Oberbürgermeister Dirk Schönberger in der Neuen Mitte Remsecks: Bei der Vergabe an die neuen Architekten begibt er sich auf rutschiges Parkett. Foto: factum/Granville

Für 20 Millionen Euro soll im Herzen Remsecks ein neues Rathaus nebst Stadthalle und Bibliothek entstehen. Der Oberbürgermeister Dirk Schönberger hat dabei schon zweimal zunächst ohne den Gemeinderat für Fakten gesorgt – bei der Kündigung der bisherigen Architekten und bei der Vergabe der Weiterplanung an neue.

Remseck - Ausschreibungen, Wettbewerbsverfahren, Vergabekriterien – das alles kann furchtbar lästig sein. Man stelle sich vor: jemand will seine Hausfassade neu streichen lassen und kennt einen Malerbetrieb, mit dem er gute Erfahrungen gemacht hat. Ein Anruf genügt – schon hat er den Auftrag. Anders sieht es aus, wenn man nicht das eigene Geld ausgibt, sondern das des Steuerzahlers. Dann wird’s unbequem: Vergleichsangebote müssen eingeholt werden, bei Großaufträgen braucht es gar eine EU-weite Ausschreibung.

Genau so ein Fall ist die Neue Mitte in Remseck. Für 20 Millionen Euro soll im Herzen der Stadt ein neues Rathaus nebst Stadthalle und Bibliothek entstehen – so die Ursprungsidee. Der Alt-Oberbürgermeister Karl-Heinz Schlumberger brachte das Projekt auf den Weg. Das junge Büro o5-Architekten erhielt den Auftrag. Eine hochkarätig besetzte Jury lobte deren spritzige städtebauliche Ideen.

Doch dann kam, mit dem Machtwechsel im Rathaus, ein Kurswechsel. Der neue Oberbürgermeister Dirk Schönberger machte das Projekt zum Solo für den Rathauschef. Kündigung der o5-Architekten? Ohne den Gemeinderat! Und dann: die Vergabe der Weiterplanung an das Ludwigsburger Büro HHL – auch ohne den Gemeinderat. Nachdem ein Gremium aus Stadträten und Verwaltung HHL für die besten befunden hatte, erteilte ihnen der OB den Auftrag per Eilentscheidung. Der Gemeinderat stimmte hinterher zu. Was blieb ihm auch anderes übrig?

Das Sonderrecht der Eilentscheidung

Dabei ist dieses Vorgehen rechtlich durchaus heikel. Schönberger wählte eine Eilentscheidung, weil er wusste oder zumindest ahnte, dass das zweitplatzierte Büro beim Vergabeverfahren die Entscheidung zu Gunsten von HHL anfechten wollte. So etwas ist zwar, wie erwähnt, unbequem. Eilentscheidungen sind jedoch ein Sonderrecht von Rathauschefs, dem aber enge Grenzen gesetzt sind.

Ein klassisches Beispiel ist der Katastrophenfall: Es gibt Hochwasser, und die Handwerker müssen schnell beauftragt werden, städtische Gebäude zu renovieren. Weniger dramatisch, aber auch legitim wäre der Fall eines Rohrbruchs im Rathaus. Generell sind Eilentscheidungen dazu da, „Schaden von der Gemeinde abzuwenden“, heißt es in der Gemeindeordnung.

Aber sie sind nicht dazu da, rechtsstaatliche Verfahren abzukürzen oder gar zu verhindern. Nun ist die Anfechtung einer Vergabe ein elementarer Bestandteil des EU-weit geltenden Wettbewerbsrechts. Solche Prüfanträge gehören zum Alltag von Verwaltungen. Sie sind lästig, aber notwendig. Darf ein OB also einfach eine Überprüfung verhindern, einzig um den drohenden Schaden namens Zeitverlust von der Stadt abzuwenden? Sticht die Gemeindeordnung das EU-weite Vergaberecht?

Wahrscheinlich nicht. Doch das Problem wird sein: es muss sich erst ein Kläger finden, der dagegen vor Gericht zieht. Das zweitplatzierte Architektenbüro dürfte kein Interesse an einem teuren, langwierigen Rechtsstreit haben. Ansonsten ist lediglich der Gemeinderat als Ganzes klagebefugt – doch dort hält sich die Kritik, außer bei SPD und Grünen, in Grenzen.

Verhandlung bei der Vergabekammer

Die Zweitplatzierten haben zwar nicht geklagt, aber eine Beschwerde eingereicht – was Schönberger befürchtet hatte. Ende Mai ist bei der Vergabekammer, angesiedelt beim Regierungspräsidium Karlsruhe, eine mündliche Verhandlung dazu geplant. Anfang Juni soll eine Entscheidung fallen. Wenn die Beschwerdeführer clever sind, können sie dort beantragen, dass die Vergabe als rechtswidrig eingestuft wird.

Schon zuvor war der OB mit seinem Kurs in Turbulenzen geraten. Er kündigte den o5-Architekten – angeblich wegen eines enormen Kostenanstiegs, wie Schönberger der Presse sagte. Allein: in der schriftlichen Kündigung war nur die Rede von der großen Entfernung des Büros von o5 in Frankfurt – eine Tatsache, die vor Gericht wohl angreifbar ist, weil sie bereits vor der Vergabe bekannt war.

Es folgte ein leichtes Grummeln im Gemeinderat – und eine Klage von o5, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Das Landgericht Stuttgart hat lediglich festgestellt, dass die Klage nicht eilbedürftig ist, weil o5 sein Honorar auch dann bekommt, wenn das Büro nicht mehr für die Stadt planen darf. Seitdem gibt sich der Rathauschef siegessicher: Maximal rund 50 000 Euro müsse die Stadt noch bezahlen, wurde jüngst dem Gemeinderat mitgeteilt. Vor Gericht war von weit höheren Summen die Rede. Ob die Klage tatsächlich „praktisch chancenlos“ ist, wie die Stadt dem Gemeinderat mitteilte, wird sich weisen.