Das nächste Verhängnis naht am Horizont in Gestalt eines Sturms: Robert Redford als einsamer Segler in Nöten in "All Is Lost". Foto: Verleih

Der alte Mann und das Meer: Robert Redford brilliert in dem Abenteuer/Drama „All Is Lost“ als einsamer Segler im Kampf gegen die Elemente und die Globalisierung.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "All Is Lost"

Stuttgart - Jeder Handgriff sitzt. Konzentriert schleppt der einsame Segler lebenswichtige Dinge zum Trocknen an Deck seiner Yacht, pumpt im Schweiße seines Angesichts Wasser aus dem Rumpf, flickt das Leck knapp oberhalb des Meeresspiegels, das ein im Wasser treibender Fracht-Container geschlagen hat – ein Container aus China voller Plastikturnschuhe, die nun zuhauf im indischen Ozean treiben. Für den Mann geht es ums nackte Überleben, sein Funkgerät ist nass geworden und ausgefallen, und als er sich am Mast aufseilt, um die Antenne zu prüfen, sieht er das nächste Verhängnis nahen: die pechschwarzen Wolken eines mächtigen Orkans.

In langen Echtzeit-Sequenzen lässt Regisseur J. C. Chandor die Zuschauer teilhaben an diesem Kampf gegen die Zeit und die Elemente, den sein Hauptdarsteller Robert Redford präzise und konsequent ausficht: Außer kurzen Äußerungen der Fassungslosigkeit kommt er ohne Sprache aus, und er fordert sich körperlich bis an den Anschlag, verausgabt sich, als wäre er tatsächlich in dieser fatalen Situation – die einen 76-Jährigen, so gut trainiert er auch sein mag, an seine Grenzen bringen muss.

Es ist ein derart beeindruckender Auftritt Redfords, dass die Frage, wie er zwischendurch immer wieder doch noch an ein  trockenes Hemd kommt, völlig in den Hintergrund rückt. Man muss vom Segeln nichts verstehen, um zu begreifen, was der Namenlose tut und warum – und dass er Dinge in genau der Reihenfolge abarbeitet, die die Krise erfordert. Der alte Mann und das Meer – Hemingways berühmter Buchtitel bekommt hier eine völlig neue Ausformung.

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Chandor und Redford gelingt es, durchgehend die Spannung zu halten in ihrem unkonventionellen Experiment, das auch einige spektakuläre Momente bereithält. Zum Beispiel, wenn das Boot zum Spielball des Sturms wird und durchkentert, wenn der im verschlossenen Inneren gefangene Mann um Halt ringt und alle losen Gegenstände zu Geschossen werden.

In „Margin Call“ hat J. C. Chandor Astrophysiker und Architekten vorgeführt, die lieber als Broker für fürstliche Saläre im globalen Kasino zocken, als ihre Talente nutzbringend für die Menschheit einzusetzen; nun zeigt er einen Mann auf dem weiten Meer, auf dem sonst niemand mehr unterwegs ist außer gigantischen Frachtkähnen, die Konsumgüter aus ostasiatischen Billiglohnländern in den Westen transportieren.

Dass der einsame Segler in Zeiten permanenter Erreichbarkeit auch noch von aller Kommunikation abgeschnitten ist, verweist darauf, wie fragil die menschliche Technik bleibt – die zugleich sehr erstaunliche Dinge hervorbringt wie klein gefaltete Pakete, die sich beim Wurf aufs Meer in stattliche Rettungsinseln verwandeln.

Der Einzelne, verloren, verweht, weggespült im globalen Strom der Gegenwart – ein großes Bild, verkörpert von einem großen Darsteller, der sich Hoffnungen auf einen Oscar machen darf.

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