Alina Reh läuft der Konkurrenz gerne davon. Foto: dpa

Bei der Leichtathletik-WM geht erstmals die 5000-Meter-Läuferin Alina Reh an den Start. Die Ulmerin hat einen atemberaubenden Aufstieg hinter sich – doch das Beste soll erst noch kommen.

Stuttgart - Alina Reh ist in letzter Zeit weit rumgekommen. Anfang des Jahres war sie bei den Hallen-Europameisterschaften in Belgrad, es folgten die Team-EM im nordfranzösischen Lille und die U-23-EM im polnischen Bydgoszcz, am Olympiastützpunkt Kienbaum vor den Toren Berlins bezog sie zuletzt ihr Quartier. Dort stimmte sich die 20-Jährige mit ihren Mannschaftskollegen auf die nahenden Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London ein – und sehnte sich nach einer weiteren Luftveränderung: „Ich brauche dringend noch ein bisschen Albluft.“

Ein paar Tage der Ruhe darf Alina Reh, eine von 17 WM-Starterinnen und -Startern aus Baden-Württemberg, in ihrem Heimatort Laichingen auf der Schwäbischen Alb noch genießen. Erst Anfang nächster Woche wird sie in die britische Hauptstadt fliegen – die Vorläufe über 5000 Meter stehen erst am Donnerstag auf dem Programm. Die Aufregung aber nimmt schon jetzt spürbar zu: In London betritt die Langstreckenläuferin nach unzähligen Sportfesten, Stadtläufen und Nachwuchsmeisterschaften erstmals die ganz große Leichtathletik-Bühne.

Schnupperkurs im Londoner Olympiastadion

Alina Reh hat eine nachvollziehbare Herangehensweise gewählt, um nicht noch nervöser zu werden: „Ich kann diese WM genießen und ganz unbekümmert laufen. Denn anders als bisher sind die Erwartungen nicht sehr hoch.“ Mit der Medaillenvergabe wird sie bei einer persönlichen Bestzeit von 15:10,57 Minuten nichts zu tun haben – ein Riesenerfolg wäre es, sollte sie das Finale erreichen. Und dennoch: Nur zum Hinterherlaufen reist Alina Reh nicht nach London. Sonst hätte sie es nicht in so jungen Jahren schon so weit gebracht.

Großes Talent paart sich bei der Abiturientin mit ebenso großem Ehrgeiz. Als Kind begleitet sie ihre Marathon laufende Mutter auf dem Fahrrad und beginnt bald selbst mit dem Laufen: „Wegen meiner vielen Wutanfälle, ich musste mich einfach auspowern.“ Mit zehn gewinnt sie ihr erstes Frauenrennen, mit 15 wird sie deutsche U-18-Vizemeisterin über 3000 Meter, mit 16 U-20-Meisterin über 5000 Meter. Mit 18 folgen die U-20-EM-Titel über beide Distanzen, womit endgültig allen klar wird: Es ist ein ganz außergewöhnliches Langstreckentalent , das da heranwächst.

Ihre Bestzeit verbesserte sie dieses Jahr um 31 Sekunden

In diesem Jahr schließlich die bislang größte Leistungsexplosion: Im April steigert sie in Berlin ihre 5000-Meter-Bestzeit um 25 Sekunden auf 15:16,39 Minuten und schafft überraschend die Norm für London. Bei der U-23-EM in Bydgoszcz ist sie noch einmal sechs Sekunden schneller und gewinnt Silber. „Ich kann es manchmal selbst kaum glauben, wie schnell das ging“, sagt Alina Reh, die seit 2016 für den SSV Ulm startet und von Jürgen Austin-Kerl trainiert wird. „Wir haben im letzten Jahr im Training unheimlich viel verändert. Das hat sich bemerkbar gemacht“, sagt der ehemalige Marathonläufer und sieht noch immer „eine Menge Luft nach oben“.

Jetzt also London, der vorläufige Höhepunkt („Das ist für mich eine Zugabe“). Und vorher noch die Rückkehr auf die Alb, wo sie neben der guten Luft auch die Arbeit genießt. Im Rewe-Markt in Laichingen macht Alina Reh eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, was zwei Vorteile bietet: Erstens hat es ihr „schon immer großen Spaß gemacht, in einem Lebensmittelgeschäft zu stehen“. Und zweitens ist es ihre Mutter, die den Laden betreibt. „Mama ist ein guter Arbeitgeber“, sagt Alina Reh, „sie lässt mir extrem viele Freiheiten.“