Myrrhe hat als Öl, Balsam oder Granulat eine über 3000-jährige Tradition. In unseren Tagen erlebt die Gabe der Weisen in der Medizin ein Comeback – und wird wissenschaftlich weltweit umfangreich erforscht.
Myrrhe – ihr Name erinnert an Weihnachten, an exotische Länder, an angenehmen Wohlgeruch. Viele kennen die Pflanze neben Gold und Weihrauch als wertvolle Gabe der Weisen aus dem Morgenland, wobei Myrrhe etwa doppelt so teuer wie Weihrauch war. Denn die Ernte und der Transport dieser Harze gestalteten sich aufwendig und zeitintensiv.
Myrrhe hat als eine der ältesten Heilpflanze der Welt eine über 3000-jährige Tradition und wurde in alten Schriften als Heilmittel dokumentiert. Heute erlebt diese Gabe der Weisen in der modernen Medizin ein Comeback und wird wissenschaftlich weltweit umfangreich erforscht.
Starker, bitterer Geschmack
Gewonnen wird das aromatische, wohlduftende, ölige Gummiharz durch das Anritzen der Stämme und Äste des Myrrhenbaums, der zu den Commiphora-Arten gehört. Nach einiger Zeit verfestigt sich der austretende Milchsaft auf der Rinde zu einem gelblich-roten bzw. braunen, körnigen, aromatisch riechenden Myrrhenharz, das eingesammelt wird. Der würzige bis stark bittere Geschmack hat dem Gummiharz wohl seinen Namen gegeben. Das Wort „Myrrhe“ leitet sich vermutlich von dem arabischen Wort „Murr“ ab, was „bitter“ heißt. Der wissenschaftliche Name „Commiphora“ leitet sich etymologisch aus den beiden griechischen Worten „kommi“ = „Klebstoff“ und „phoros“ = „tragend“ ab.
Öl zum Desinfizieren
Myrrhe ist mit dem Weihrauch (Boswellia-Olibanum) verwandt. Beide gehören zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). In den Heimatländern des bis zu vier Metern hohen, dornigen Myrrhenbaums – in Jemen, Oman, Sudan, Äthiopien, Somalia und Kenia – wird das getrocknete, gelb-braune Harzgranulat seit Jahrtausenden verwendet: als Aphrodisiakum, als Parfüm, zur Körperpflege, als Räucherwerk im Tempel, als Salböl oder als Duftbalsam bei kultischen Handlungen.
Mit Aloe vermischt
Bereits vor 3000 Jahren balsamierten die Ägypter ihre Verstorbenen mit dem verwesungshemmenden und desinfizierenden Myrrhenöl ein. Später übernahmen die Juden diese Technik der Einbalsamierung. So wurden die Leichentücher Jesu nach dem Bericht des Evangelisten Johannes mit Aloe vermischtem Myrrhenöl getränkt „wie die Juden zu begraben pflegen“ (19,39-40).
Desodorierende Wirkung
Auch die positiven Eigenschaften von Myrrhe auf die Psyche waren in der Antike bekannt. Ebenso die wundheilende und desodorierende Wirkung: entweder als Tinktur oder als Salbe. Orientalische Frauen rieben sich die Achselhöhlen mit dem wohlriechenden Harz ein. Im Gegensatz zu Weihrauch ist Myrrhe als Arzneipflanze gut erforscht und hat bereits eine Zulassung als traditionelles pflanzliches Heilmittel.
Myrrhe gibt es in der Apotheke als Kapseln, in Zahncremes, als Tinkturen oder Tabletten. Sie wurde bereits im Altertum gegen Entzündungen benutzt, weshalb Forscher ihre Inhaltsstoffe in der modernen Medizin nun verstärkt wegen dieser antientzündlichen Eigenschaften untersuchen. „Ihre desinfizierende, das Gewebe zusammenziehende und blutstillende Wirkung wird bei Entzündungen der Mundschleimhaut, aber auch bei Bronchitis und Darmentzündungen eingesetzt“, sagt die Apothekerin Daniela Hocke aus Hamburg.
Auch als Mundspülung gut
Als Tinktur und Mundspülung kann man Zahnfleischentzündungen behandeln. Die Inhaltsstoffe der Heilpflanze senken auch das Wachstum von Pilzsporen und bestimmten Bakterien. Ebenso den Spannungszustand der glatten Darmmuskulatur, sodass weniger Darmkrämpfe entstehen.
Myrrhe-Kombipräparate aus Kamille und Kaffeekohle stabilisieren die Darmbarriere und schützen diese vor schädlichen Einflüssen. Sie haben einen positiven Einfluss auf gesundheitsfördernde Stoffwechselprodukte im Darm wie „kurzkettige Fettsäuren“, die beispielsweise sehr wichtig für die Energieversorgung der Darmzellen sowie für die Produktion von Darmschleim sind.
Bestens für den Darm
Dies bestätigten Untersuchungen an den Universitäten Leipzig und München sowie Veröffentlichungen der Charité Berlin und der Kliniken Essen-Mitte und haben zum Beispiel für Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa eine wichtige Bedeutung. Denn die Wiederherstellung einer „löchrigen“ Darmbarriere sei eines der Haupt-Therapieziele dieser Erkrankung. „Die Wirksamkeit eines Kombinationsarzneimittels mit Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle zur Erhaltung der beschwerdefreien Phase bei Colitis ulcerosa ist belegt“, resümieren die europäischen Forscher. Als balsamartiges, ätherisches Myrrhenöl pflegt und schützt es die Haut, wirkt appetitanregend, unterstützt die Verdauung und gilt als „Anti-Aging-Mittel“, sagt die Heilpraktikerin Gabriele Engelbart.
Unbedingt ein Glückshormon
Es habe eine adstringierende (zusammenziehende) und desinfizierende Wirkung und werde daher in der Zahnmedizin eingesetzt. Außerdem stärke und stabilisiere das Öl die Psyche, wirke positiv auf die Zirbeldrüse und sei somit schlaffördernd. Denn das kleine Organ im Mittelhirn bildet aus dem als Glückshormon bekannten Serotonin den Botenstoff Melatonin. Myrrhe hat also in der heutigen Medizin bereits einen festen Platz. Vor allem wegen ihrer antientzündlichen Eigenschaften bei Darmerkrankungen untersuchen Forscher wieder vermehrt die Inhaltsstoffe dieser alten Heilpflanze.