tiefbahnhofprojekt sah Schuster vor allem die städtebauliche Chance. Die Bahn-Vorstände täuschten bekanntlich nicht nur ihn, sondern auch seine Nachfolger mit falschen Zahlen, Kostenprognosen und Fertigstellungsterminen. Dass der Bund durch eine Gesetzesänderung diese Chance auf Tausende Wohnungen gefährde, ist für ihn unfassbar.

Baubeginn für das Bahnprojekt Stuttgart 21: Viele Stuttgarter haben Schuster dessen Einsatz nicht verziehen. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Viele Stuttgarter haben ihm seinen Einsatz für S 21 und das mangelnde Verständnis für die Argumente der Projektgegner nicht verziehen. Eines kann man Schuster aber zugutehalten: In der im Landtag anberaumten Krisensitzung zum „Schwarzen Donnerstag“ war er der Einzige, der den überzogenen Polizeieinsatz im Schlossgarten mit Wut im Bauch harsch kritisierte und seitdem beim damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus völlig unten durch war.

Schuster wirkte im Umgang mit den Bürgern bekanntlich oft unnahbar. Aber nicht erst seit seinem Abgang erlebt man ihn locker und entspannt. Sobald es während seiner Amtszeit über die Landesgrenzen ging, brillierte er als vorbildlicher „Außenminister“ und traf auch in fremden Sprachen den richtigen Ton. So benötigten etwa in der Partnerstadt St. Helens die örtlichen Repräsentanten der englischen Kommune, die als erste nach dem Zweiten Weltkrieg Beziehungen zur Landeshauptstadt aufgenommen hatte, jede Menge Taschentücher, als er in einer empathischen Dankesrede den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart spannte.

Die Redner für den Festakt sind von Schuster persönlich ausgewählt

Für den Festakt konnte Schuster Peter Middendorf gewinnen, den Leiter des Instituts für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart. „Fliegen muss nachhaltiger werden“, sagt Schuster in Anbetracht einer erwarteten Verdoppelung des Luftverkehrs in den nächsten Jahren. Klima, Umweltschutz und nachhaltige Mobilität seien schon während Schusters 16-jähriger Amtszeit vorangetrieben worden, lobt ihn die städtische Pressestelle. Klimaaktivisten sehen das etwas anders. Damals war Stuttgart jedenfalls noch mehr eine Autostadt als heute.

Stuttgart müsse bei den damit verbundenen Innovationen im Luftverkehr führend sein, um auch künftig Wertschöpfung betreiben zu können, so Schuster. Dafür soll Middendorf die Gäste begeistern. Eingeladen hat Schuster zudem Burkhard Jung, den OB von Leipzig, der zur Lage im Osten berichten kann. Jung war unter dem Jubilar Vizepräsident des Deutschen Städtetages. Und schließlich hat er Klaus Vogt um einen Vortrag gebeten. Er ist Geschäftsführer des Kolpingwerks mit 170 Privatschulen. Mit ihm hatte er gleich nach seiner Entscheidung, sich kein drittes Mal zur Wahl zu stellen, ein Projekt zur Förderung der dualen Ausbildung für junge Südeuropäer gestartet.

Bildung war für Schuster immer ein Herzensanliegen. Unter ihm (und mit Bürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch) wurde die frühkindliche Bildung etabliert. „Es erschien mir sinnlos, die kleinen Stöpsel in die erste Klasse zu stecken, ohne dass sie Deutsch sprachen“, so der Alt-OB, der das „Einsteinprogramm“ als „Integration von unten“ bezeichnete. Auch die außerschulische Bildung lag ihm am Herzen, die mit dem Ausbau der Bibliotheken erfolgreich war.

Schuster war klar, dass Deutschland und vor allem die Stadt Stuttgart, für die er eine aktive Wirtschaftsförderung betrieb, ausländische Fachkräfte benötigen. Heute sei das noch stärker der Fall, sagte er im Hinblick auf 1700 freie Stellen in der Stadtverwaltung. Das „Bündnis für Integration“ war für andere Städte Vorbild. 2007 präsentierte er dem Städtetag sein Konzept der „Internationalen Stadt“. Die „taz“ zitierte ihn damals mit der Aussage: „Jeder, der in Stuttgart wohnt, ist Stuttgarter. Punkt. Der Pass interessiert mich nicht. Mich interessieren die Potenziale, die ein Mensch mit sich bringt.“

Wolfgang Schuster – vom Ulmer Stadtrat zum Stuttgarter Oberbürgermeister

Werdegang
Wolfgang Schuster wurde in Ulm geboren, studierte in Tübingen, Genf und Freiburg Rechts- und Staatswissenschaften und promovierte im Zivilrecht. Er studierte an der École Nationale d’Administration (ENA) mit den Schwerpunkten Verwaltungsführung und internationale Wirtschaftspolitik. Von 1975 bis 1980 war Wolfgang Schuster Stadtrat in Ulm, von 1978 bis 1980 Referent im Staatsministerium Baden-Württemberg unter den damaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger und Lothar Späth. 1980 wurde er Leiter des Persönlichen Referats des Stuttgarter

Bürgermeisterkarriere
1986 bis 1993 war er Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd, anschließend wurde er Bürgermeister für Kultur, Bildung und Sport in Stuttgart. Von 1997 bis 2013 wirkte Schuster als Oberbürgermeister der

Ehrenämter
Von 2015 bis 2018 war Wolfgang Schuster Vorsitzender der Deutschen Telekom-Stiftung, von 2019 bis 2023 Vorsitzender des Kommunalbeirats der Deutschen Telekom AG. Er ist Geschäftsführer des Instituts für Nachhaltige Stadt Entwicklung GmbH und beriet die Bundesregierung als Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Heute engagiert er sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Fördervereins der Staatstheater, beim Institut français, beim Deutsch-Türkischen Forum, bei der Theodor-Heuss-Stiftung, beim Landesmuseum und bei der Bachakademie.