Auch Nüsse und Fisch lösen Allergien aus. Bei Jugendlichen und Erwachsenen sind Allergene wie Obst und Gewürze als Kreuzallergien zu Pollen bedeutsamer. Foto: Schweizer/Fotolia

Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel sind bei Kindern weit verbreitet. Kann Stillen schützen? Kirsten Beyer, Medizinerin und Expertin für Nahrungsmittelallergien, gibt Antworten.

Frau Beyer, ist der Eindruck richtig, dass immer mehr Kinder an Nahrungsmittelallergien leiden?
Das kann man nicht pauschal sagen. In manchen Ländern, vor allem in Deutschland, hat die Zahl tatsächlich zugenommen, in anderen Ländern nicht. In Deutschland beobachten wir, dass gerade die Erdnussallergie deutlich häufiger geworden ist. Vor etwa zehn Jahren war sie noch fast unbekannt. Inzwischen leidet etwa jedes 200. Kind in den ersten drei Lebensjahren an dieser Allergie. Damit ist sie etwa genauso häufig wie die Kuhmilchallergie.
Kann das daran liegen, dass Kinder heute mehr Erdnüsse essen?
Das ist eher unwahrscheinlich. In Israel bekommen Babys oft schon früh Nahrung, die Erdnüsse enthält. Allergien sind dort aber viel seltener. Ich kann auch nicht sagen, ob Kinder hier inzwischen wirklich mehr Erdnüsse essen. Ich bin auch schon mit Erdnussflips groß geworden. Nein, wir kennen den Grund für diese Entwicklung nicht.
Viele Eltern sind sehr unsicher, wie sie ihr Kind im ersten Lebensjahr ernähren sollen. Lange hieß es ja, langes Stillen schütze vor Allergien. Stimmt das?
Stillen ist nach wie vor das Beste für das Kind. Die Frage ist nur: Wie lange soll man ausschließlich stillen? Aus allergologischer Sicht reicht es, vier Monate lang voll zu stillen und dann die Beikost einzuführen. Inzwischen ist man von der Empfehlung abgerückt, Säuglinge von Allergenen fernzuhalten. Das hatte man zuvor jahrelang empfohlen.
Wie kam es zu diesem Wandel?
Man hat erkannt, dass die Studien, auf die man sich berufen hatte, methodisch nicht optimal waren. Außerdem hat man beobachtet, dass Nahrungsmittelallergien trotz dieser Vermeidungsstrategie zunahmen und dass Allergien in Ländern wie Israel, wo Babys schon früh mit Allergenen in Kontakt kommen, seltener sind. Daher wurde die Empfehlung, allergieauslösende Nahrungsmittel zu meiden, zurückgezogen. Das bedeutet aber nicht, dass wir dazu raten, Babys frühzeitig potenzielle Nahrungsmittelallergene wie Hühnerei oder Erdnuss zu geben.
Und was ist jetzt richtig?
Man muss sagen: Wir wissen es nicht. Es gibt Hinweise, dass die frühzeitige Gabe von Allergenen vor Allergien schützen kann. Aber das ist bislang nicht abgesichert. Derzeit laufen zu diesem Thema große Studien in Australien, Großbritannien und in Deutschland, nämlich hier an der Berliner Charité. Sie sollen zeigen, wie sich Kinder, die früh Hühnerei oder Erdnuss zu essen bekommen, im Vergleich zu anderen Kindern entwickeln. In ein bis zwei Jahren dürften Ergebnisse vorliegen.