Foto: Gütegemeinschaft Kerzen

Kerzen, Öle, Räucherstäbchen: Die Adventszeit setzt Duftmarken - Allergiker verzweifeln.

Stuttgart - Die Haare duften nach Kokosnuss, die Kleider nach Waschmittel, Marke Sommerfrische. In der U-Bahn riecht es wie in einer Parfümerie, in der Toilette am Arbeitsplatz nach Zitronen-Allesreiniger, abends sollen Duftkerzen namens Stressfrei für den entspannten Feierabend sorgen. Und sobald es auf die Adventszeit zugeht, wird man die Zimt-Vanille-Mandel-Duftmarken sowieso nicht mehr los.

Allen anderen Sinneseindrücken kann man sich entziehen, indem man die Augen schließt, die Musik abstellt, bestimmte Berührungen vermeidet. Atmen aber muss der Mensch - und damit auch riechen. Rund 2500 verschiedene Duftstoffe finden sich in den Dingen des täglichen Gebrauchs - in Spülmittel, Parfüms und Kerzen.

Und während das, was wir sehen und hören, vom Gehirn meist zunächst zu Gedanken verarbeitet wird, wirkt der Geruchssinn direkt und damit ungefiltert aufs limbische System. Das ist der Teil des Gehirns, in dem Emotionen entstehen. Deswegen können Gerüche unmittelbar für positive Stimmung sorgen und unser Verhalten bestimmen. Zumal viele eher unterbewusst wahrgenommen werden.

Unternehmen setzen Duftmarken in den Geschäften

Kein Wunder also, dass die Unternehmen der Nase nach gehen und sämtliche Alltagsprodukte mit mehr oder weniger angenehmen Gerüchen versehen - erst recht, seit diese synthetisch und damit günstig hergestellt werden können. Auch die Raumluft in öffentlichen Gebäuden wird nicht verschont. "Über den Duft soll eine Beziehung zum Kunden aufgebaut werden", sagt die Duftmarketing-Expertin Anja Stöhr von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Aus diesem Grund geben sich immer mehr Unternehmen eine spezielle Duftnote.

So gibt es Hotels, die ihre Gäste in allen Häusern der Kette mit demselben unverkennbaren Blumenduft empfangen, um den Wiedererkennungswert auch über den Unternehmensgeruch, also eine Art Corporate Smell, zu erhöhen. Greifen dagegen Zahnärzte und Banken in die Duftkiste, wollen sie die Stimmung der Kunden positiv heben. Wenn Hersteller Kunstlederschuhen mit Lederduft den ursprünglichen Geruch wiedergeben und Gebrauchtwagenhändler ihre Autos mit Neuwagenduft einsprühen, grenzt das schon an Verbrauchertäuschung.

Fest steht aber: Kunden halten sich nach einer Untersuchung der Universität Paderborn in bedufteten Geschäften 16 Prozent länger auf. Auch die Kaufbereitschaft ist den Untersuchungen zufolge um rund 15 Prozent gestiegen. Im Test sorgte das für eine Umsatzsteigerung von knapp sechs Prozent - wobei der Geruch immer auch von anderen Faktoren begleitet wird, die die Kaufentscheidung ebenfalls beeinflussen.

Duftstoffe sind zweithäufigste Ursache für Allergien


Was der Nase gefällt, muss für die Gesundheit aber nicht unbedingt gut sein. So warnen Hautärzte seit längerem vor einer Zunahme von Allergien, die von Duftstoffen ausgelöst werden. Nach Nickel sind sie inzwischen die zweithäufigste Ursache sogenannter Kontaktallergien, also Allergien, die nach Berührung auf der Haut Juckreiz, Rötungen oder Bläschen verursachen. Nach Schätzung des Informationsverbundes der Dermatologischen Kliniken (IVDK) sind rund 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sensibilisiert und reagieren allergisch auf mindestens eins der häufigsten Kontaktallergene.

Deswegen wurde 2003 die Kosmetik-Richtlinie der Europäischen Union (EU) geändert: Seitdem müssen 26 Duftstoffe, die besonders mit Allergien in Verbindung gebracht werden, ab einer bestimmten Konzentration deklariert werden. So können Allergiker zumindest Shampoos, Hautcremes und Deos, die einen dieser Duftstoffe enthalten, meiden.

Oft bleiben die Hersteller aber unter der deklarierungspflichtigen Konzentration oder ersetzen diese durch andere Duftstoffe, die sie nicht namentlich angeben müssen. Statt der konkreten Substanzen stehen auf den Verpackungen dann meist nur noch Sammelbezeichnungen wie "Parfum", "Aroma" oder "Flavour". Allergien können aber auch diese Duftstoffe laut Umweltbundesamt auslösen. Wer sensibel reagiert, sollte vorsichtshalber duftstofffreie Kosmetika, Waschmittel- und Reinigungsmittel kaufen, rät Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB).

