Ein Duell auf Augenhöhe: Die Stuttgarterinnen Nia Grant (li.) und Michaela Mlejnkova versuchen, den Schmetterball der Dresdner Diagonalangreiferin Liz McMahon zu blocken. Foto: Baumann

Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart und Dresdner SC streiten sich im entscheidenden dritten Play-off-Halbfinale an diesem Samstag (19.30 Uhr/Scharrena) um den Einzug in die Endspielserie. Es ist ein Duell auf Augenhöhe, dabei kämpfen die beiden Vereine mit unterschiedlichen Mitteln.

Stuttgart - Wenn der Dresdner SC ein Heimspiel vorbereitet, dann geht es politisch korrekt zu. Fein säuberlich werden die roten Plastikstühle beschriftet, auf denen hinter den Trainerbänken die wichtigen Gäste sitzen. Am Samstag klebten dort auch die Namen Thomas de Maizière und Stanislaw Tillich – der Bundesinnenminister schaute sich zusammen mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen die 2:3-Niederlage des Meisters von 2014, 2015 und 2016 im zweiten Play-off-Halbfinale gegen Allianz MTV Stuttgart an. Beide sind, wie auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert, Fans der DSC-Volleyballerinnen. „Ich wohne in Dresden, bin öfter in der Halle“, sagte Thomas de Maizière, „ich hätte mich gefreut, wenn der DSC den Einzug ins Finale geschafft hätte. Aber der Gegner war besser, vor allem technisch.“

Wenn Allianz MTV Stuttgart ein Heimspiel vorbereitet, sitzt die Politik nicht in der ersten Reihe. Hin und wieder kommt der neue Sportbürgermeister Martin Schairer, er ist mit MTV-Chefin Ulrike Zeitler liiert. Ansonsten? Gibt es meist wichtigere Termine. „Natürlich sprechen wir Einladungen aus“, erklärt Aurel Irion, Geschäftsführer des Bundesligisten, „aber die Politiker in Stadt und Land haben offenbar wenig Bezug zum Volleyball.“ Dass es trotzdem möglich ist, erfolgreich zu sein, zeigt der Verein seit Jahren. Irion sagt aber auch: „Selbstverständlich tut es gut, wenn einem wichtige Leute den Rücken stärken.“ Wie in Dresden.

Zugang zur Politik ist das Ergebnis harter Arbeit

Dort ist Jörg Dittrich der Baumeister des Erfolgs. Er hat von seinem Vater nicht nur das familieneigene Dachdecker-Unternehmen und den Präsidenten-Job bei der Handwerkskammer übernommen, sondern ist auch Vorstandsvorsitzender des Dresdner SC. Am Samstag saß Dittrich auf dem roten Plastikstuhl zwischen De Maizière und Tillich. „Wir haben einen Zugang zur Politik“, sagt er, „dafür mussten wir hart arbeiten. Jetzt bekommen wir den Beifall, um den wir jahrelang geworben haben.“ Und noch mehr.

Für Dittrich ist klar, dass sein Verein von dem geknüpften Netzwerk profitiert. Das Plus lässt sich zwar nicht in Euro beziffern, schlägt sich aber auf dem Konto nieder. „Es bringt einen enormen Imagegewinn, wenn die Politik hinter einem steht“, sagt Dittrich, „denn das sehen natürlich auch die Sponsoren.“ Ergebnis: Der Dresdner SC arbeitet mit einem Etat von knapp 1,6 Millionen Euro pro Saison – dem höchsten in der Liga.

Allianz MTV Stuttgart hat rund eine Million Euro zur Verfügung, und trotzdem liefern sich beide Vereine nicht nur in der aktuellen Halbfinal-Serie, die im dritten Spiel an diesem Samstag in der Scharrena entschieden wird, ein Duell auf Augenhöhe – sportlich. Nicht strukturell. „Hut ab, Lobbyismus in eigener Sache betreiben die Dresdner einfach gut“, sagt Bernhard Lobmüller, der frühere MTV-Manager, „aber der Sport im Osten Deutschlands genießt eben, wie früher schon, bei der Politik eine ganz andere Wertschätzung, das sieht man auch beim Schweriner SC. Das ist gegenüber Sponsoren ein unschlagbares Argument und führt auch zur Unterstützung durch städtische Unternehmen und Landestöchter. In Stuttgart dagegen verliert der Sport in diesem Punkt ganz klar gegen die Kultur.“

Dresdner SC fordert eine größere Halle

Was nicht heißt, dass in Dresden alle Wünsche erfüllt werden. Schon länger fordert der DSC, dessen Spiele im Schnitt 2800 Fans sehen, eine neue Halle – weil die Margon-Arena (3000 Plätze) aus Sicht des Vereins zu klein und nicht modern genug ist. Die Verantwortlichen sind überzeugt, pro Heimspiel 5000 bis 6000 Tickets verkaufen zu können und zudem bis zu 200 Vip-Karten mehr als derzeit (350 pro Partie). „Sollte wie in Stuttgart auch in Dresden eine Volleyball-Halle gebaut werden, wäre das natürlich okay“, meint Lobmüller, „allerdings glaube ich nicht, dass der Dresdner SC es sich leisten könnte, dort zu spielen, ohne dass Miete und sonstige Kosten von bis zu 20 000 Euro pro Spiel subventioniert werden.“ Wenn es auch hier eine Unterstützung geben sollte? „Würden sich die Kräfteverhältnisse im Frauenvolleyball deutlich verschieben.“

Das ist Zukunftsmusik. Doch schon aktuell gibt es Misstöne – zumindest wenn das Thema gespielt wird, wer wie viel Geld zur Verfügung hat. Der Dresdner SC mit dem klar höchsten Etat? „Es kommt immer darauf an, was in den Haushaltsplan alles hineingerechnet wird“, sagt Jörg Dittrich, der Vorstandschef, „wir haben zum Beispiel drei Festangestellte auf der Geschäftsstelle und investieren viel in den Nachwuchs. Ich bin überzeugt, dass sich die Kosten für die Mannschaften in Stuttgart, Schwerin und Dresden nicht groß unterscheiden.“

Auch zwischen den Funktionären gibt es eine große Rivalität

Zumindest in Stuttgart wird eine andere Rechnung aufgemacht. Aurel Irion („Auch in unserer Kalkulation sind alle Posten berücksichtigt“) und Bernhard Lobmüller erklären, in Verhandlungen mit Spielerinnen selbst schon die Erfahrung gemacht zu haben, dass in Dresden mehr zu verdienen ist. „Eine Ausnahmeangreiferin wie Michelle Bartsch, die zwei Jahre in Dresden war“, sagt der langjährige MTV-Manager, „hätten wir uns nicht leisten können.“

Diese Aussagen der Funktionäre zeigen, dass nicht nur auf dem Spielfeld eine große Rivalität herrscht. Sondern auch abseits des Rampenlichts, wo es um die Frage geht, wer aus den finanziellen Möglichkeiten sportlich den größten Profit erzielt. Für Bernhard Lobmüller ist die Antwort eindeutig: „Wenn wir knapp 1,6 Millionen Euro pro Saison zur Verfügung hätten, wären wir ständig Meister.“