Die Burg Wildenstein bei Meßkirch – während der Pest vor 500 Jahren wurde sie zur Zuflucht. Foto: imago stock&people

Quarantäne für ein Jahr – als vor 500 Jahren rund um Meßkirch die Pest wütete, zog sich der Graf von Zimmern auf seine Burg zurück. Das rettete ihm nicht nur einmal das Leben.

Meßkirch - Geschichte wiederholt sich – auch in Pandemiezeiten, das bestätigt ein Blick in die epochale „Chronik der Grafen von Zimmern“, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verfasst worden ist, überdeutlich. Auch damals waren der Quell allen Übels ein Vogel und ein unvorsichtiger Mensch.

Folgendes war geschehen: Vor einem herbstlichen Festessen der Meßkircher Büchsenschützen im Jahr 1531 hatte die Köchin auf dem Markt zahlreiches Geflügel erstanden, wobei ihr unbemerkt auch eine „bresthaftige“ Henne untergejubelt worden war, die sie vor der Zubereitung sofort aussortierte, da das Geflügel ihres Wissens ja auch von der Pest hätte befallen sein können. Darüber, dass ausgerechnet diese feiste „wohlleibige“ Henne „hingeworfen und verloren“ sein sollte, hatte ihre Schwester jedoch „ain Betauren“ und nahm das Federvieh mit nach Hause. Dort bereitete sie den kranken Vogel meisterhaft zu – sehr zur Freude ihres Mannes und der Kinder, die alle in der folgenden Nacht von der Pest befallen wurden und bald starben. In Windeseile verbreitete sich die Seuche über ganz Meßkirch und raffte in der Folge noch zahlreiche Bürger der Stadt dahin.

Dank der drastischen Quarantäneregeln haben alle überlebt

Kaum dass der im dortigen Schloss residierende Graf Gottfried Werner von Zimmern davon Kunde erhielt, packte er die Koffer und floh auf die nahe gelegene Burgfeste Wildenstein, wo er sich in strenge Quarantäne begab, die ihm – nach allem, was man weiß – ein zweites Mal das Leben rettete. Denn schon im schlimmen Pestjahr 1518 hatte er es genauso gehandhabt: Als das große Landsterben „viel gute Leut’, reich und arm, auch weder junge noch alte verschont“, war der Graf mit seiner Familie fluchtartig auf den von ihm zur Festung umgebauten Wildenstein umgesiedelt und verbarrikadierte sich dort. Ein Jahr harrte er aus, bis „in nachgendem 1519 jar der sterbend ufgehört und die Luft sich allenthalben gebessert“, wie es in der Chronik heißt. Erst dann ist der Graf nach Meßkirch zurückgekehrt.

Dank der von ihm erlassenen drastischen Quarantäneregeln haben alle überlebt. So hatte er bestimmt, dass auf dem Wildenstein niemand mehr ein- oder ausgehen dürfe, das Essen hat er vor das Tor stellen lassen, und erst wenn die Boten wieder fort waren, sind die Speisen geholt worden, nicht ohne sie fleißig zu waschen oder zumindest einmal zu durchlüften. Auch keine Kleider- oder Schuhlieferungen hat er gestattet – sehr zum Kummer derer „im Frawenzimmer“, die dadurch großen Mangel litten. Zähneknirschend mussten sie es um ihrer Gesundheit willen ertragen. Ende gut – alles gut.

Der Graf wollte erst gehen, wenn der Wein geleert ist

Auch im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 hat sich der Graf von Zimmern wieder auf dem Wildenstein verrammelt und so die Streifzüge marodierender Horden unbeschadet überstanden, wie die Annalen belegen. Kein Wunder, dass dem alten Grafen seine Burgfeste so ans Herz gewachsen ist, dass er sie gar nicht mehr verlassen mochte. Und das noch nicht einmal im kalten Winter, obwohl es doch im nahen Schloss Meßkirch viel bequemer zu leben sei, gab seine des zugigen Gemäuers zunehmend überdrüssige Dienerschaft zu bedenken. Nix da, konterte der Burgherr: Erst wenn der letzte Schluck Wein aus den Fässern geleert sei, werde er vom Wildenstein weichen – wohl wissend, dass da Tausende von Litern lagerten, die sicher weit über sein seliges Ende hinausreichen würden.

Freilich hat er nicht mit dem Durst seiner Bediensteten gerechnet, denn nun begann bereits am frühen Morgen ein gewaltiges Besäufnis, an dem sich alle, vom Burgwächter bis zur Küchenmagd, so lange beteiligten, bis die Fässer leer waren. Eigentlich hätte der Graf nun sein Versprechen einlösen und umziehen müssen – doch das hat er nicht getan: Da ihm die Burg dreimal das Leben gerettet habe, lasse er die Weinfässer wieder neu befüllen.