Marion Laging hat mit einem Kollegen und zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern das Programm aufgesetzt. Die Barmer Krankenkasse unterstützt es finanziell. Foto: Ines Rudel

Weil Studierende mehr Alkohol trinken als gleichaltrige Berufstätige hat die Hochschule Esslingen ein Programm zum bewussteren Umgang mit Alkohol entwickelt. Zum Einsatz soll es nun an 30 weiteren Hochschulen in Deutschland kommen.

Esslingen - Trinken und der anschließende Kater gehören für viele zum Studentenleben wie das Mensaessen. Die Hochschule Esslingen hat herausgefunden, dass Studierende im Vergleich zu gleichaltrigen Berufstätigen deutlich mehr Alkohol trinken. Für einen bewussteren Umgang mit Alkohol hat sie daher ein Präventionsprogramm entwickelt und dessen Wirksamkeit festgestellt.

Weil das Projekt, das 2013 startete, so erfolgreich ist, wurde es bereits an fünf weiteren Hochschulen in Baden-Württemberg wie etwa der PH Freiburg oder der Hochschule Furtwangen eingeführt. Nun folgt die bundesweite Ausrollung: Bis zum Ende des Jahres 2020 soll das Präventionsprogramm unter dem Namen Echeckup-Alkohol an 30 Hochschulen in Deutschland implementiert werden. Ein großer Erfolg für die Hochschule Esslingen, die dabei von der Barmer Krankenkasse finanziell unterstützt wird. „Die Kassen haben laut Gesetz den Auftrag, sich für die Gesunderhaltung der Menschen einzusetzen, da passt ein Alkohol-Präventionsprogramm für angehende Führungskräfte gut rein“, sagt eine Sprecherin der Barmer Krankenkasse.

Online-Test plus studierende Berater

Wie es überhaupt zu dem Projekt kam und wie genau der Online-Test hinter dem Programm funktioniert, das weiß die federführende Professorin und Prorektorin Marion Laging. Sie ist Expertin für Suchtprävention und Suchthilfe. „Während einer meiner Vorlesungen zur Suchtprävention hat mich eine Studentin darauf gebracht, an der eigenen Hochschule den Alkoholkonsum der Studenten in den Fokus zu nehmen“, sagt Laging. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Heidenreich, Professor für Psychologie für Soziale Arbeit und Pflege und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Michael Braun und Maja Reuter hat das Team das Programm aufgesetzt. Dazu gehört ein Online-Test, den Studenten in 20 bis 40 Minuten ausfüllen können. Er beinhaltet Fragen nach dem Alkoholkonsum aber auch Informationen über gesundheitliche Folgen, den Abbau des Alkohols im Körper oder Informationen zu vergleichbaren Personen.

„Das ist ein wichtiger Hebel für ein Umdenken. Wenn man Vergleiche zu anderen oder Mehrheiten herstellt, beeinflusst dies das Verhalten stark“, sagt Laging. Und: „Für den Online-Test diente ein bereits in den USA eingesetztes Programm, das wir an die Verhältnisse an deutschen Hochschulen angepasst haben.“ Das betrifft etwa die unterschiedlichen Altersbeschränkungen für Alkohol in den USA und in Deutschland oder die verschiedenen Wohnsituationen der Studenten. „Außerdem hat das Programm in den USA den Ansatz der Abstinenz, wohingegen wir eher ein Bewusstsein schaffen wollen“, sagt Reuter. Braun ergänzt: „Keiner der ein Bier im Monat trinkt, muss gemaßregelt werden.“

Ein weiterer Baustein des Programms sind Studierende, die als Peer-Berater fungieren. Rund 20 Interessierte können sich in Seminaren pro Semester zu Peers ausbilden lassen und dann ihre Kommilitonen direkt am Campus über riskanten Alkoholkonsum informieren. Aktionen, wie etwa der Einsatz von Rauschbrillen, die man in nüchternem Zustand aufsetzt, um den Unterschied zur alkoholisierten Wahrnehmung zu demonstrieren, gehören ebenfalls dazu. Die Peers sammeln dabei Credits, was den Anreiz erhöht.

Weniger Konsum nach dem Test

Von der Wirksamkeit des Programms konnten sich die Wissenschaftler bei mehreren Tests über einen Zeitraum von sechs Monaten ein Bild machen. Studierende nahmen drei und sechs Monate nach der ersten Befragung erneut teil. Die Ergebnisse wurden mit einer Gruppe verglichen, die nicht an dem Programm teilnahm. Das Fazit: Der generelle Alkoholkonsum als auch die Rauschintensität nahmen ab.

Da Studierende wenig empfänglich für klassische Suchtpräventionsprogramme sind, setzen bereits auch andere Hochschulen auf Echeckup. Überhaupt sei das Feld der Gesundheitsförderung für viele Hochschulen Neuland, sagt die Professorin: „Das ist anders als in Betrieben. Auch die Bürokratie unterscheidet sich. Das ist ein Grund, warum es mit der Implementierung an weiteren Hochschulen länger dauert.“ Ein weiterer ist die Anpassung des Tests auf die jeweilige Hochschule. Studierende sollen direkt Adressen und Infos aus ihrem jeweiligen Umfeld bekommen. Nach der Teilnahme ist das persönliche Ergebnis jederzeit einsehbar.