Wer das Parfüm der Kollegen nicht verträgt, kann ihm kaum ausweichen

Noch schwieriger ist es mit den Düften, die von Kerzen, Räucherstäbchen und den Parfüms der Kollegen in der Luft liegen. "Überempfindliche Menschen reagieren auch über die Atemwege auf Duftstoffe", sagt Schwalfenberg. Betroffene könnten schon bei einem Hauch Duft brennende Lippen, geschwollene Gesichter, gereizte Schleimhäute, Kopfweh oder Konzentrationsstörungen bekommen. "Und diesen Düften in der Luft kann man ja kaum ausweichen." Anders als bei Kosmetika gibt es für Lampenöle und Kerzen auch keine Liste von möglicherweise allergenen Duftstoffen, die kennzeichnungspflichtig sind. Deswegen lehnt das Umweltbundesamt die Beduftung von öffentlichen Gebäuden - beispielsweise über die Klimaanlage - auch generell ab. Vor allem, wenn die Düfte unterhalbt der Wahrnehmungsschwelle dosiert werden.

Selbst wer bisher keine allergischen Reaktionen auf Düfte bemerkt hat, sollte seiner Nase nicht alles zumuten. "Die Riechzellen werden durch Gerüche zwar nicht geschädigt und erneuern sich ohnehin alle vier Wochen komplett", sagt Geruchsforscher Hanns Hatt, Leiter des Lehrstuhls für Zellphysiologie an der Universität Bochum. Er bemängelt jedoch die Qualität vieler Alltags-Düfte. "Wenn Sie ein billiges Pfirsich-Shampoo kaufen, können Sie davon ausgehen, dass der Geruch auf die billigste Art und Weise synthetisch imitiert wurde."

Kinder gehören nicht parfümiert

Statt Hunderter verschiedener Stoffe würden dann nur eine Handvoll Substanzen den Pfirsich-Geruch nachahmen. "Ein vielfältiger Duft löst im Gehirn vielfältige Reaktionen aus, bei einem einfachen Duft stumpft man innerlich ab", sagt Hatt.

Insbesondere Kindern sollte man seiner Meinung nach komplexe natürliche Düfte nicht vorenthalten - und sie von den anderen verschonen. "Kinder gehören nicht parfümiert, und ich würde in ihrer Nähe auch keine Duftlampen anzünden." Und für die verführerischsten Düfte in der Adventszeit sorgt ohnehin keine Lebkuchen-Kerze, sondern selbst gebackene Plätzchen.

Infos zum Thema


Duftkerzen:Ähnlich wie bei Zigaretten werden bei Kerzen viele Stoffe erst durch die hohen Temperaturen freigesetzt. Wer für wenige Cent eine Duftkerze kauft, die stark riecht, kann damit rechnen, dass die darin enthaltenen Duftstoffe nicht von hoher Qualität sind. Vorsicht ist bei Produkten aus dem EU-Ausland geboten, da hier oft weniger strenge Regelungen gelten. Besser auf Kerzen mit echtem Bienenwachs zurückgreifen.

Räucherstäbchen: Wie bei den Duftkerzen entstehen auch hier durch den Verbrennungsprozess Stoffe, die ungesund sein können. Zudem gelangen Feinstaubpartikel in die Luft.

Duftöle: Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart hat 2010 die Hälfte der untersuchten Duftöle beanstandet – weil kindersichere Verschlüsse oder vorgeschriebene Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge fehlten. Da die Inhaltsstoffe nicht genau angegeben werden müssen, sind diese Hinweise aber umso wichtiger.Insbesondere billige Öle, wie sie auf Weihnachtsmärkten verkauft werden, sollte man meiden – weil echte ätherische Öle ihren Preis haben und die Händler dort schwer zu kontrollieren sind. Außerdem: Das Öl nie ohne Wasser und sehr sparsam in die Lampen geben.

Raumbeduftung: Wird zu Marketingzwecken und zur Überdeckung unangenehmer Gerüche in Kaufhäusern, Hotels oder auch Verkehrsmitteln eingesetzt – vom Umweltbundesamt aber abgelehnt, weil allergisch reagierende Menschen ihnen kaum ausweichen können.

Kosmetika: In Kosmetika wie Cremes, Duschgels und Parfüms sind Duftstoffe neben Konservierungsmitteln die häufigsten Allergene. Auf Basis klinischer Daten hat die EU 26 Duftstoffe mit Allergien in Verbindung gebracht. Diese müssen ab einer bestimmten Konzentration gekennzeichnet werden. Wer auf nicht deklarierungspflichtige Stoffe allergisch reagiert, hat es schwer, sie zu identifizieren. Oft stehen sie nur unter Sammelbegriffen wie „Aroma“ auf den Verpackungen.