Die mächtigen Alpen hat man bei Roßhaupten immer vor Augen. Foto: Fitzthum

Die neue Allgäu-Runde lebt vom Kontrast zwischen lieblichen Landschaften und spektakulärer Alpenkulisse.

Kaufbeuren - Anfangen, wo es anfängt“, lautet für gewöhnlich die Devise, wenn man sich auf eine mehrtägige Radreise begibt. Doch wo fängt es an, wenn die ausgewiesene Route im Kreis verläuft und zudem fast 500 Kilometer lang ist - wie die neue „Allgäu-Runde“, bei der man alle Winkel Bayerisch Schwabens kennenlernt und dabei hin und wieder sogar in alpines Gelände eintaucht? Mit den Bergetappen zu beginnen oder allzu direkt auf die Alpen zuzufahren, wäre jedenfalls ein dramaturgischer Fehler. Es hieße, die spektakulärsten Landschaftsteile an den Anfang zu stellen und sich die restlichen Tage mit einer abfallenden Spannungskurve herumschlagen zu müssen. Es hieße auch, gleich am Anfang das vorgesetzt zu bekommen, was Genussradler am meisten hassen - deftige Steigungen.

Gestartet wird deshalb im hübschen Kaufbeuren. Man fährt erst mal nach Norden - auf den „Glückswegen“, wie die Werbepoeten diesen gemütlich flachen Streckenabschnitt getauft haben. Der Name spielt auf Sebastian Kneipp an, den legendären Laien-Mediziner und Säulenheiligen von Bad Wörishofen, dem ersten Einkehrziel. Der umtriebige Gottesmann hatte nicht nur Naturheilverfahren wiederbelebt, die schon den Römern bekannt waren. Er verstand sich auch als Lebensberater, versuchte seinen Mitmenschen den Weg ins Glück zu weisen. Zwischen Kaufbeuren und Pforzen könnte man seine Hilfe gut gebrauchen. Trostlose sieben Kilometer folgt der Radweg der vielbefahrenen B 16. Es ist laut, stinkt nach Abgasen, und angesichts des rasenden Tempos nebendran hat man das Gefühl, überhaupt nicht vorwärtszukommen. Doch dann öffnet sich eine Bilderbuchlandschaft mit pastoralen Wiesenszenerien, einzelnen alten Baumgruppen und pittoresken Holzscheunen.

Viele Kühe und viele Schafe

Das Allgäu entpuppt sich als beschauliche Welt in satten Grüntönen - als willkommenes Gegengift zum Grau in Grau der urbanen Zivilisation. Kaum zu glauben, dass man erst jetzt auf die Idee kam, einen derart gesegneten Landstrich mit einem durchgehenden Radweg zu erschließen. Klar, dass das Universum der Kühe und Schafe nicht gerade mit kulturgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten gespickt ist. Neben Schloss Neuschwanstein ist das einzig wirklich prominente Bauwerk am Weg die Basilika von Ottobeuren, in der der Allgäuer Wunderdoktor anno 1821 getauft wurde. Auf einer innerörtlichen Anhöhe ruhend, erinnert die Kirche des Benediktinerklosters an einen vor Anker liegenden Ozeanriesen. Wer durch das opulente Portal ins Innere tritt, dem stockt erst mal der Atem. In strahlendem Rokoko gehalten, wirkt der lichtdurchflutete Raum nicht wie ein Teil der uns bekannten Welt. Deutlich mehr Schwerkraft entfaltet der angebaute Klostertrakt.

Statt an einen Ort, der dem Beten und Arbeiten gewidmet ist, lässt er an eine Festung denken, in der man sich gegen mächtige Feinde verschanzt. Dass urbane Perlen wie Memmingen und Mindelheim nicht in die Runde einbezogen wurden, ist schade. Andererseits bietet die Route ein landschaftliches Reizniveau, das Umwege zu sehenswerten Städten verzichtbar erscheinen lässt. Was die Runde so faszinierend macht, ist der Kontrast zwischen der grünen Kulturlandschaft und den weltfernen Alpengipfeln, die den erhabenen Horizont bilden. Das Wissen, dass es in der zweiten Wochenhälfte mitten in die Berge hineingehen wird, verleiht dem Unternehmen eine ganz eigene Dynamik: Der wildgezackte Alpenkamm erscheint so nah wie unnahbar, er wirkt als Versprechen und Drohung zugleich.

