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Die Bahn erwägt ein Alkoholverbot - nur weiß sie noch nicht, wie sie es kontrollieren sollte.

Stuttgart - In neun von 21 Verkehrsverbünden in Baden-Württemberg ist Alkohol in Bussen und Zügen bereits verboten. Auch die Deutsche Bahn erwägt ein Verbot - nur weiß sie noch nicht, wie sie es kontrollieren sollte.

Die vermeintlich größte Sünde hat die Bahn ihren Fahrgästen bereits ausgetrieben. Seit 2007 gilt in allen Zügen: Rauchen verboten. Probleme hat es mit dem Verbot bisher kaum gegeben. Einhaltung und Überwachung funktionieren besser, als man es sich zunächst erwartet hatte.

"Dazu ist mir die Polizei zu schade"

Nachdem die stinkenden Qualmer erfolgreich verbannt sind, nimmt das Unternehmen nun auch die pöbelnden und lärmenden Trinker ins Visier. Man stehe einem Alkoholverbot im Nahverkehr - aber nur da, nicht im IC und ICE - weiter offen gegenüber, heißt es bei der Bahn. Zwar gebe es mit Betrunkenen im Bahnalltag wenig Probleme. Bei Massenveranstaltungen wie Fußballspielen und Volksfesten sehe es jedoch anders aus. Hier sei ein zunehmender Konsum mit all seinen negativen Begleiterscheinungen vor allem bei Jugendlichen nicht mehr von der Hand zu weisen. Das Wort Problemzüge macht die Runde.

Dazu im Widerspruch steht allerdings die Statistik der zuständigen Bundespolizei: Sie verzeichnete zwischen 2006 und 2009 in baden-württembergischen S-Bahnen und Nahverkehrszügen einen Rückgang der Aggressionsdelikte von 459 auf 305. Auch die Zahl der Sachbeschädigungen war rückläufig. Zahlen zum reinen Konsumverhalten gibt es keine - noch ist das Trinken von Bier und Schnaps im Zug ja nicht verboten.

Geht es nach den Innenministern der Länder, soll sich das aber schnellstmöglich ändern. Auf ihrer letzten Konferenz im Mai verständigten sie sich darauf, allen Verkehrsunternehmen (also auch dem größten - der Deutschen Bahn) im Nahverkehr eine "konsequente unternehmerische Durchsetzung des Alkoholverbots" zu empfehlen. Politisch verordnen können sie es nicht - das Hausrecht liegt bei den Unternehmen. Die Bahn macht jedoch klar, dass sie ein solches Verbot alleine nicht wird kontrollieren können. Dazu müsste mehr Personal bereitgestellt werden - öffentliches Personal wohlgemerkt, bezahlt von Bund und Ländern. "Dazu ist mir die Polizei zu schade", hält Hagen Kluck, innenpolitischer Sprecher der Landtags-FDP, dagegen.

Alkoholverbot durch die Hintertür

Metronom, das in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg jeden Tag etwa 80.000 Fahrgäste befördert, hat im vergangenen November als erstes privates Bahnunternehmen in Deutschland Trinkgelage in seinen Zügen unterbunden. "Die Erfahrungen sind überwiegend positiv", sagt eine Sprecherin des Konzerns aus Uelzen. Sie verweist auf die rückläufige Zahl von Gewalt- und Vandalismusdelikten. Die meisten Fahrgäste würden das Verbot begrüßen - und diejenigen, die trinken wollten, sich fügen. Trotzdem stellt der Konzern immer noch jeden Monat rund 400 Trink-Bußgelder über 40 Euro aus, mit allerdings rückläufiger Tendenz. Einer aktuellen Umfrage zufolge teilen die meisten der 380 Verkehrsunternehmen in Deutschland, die bereits ein komplettes oder Teilweise-Trinkverbot in ihren Abteils eingeführt haben, die Erfahrung von Metronom. Insgesamt wurden rund 700 Verkehrsunternehmen befragt. Darunter waren viele kleine, weswegen sich ein Vergleich mit dem überregionalen Nahverkehr nur bedingt anbietet. Zahlreiche Verbände und Bahngewerkschaften warnen denn auch davor, das Modell, das auf der Kurzstrecke funktionieren mag, auf Länderverbindungen auszuweiten.

Alkoholverbot durch die Hintertür

"Der Arbeiter, der im Feierabend-Regionalexpress eine Dose Bier trinkt, ist nicht das Problem", meint Stefan Buhl, Landesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. Wenn schon ein Verbot, dann müsste es auch genügend kontrolliert werden - was der Fahrgastverband bei dem vorhandenen Personal stark bezweifelt. Eine weiterer Appell von Pro Bahn weist gleich aufs nächste Problem hin: Volltrunkene sollen demnach draußen bleiben. Nur: Was sollen sie dann machen? Sich ins Auto setzen? Und was heißt überhaupt volltrunken? Was ist mit den Fußballfans - kommen sie nur noch in Sonderzüge?

"Sie sehen, in der Debatte gibt es kein Schwarz und Weiß", ergänzt ein Bahnsprecher aus Baden-Württemberg, der Alkoholmissbrauch gern als "gesamtgesellschaftliches Problem" begreifen will. Lösungen müssten daher gemeinsam mit den Auftraggebern des Nahverkehrs, den Ländern, gefunden werden. Vielleicht kommt das Alkoholverbot auf diese Weise dann durch die Hintertür: Das Land hat mehrfach bekräftigt, künftige Ausschreibungen an den Einsatz von Zugbegleitern zu knüpfen. Die könnten das Alkoholverbot dann ja überwachen.