Der ehemalige und kürzlich verstorbene Präsident der Republik Südafrika, Nelson Mandela, empfängt Anfang April 2006 vor seinem Haus in Maputo in Mosambik den damaligen Bundespräsident Horst Köhler. Foto: dpa

Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hat mit Blick auf die Entwicklungshilfe für Afrika „koloniales Denken“ in Europa angeprangert. In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten sagte er: „Wir in Europa sollten uns nicht schlechter machen als wir sind, aber auch nicht besser.“

Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hat mit Blick auf die Entwicklungshilfe für Afrika „koloniales Denken“ in Europa angeprangert. In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten sagte er: „Wir in Europa sollten uns nicht schlechter machen als wir sind, aber auch nicht besser.“
Stuttgart – - Herr Köhler, wird das Vermächtnis von Nelson Mandela nicht überhöht, wenn man die große Not in Südafrika und in Afrika insgesamt sieht?
Afrika ist kein Paradies. Trotz aller guten Entwicklungstendenzen gibt es noch viele ungelöste Probleme. Die Kommentare aus Anlass des Todes von Nelson Mandela verstehe ich auch als eine Kompensation für den nicht immer richtigen Umgang mit Afrika.
Worin sehen Sie die besondere Leistung Mandelas?
Mandela selbst hat sich nie als Heiligen gesehen, aber gewiss ist er eine große Persönlichkeit. Für mich steht er in der Tat auf einer Stufe mit Ghandi und Martin Luther King. Nach 27 Jahren im Gefängnis die Größe zu haben, auf Versöhnung zu setzen, das ist eine gigantische Leistung. Er hat dem Schwarzen Kontinent den Glauben an sich selbst gegeben. Das ist fast das Wichtigste. Er ist ein Vorbild für Politik und Politikmethode. Seine Politik war keine Inszenierung für die Medien. Sie war davon geprägt, dass man Frieden am Ende nur bekommen wird, wenn die Menschen zusammenstehen und zusammenarbeiten.
Europa hilft viel in Afrika, aber die Chinesen haben oftmals die Nase vorn. Ein richtiger Eindruck?
Die Chinesen sind praktisch in ein Vakuum gestoßen. Sie sind im Wettbewerb um Rohstoffe strategischer vorgegangen als die Europäer und haben Infrastruktur gebaut. Zudem sind die Chinesen dabei, beim Aufbau einer Industrie zu helfen. Es ist nicht so, dass die Chinesen das Heil nach Afrika bringen, aber sie haben dazu beigetragen, dass der wirtschaftliche Entwicklungsprozess einen Schub bekommen hat. Und auch von Brasilien, Indien und der Türkei erhält Afrika neuerdings Unterstützung. Aus afrikanischer Interessenlage ist das hilfreich.
Was ist unser Problem?
Wir in Europa sollten uns nicht schlechter machen als wir sind, aber auch nicht besser: Es gibt heute noch in westlichen Ländern bisweilen koloniales Denken. Wenn wir nicht bereit sind, dies zu ändern, werden wir das große Potenzial Afrikas weder fördern noch nutzen können.
Was könnte Deutschland in der Entwicklungshilfe besser machen?
Eigentlich müsste jede Politik auch Entwicklungspolitik sein. Deutsche Politik sollte so definiert werden, dass klar wird: Unsere Interessen, unsere Ziele sind besser aufgehoben, wenn wir sie verbinden mit der Perspektive, wie es draußen in der Welt zugeht. Da geht es nicht nur um Afrika, sondern zum Beispiel auch um die aufstrebenden Schwellenländer. Es geht darum zu erkennen: Wie können wir mit unserer Hilfe, mit unserem Wissen, mit unseren Exportgütern zur friedlichen Entwicklung des ganzen Planeten beitragen? Almaz Böhm und ich waren in dieser Woche in Stuttgart mit der Stiftung „Menschen für Menschen“, um aufzuzeigen, dass eine partnerschaftliche Unterstützung und Hilfe funktionieren kann, und das schon seit weit über 20 Jahren! Das kann uns allen Mut machen und sollte Ansporn sein.