Diese Spannung lässt die Hauptschwäche der neuen Fernrad-Route allzu oft vergessen - die Tatsache, dass kaum jemals richtige Radwege angeboten werden. In aller Regel wird man über die kleinen Fahrsträßchen geführt, mit denen die zahllosen Weiler und Einzelhöfe untereinander verbunden sind. Von regem Verkehr kann hier zwar keine Rede sein, die Autofahrer sind aber oftmals mit einer unerfreulich hohen Geschwindigkeit unterwegs. Wer hier mit kleineren Kindern unterwegs ist, wird das eine oder andere Mal die Luft anhalten. Wo das bayerische in das württembergische Allgäu übergeht, nehmen die körperlichen Strapazen zu, man wird allerdings auch durch die größere Dichte sehenswerter Städtchen entschädigt.

Gästeinformation ist sonntags geschlossen

Eindeutiger Höhepunkt ist das von einer mittelalterlichen Ringmauer umgebene Wangen. Das Ortsbild ist sensationell intakt, in Herren- und Paradiesstraße findet man kaum ein Haus, das die städtebauliche Harmonie stört, die Stadttore gehören zu den imponierendsten urbanen Turmbauten Süddeutschlands. Trotzdem ist die Gästeinformation sonntags ganz und samstags die meiste Zeit geschlossen. Die Stadt hat zu starke Wirtschaftsbetriebe, als dass man den Feriengästen die nötige Aufmerksamkeit schenken würde - ein Problem, das einem entlang der Route immer mal wieder begegnet. Zu den schönsten Entdeckungen zählen die voralpinen Seenlandschaften. Am Forggensee etwa geht es einige Kilometer direkt am Ufer entlang, wodurch man jene verwunschenen Uferabschnitte findet, zu denen es den Spaziergängern vom Autoparkplatz aus viel zu weit ist.

Nicht weniger faszinierend ist das Tannheimer Tal, die einzige zu Tirol gehörende Region der Runde. Weist der von Jungholz hinaufführende Radweg immer mal wieder Steigungswinkel auf, die nicht einmal mit einem E-Bike zu bewältigen sind, so ist es hier oben angenehm flach. Selbst der obligatorische Abstecher zum verträumten Vilsalpsee lässt einen nicht außer Puste kommen. Am Ende der einwöchigen Tour ist man um einiges schlauer: Die reizvollsten Passagen sind nicht die, die im nördlichen Allgäu völlig eben durchs Flachland führen, sondern die, bei denen es über die stillen Höhenzüge geht, auch wenn einem dort hin und wieder hohe Pulsfrequenzen zugemutet werden. Und man musste feststellen, dass, abgesehen vom Tannheimer Tal, die alpinen Streckenabschnitte nicht die erwarteten Höhepunkte des Landschaftserlebnisses waren. Während des Hinaufstrampelns auf und neben der Straße verliert das Hochgebirge schnell das inspirierende Zusammenspiel von Versprechen und Drohung - und ist nur noch schnöde, kraftraubende Realität.

Infos zum Allgäu

Allgemeine Infos
Allgäu GmbH, kostenlose Infohotline 08 00 / 2 57 36 78, www.radrunde-allgaeu.de

Da der mit fünf Sternen ausgezeichnete Weg weitgehend asphaltiert ist, genügen normale Stadt- oder Trekkingräder. Eine Gangschaltung mit mehr als drei Gängen sollten Sie aber schon haben! Wer sich körperlich nicht allzu sehr fordern will, sollte sich ein E-Bike leihen.

Es gibt unterwegs genug Movelo-Stationen, wo man den Akku wechseln kann. Aufgrund der teilweise doch erheblichen Höhenunterschiede reicht eine Batterieladung kaum 50 Kilometer. Durch zwei Querverbindungen lässt sich die Allgäu-Runde abkürzen.

Unterkunft/Essen und Trinken
Biohotel Eggensberger in Füssen/Hopfen am See, fantastische Lage mit Blick auf den Hopfensee und Neuschwanstein, ambitionierte Küche, schöne Zimmer. Telefon 0 83 62 / 91 03 - 0, www.eggensberger.de

Das familiäre Allgovia Hotel garni liegt nur zwei Minuten Fußweg von der Altstadt von Wangen im Allgäu entfernt, Telefon 0 75 22 / 91 68 89 - 0 www.hotel-allgovia.de

In der Schankwirtschaft Wohlfahrt in Pfronten gibt es frische regionale Produkte, Telefon 0 83 63 / 92 87 95, www.eiskeller-pfronten.de

CMT
Auf der Reisemesse ist der Tourismusverband Ostallgäu vertreten in Halle 8, Stand C60 .