Was lege ich mir denn da in den Einkaufskorb? „Bio“ ist nicht gleich „bio“ - In unserer Bildergalerie zeigen wir die Unterschiede der verschiedenen Siegel auf. Foto: dpa

Öko-Skandal in Italien - Professor Dabbert von der Uni Hohenheim vertraut dennoch auf das Biosiegel.

Stuttgart – Stephan Dabberts Telefon steht nicht mehr still. Seit bekannt wurde, dass die italienische Polizei einen Fälscherring auffliegen ließ, der mehr als 700 Millionen Kilogramm konventionelle Lebensmittel auf Bio getrimmt haben soll, ist der Professor am Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Stuttgart-Hohenheim gefragter denn je. Denn die angeblichen Öko-Produkte sind auch in Deutschland in den Handel gekommen. Laut Polizei kauften die Fälscher die Grundbestandteile der Lebensmittel über Tarnfirmen in Rumänien und Italien. Anschließend seien die Produkte mittels gefälschter Dokumentation als "biologisch" deklariert und zu deutlich höheren Preisen über ein Großhändlernetz in Italien, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Belgien, Ungarn, Österreich und der Schweiz verkauft worden.

Ein kompletter Wirtschaftszweig gerät durch den jüngsten Skandal in Verruf. Die Verbraucher reagieren verunsichert. Professor Dabbert von der Uni Stuttgart-Hohenheim
versucht im Gespräch zu beruhigen und aufzuklären.

Herr Dabbert, es ist ein lukratives Geschäft mit der Bio-Ware. Das ruft – wie jüngst wieder deutlich wurde – Fälscher auf den Plan. Vielen stellt sich daher die Frage: kann man dem Prädikat „bio“ überhaupt vertrauen?

Das EU-Kontrollsystem hat grundsätzlich zwischen Fehlern wegen Nachlässigkeit und gezieltem Betrug zu unterscheiden. Das ist zugegeben schwer auseinanderzuhalten. Schließlich kann man nicht in die Köpfe der Menschen gucken. Statistisch gesehen hatten wir es in Deutschland 2010 im Zusammenhang mit Bio-Lebensmitteln mit acht Fällen zu tun, die zur Anzeige gebracht wurden. Demgegenüber stehen etwa 31.000 Unternehmen, die mit Bio-Ware handeln und etwa 46.000 Öko-Kontrollen. Dabei wurden 22 schwerwiegende Verstöße festgestellt und 118 Unregelmäßigkeiten.

Wie wird denn zwischen „schwerwiegenden Verstößen“ und „Unregelmäßigkeiten“ unterschieden? Welche Strafen drohen in beiden Fällen?     

Von Unregelmäßigkeiten spricht man bei leichteren Abweichungen, etwa, wenn bei der Herstellung einer Bio-Wurst unzulässigerweise konventionelle Gewürze verwendet wurden. Hier wird die entsprechende Partie aberkannt und kann nicht als Bio vermarktet werden. Das bedeutet für das Unternehmen unter Umständen eine nennenswerte wirtschaftliche Einbuße – diese ist quasi die Strafe. Ein schwerwiegender Verstoß ist es, wenn etwa Mineraldünger auf einem Öko-Feld eingesetzt wird. Der Betrieb darf seine Produkte nicht mehr mit dem Bio-Siegel kennzeichnen und wird unter Umständen auch einen Teil seiner Agrarsubventionen verlieren.

Im Verhältnis zu den Kontrollen wirkt die Zahl der schweren Verstöße relativ gering. Dennoch ist ein solch dicker Fisch wie in Italien durchs offenbar zu weitmaschige EU-Kontrollnetz geflutscht. Was könnte einen solchen Etikettenschwindel künftig verhindern?

Jetzt ist erst einmal Schadensbegrenzung angesagt. Die Produkte werden, wo bekannt, aus der Vermarktung genommen. Allerdings liegt der größte Teil des Problems wohl schon zwei bis drei jahre zurück. Generell gilt aber meines Wissens, dass das Kontrollsystem funktioniert. Wer in Deutschland Bio-Produkte kauft, kann im Wesentlichen davon ausgehen, dass die ausgezeichnete Ware auch die Bio-Richtlinien erfüllt. Allerdings besteht deutlicher Verbesserungsbedarf in der Überwachung der Kontrollstellen. Auch die länderübergreifende Kommunikation zwischen behörden funktioniert nicht so, wie sie sollte.

Eine 100-Prozent-Garantie gibt es nicht?

Freilich gibt es eine Unsicherheitsmarge – wie bei anderen Dingen auch. Diese ist aber auf die Gesamtproduktmenge bezogen wohl verhältnismäßig klein. Man kann im Wesentlichen davon ausgehen, dass  dort wo "bio" drauf steht auch "bio" drin ist. Eine Konsequenz aus dem Italien-Fall sollte aber sein, dass die organisatorischen Maßnahmen verbessert werden und die Überwachung des Kontrollsystems europaweit vereinheitlicht wird. Dadurch lässt sich die Wahrscheinlichkeit von Betrug verringern. Diesen gänzlich auszuschließen, halte ich jedoch für schwierig.

„Bio“ ist nicht gleich „bio“ - In unserer Bildergalerie zeigen wir die Unterschiede der verschiedenen Siegel auf.

Tipps zum Thema Bio-Siegel von Dr. Eckhard Benner, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Das staatliche Bio-Siegel (deutsch, europäisch) ist das verlässliche Erkennungszeichen für Lebensmittel, die den gesetzlichen Bio-Standard erfüllen. Private Siegel der Händler, der Hersteller oder der Anbauverbände sind mit diesem Siegel nicht gleichzusetzen. Manche versprechen zusätzliche Eigenschaften, manche nicht.

Kennzeichnungspflichtig aus Sicht des Verbraucherschutzes: Maßstäbe sind der gesetzliche Standard und das Potenzial zur Irreführung durch die zusätzlichen Produktversprechen. Mit den gesetzlichen Regeln zur Erzeugung und Kennzeichnung von Bio-Produkten gibt es einen gesellschaftlich akzeptierten Standard für diese Produkte. Gehen Anbieter über diesen Standard hinaus, unterliegt dies nicht mehr der Überwachung (der staatlichen Kontrolle). Verspricht etwa ein Anbieter, dass seine Produktweise auch noch unnötige Transportwege vermeidet, wird das Produkt aber beispielsweise 350 km zwischen dem Ort der Erzeugung und dem Ort der Verarbeitung transportiert, liegt der Verdacht der Irreführung nahe.

Im Prinzip ist die gesetzliche Erzeugungs- und Kennzeichnungsvorschrift für Bio-Produkte ein Vorbild für die Kennzeichnung anderer Produktionsweisen (z.B. für „regionale“ Lebensmittel), d.h für Produkteigenschaften, die am Produkt selbst nicht zu erkennen sind. Derzeit magelt es an solchen Kennzeichnungsvorschriften.