Nicht nur Kinder, auch Erwachsene genießen die lange Abfahrt auf dem Ostlerforstweg Foto: Pfronten Tourismus

Im Allgäu lässt sich eine Schlittenfahrt gut mit einer Einkehr in eine Hütte verbinden.

Stuttgart - In der Gegend um Füssen und Schwangau lässt sich ein Winterurlaub der anderen Art verbringen. Hier steht nicht laute Après-Ski-Musik im Vordergrund, sondern die sanfte Art des Wintersports: Rodeln.

"Magnus sagt, es sind 120 Leute am Weg - also, los geht's!", ruft Hedwig "Mausl" Müller, steckt das Funkgerät wieder in die Halterung an der Wand und bindet sich ihre rot-weiß karierte Schürze um. Seit 32 Jahren ist die 51-Jährige die umtriebige Wirtin der Drehhütte auf 1300 Meter Höhe, die in unmittelbarer Nähe der berühmten Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau liegt. Dass die Chefin und ihre Mannschaft bisweilen schon rund eine Stunde vorher wissen, mit wie vielen Gästen sie gleich rechnen können, ist ein für gastronomische Betriebe ungewohnter Vorteil. Denn fast immer ist jemand von der Hüttenbelegschaft mit einem Fahrzeug ins Tal oder zur Hütte unterwegs und kann so schnell per Funk mitteilen, wie viele Rodelfans bergan schwitzen und bald darauf die Hütte stürmen werden.

Nach dem Schlittenfahren in die Drehhütte

Die knapp vier Kilometer lange Rodelstrecke von der Hütte bis ins Tal hinunter ist äußerst beliebt. Schon früh morgens machen sich die ersten, dick eingemummelten Schneefans mit den ersten winterlichen Sonnenstrahlen auf den Weg und marschieren, einen Schlitten hinter sich herziehend, die etwa 500 Höhenmeter hinauf zur Hütte. Der Lohn für die etwa einstündige Schwitzerei ist eine wunderbar klare Winterluft, das sachte Rauschen der wie mit Puderzucker bestäubten Bäume links und rechts des Weges, das romantische Knirschen des Schnees unter den Schuhsohlen - und vor der rasanten Rodeltour ins Tal die Einkehr bei "der Mausl". Das verschwitzte T-Shirt wird gegen ein frisches getauscht, nasse Handschuhe und Mützen werden auf den warmen Kachelofen gelegt, die roten Wangen der Kinder glühen durch die Wärme in der Wirtsstube noch kräftiger. Und schon kurz darauf stehen dampfende, selbst gemachte Kässpatzen, Tiroler Gröstl oder eine urige Brotzeit auf dem Tisch.

Zwar lebt die Drehhütte von der Atmosphäre rund um den bullernden Kachelofen in der warmen Wirtsstube. Gute Seele und quirliges Zentrum des Hauses aber ist unbestritten "Mausl" Müller selbst - die den Beruf der Hüttenwirtin so nie für sich vorgesehen hatte. "Nach dem Abitur wollte ich eigentlich als Skilehrerin nach Argentinien gehen und ein bisschen was von der Welt sehen", erzählt sie. Doch weil Eugen Müller, der damalige Pächter der Drehhütte, im Dezember 1978 eine Aushilfe suchte, heuerte sie bei ihm an. Aus dem geplanten kurzen Engagement wurde eine langfristige Verbindung; nur kurze Zeit später heirateten die beiden. Seit dem Tod ihres Mannes vor sieben Jahren ist die Wirtin auf sich selbst gestellt und froh, eine so gut eingespielte Belegschaft mit fünf Festangestellten und 15 Aushilfen zu haben. Auf dem Holzofen werden kräftige Suppen gekocht, goldgelbe Spätzle gemacht, allerhand Soßen angesetzt und die selbst geformten Knödel ins siedende Wasser gelassen.

Auch auf der 1140 Meter hoch gelegenen Buchenberg-Alm steht seit Jahren nur Brot von ausgesuchten Bäckereien und Wurst von ausgewählten Metzgern auf dem Tisch. Wer Lust aufs Rodeln hat, aber den Fußweg auf den Berg scheut, der ist in dieser nur wenige Kilometer entfernten Alm richtig. Sanft schaukelt der Lift ab Halblech-Buching nach oben, einige Sessel weiter hinten folgen die Rodel, die man an der Talstation ausleihen kann.

Rodelspaß auf der Buchenberg-Alm

Bis Mitte März veranstaltet Füssen Tourismus jeden Samstag den Rodelspaß auf der Buchenberg-Alm, einer riesigen Hütte mit Aussichtsterrasse. Am Nachmittag werden die Gäste mit dem Bus an verschiedenen Hotels abgeholt und zum Sessellift gebracht, nach einem zünftigen Hüttenabend wird gemeinsam bei Flutlicht ins Tal gerodelt. "Manche unserer Gäste sind am Anfang immer ganz nervös und haben auch ein bisschen Angst, weil sie schon seit Jahrzehnten auf keinem Schlitten mehr saßen", erzählt Ruth Wechner, die die Rodelgäste regelmäßig begleitet und betreut. Doch der leichte Nervenkitzel und das Gefühl, wieder einmal etwas anderes zu machen als etwa Ski zu laufen, sei für viele gerade das Spannende. "Da kommen bei vielen Gästen wieder die Kindheitserinnerungen hoch, und wenn sie dann unten im Tal angekommen sind und ihre Augen strahlen, ist das wunderschön - und genau für solche Erlebnisse kommen viele Menschen hierher", sagt Ruth Wechner.

Am längsten dauert ein Rodel-Erlebnis in Pfronten, knapp15 Kilometer westlich von Füssen. Mit Gondel und Vierer-Sessellift geht es zunächst auf die Hochalpe und weiter zum Breitenberg. Auf einem geräumten Spazierweg erreicht man nach etwa einer halben Stunde die Ostlerhütte - und von dort aus geht es nach einer zünftigen Einkehr auf den sechseinhalb Kilometer langen Ostlerforstweg, den man bis ins Tal hinunter unter die Kufen nehmen kann.

Eine kurze, aber dafür nicht weniger romantische Rodelstrecke hat Simon Hartung in diesem Jahr zum ersten Mal gespurt. Mit dem Schlitten im Schlepptau geht es von Hopfen am See aus durch den glitzernden Schnee auf die verfallene Burgruine Hopfen, von der aus man einen fantastischen Blick auf den zugefrorenen Hopfensee bis nach Österreich hat. "Ich glaube, dieser Platz hier oben ist einer der tollsten und schönsten Aussichtspunkte in der ganzen Gegend", schwärmt der Jung-Hotelier.