Sobald das Wetter gut genug ist, baut Alexander Schmiauke seine Ballone auf. Foto: Gottfried Stoppel

Alexander Schmiauke aus Rosenfeld reist mit seinen selbst gebauten Mini-Ballonen durch die Welt – und stellt damit Rekorde auf.

In rasantem Tempo setzt die Katze zur Landung an. Manchem Knirps ist es nicht ganz geheuer, wie das große und grimmig dreinschauende Tier auf ihn zufliegt. Andere Kinder hingegen quietschen vergnügt. Wer kann die dickste Delle in den Stoff drücken?

 

Die Katze ist ein Heißluftballon im Miniformat und etwa acht Meter hoch. Alexander Schmiauke hat daheim noch viele andere – in den buntesten Farbkombinationen, in unterschiedlichsten Formen und mit vielen Gesichtern. An diesem Kirmes-Wochenende begleiten den 46-Jährigen die Katze und der Ritter auf das Böblinger Flugfeld.

Eigentlich können die Ballone an der Leine und mit Fernsteuerung hochsteigen. Aber dafür ist gerade der Wind zu stark. Also hält Schmiauke den Ballon am Korb fest und zieht ihn per Hand immer wieder Richtung Boden. So geht’s auch. Eine Riesengaudi.

Mitfahren kann in diesem Ballon keiner, nur ein Teddy sitzt manchmal im Korb. Für Menschen ist er zu klein, und der Auftrieb wäre bei dem Gewicht nicht stark genug. Zum Vergleich: Der große Bruder des Modellballons ist oft 25 Meter groß und fährt auch mal in 300 Metern Höhe. Den Kleinen lässt Schmiauke meistens bis zu 30 Meter hoch steigen. „Das ist ungefähr so wie ein zehnstöckiges Hochhaus“, sagt er. Auf der Kirmes bleibt er aber in Bodennähe. Die Kinder dürfen beim Auf- und Abbau mithelfen.

Das ist der Hauptgrund, warum Alexander Schmiauke seit Jahrzehnten mit seinen Mini-Ballonen zugange ist: „Die Kinder haben Spaß daran.“ Die großen Heißluftballone seien immer weit weg, seine Exemplare sind zum Anfassen. Bei den Science Days Ende Oktober im Europapark Rust wird er den Kindern wieder – mit Föhn und einem gelbem Sack – erklären, was heiße Luft kann und wie eine Ballonfahrt funktioniert.

Schmiauke hat die Freude an den Ballonen von seinem Onkel. Der fuhr große Heißluftballone und nahm den Neffen oft mit auf seine Touren durch luftige Höhen. Irgendwann hatte der Onkel mal Stoff übrig, damit fingen Alexander und sein vier Jahre älterer Bruder Andreas dann an, selbst Ballone zu nähen. Der Erste, den sie 1989 vollendeten, stellte sich als Fehlkonstruktion heraus. Die Flamme war viel zu überdimensioniert, nach dem Start brannte alles lichterloh. Das nächste Modell, Baujahr 1993, war dann endlich flugfähig. Heute haben die Schmiauke-Brüder 26 Mini-Ballone zuhause in Rosenfeld am Kleinen Heuberg.

Für seinen neuen Ballon vernäht Schmiauke fünf Kilometer Faden und 160 Quadratmeter Stoff. Foto: Gottfried Stoppel

„Das Schöne ist, dass man die Ballone in der Natur fahren lassen kann“, sagt Alexander Schmiauke. „Es ist einfach ein schönes Spielzeug.“ Jeder Mann bliebe schließlich immer ein Spielkind und spiele auch gern mit dem Feuer – obwohl inzwischen auch viele Frauen dabei seien, wirft er ein.

Mit seiner Begeisterung für die Flugobjekte ist er nämlich nicht allein. Bei Ballon-Festivals hat er über die Jahre viele Gleichgesinnte gefunden – ob im Schwarzwald, auf dem Brocken oder im italienischen Ferrara. Die Gruppe „Modellballooning around the world“ entstand, zu der mittlerweile zehn Miniballonpiloten aus ganz Deutschland und Österreich gehören. Der Jüngste ist 35, der Älteste 78. „Wir sind für jeden Spaß zu haben“, sagt Alexander Schmiauke.

Auch für längere Reisen. Ende der 1990er Jahre bekam sein Bruder Andreas mit, dass ein paar Ballon-Freunde nach Tunesien starten. Einmal einen Ballon in der Sahara steigen lassen – dieses Abenteuer wollten sich die Brüder sich nicht entgehen lassen. „Selbst die Leute vom Militär waren begeistert. Sie ließen uns auf ihrem Pick Up stehen, und so sind wir dann den Ballonen hinterher gefahren.“ Die sahen anschließend zwar ziemlich malträtiert aus, die Wüstenhitze tat dem Material gar nicht gut. Aber das sei es auf jeden Fall wert gewesen.

Auch Mini-Ballone bringen einen um die ganze Welt

Wenn die Piloten den Ballon nicht auf einem Festival wie in Böblingen, sondern in der freien Wildbahn fahren, lassen sie die Leinen los. 30 Meter hoch darf er schweben. Mit einer extra Genehmigung können es auch mal 120 Meter werden. Natürlich hat Alexander Schmiauke so eine.

Den Ballon steuert er über eine Fernbedienung. Damit stößt er Gas in den Ballon. Die Stichflamme erwärmt die Luft, die steigt nach oben und nimmt den Ballon mit. Je nach Höhe trägt die Luftschicht ihn in eine andere Richtung. Welche Höhe den Ballon wohin schiebt, muss er ausprobieren. Und dann geht er dem Ballon hinterher. „So lange es die Kondition erlaubt“, sagt er und lacht.

Auch so kleine Ballone können einen um die ganze Welt bringen. In Schmiaukes Gartenhaus steht ein Korb voller Fotobücher, zwei Dutzend sind es bestimmt. Auf den Bildern grinsen einem die Ballonfreunde in China, Kuwait oder den Philippinen entgegen. Meist stehen Einheimische um sie herum – und die Ballone schweben über ihnen.

Schmiaukes Katze und Ritter beim Kirmestreiben in Böblingen /Foto: Stefanie Schlecht

Bei ihrer jüngsten Japan-Reise schrieb die Gruppe einen Wettbewerb aus: Kinder durften Motive entwerfen, aus dem schönsten machten die Schmiauke-Brüder einen Ballon. So entstand ein schwebender Panda.

Einmal waren sie in Dubai, auf Einladung eines Scheichs. Der ist selber Enthusiast von Großballone. Er versenkte seinen Ballon mitten in den Bergen Österreichs, das Gas war ihm ausgegangen. In der Dunkelheit musste er zurück ins Tal stapfen. Am nächsten Morgen schlüpften Schmiauke und seine Freunde in ihre Schneeschuhe, packten zwei Gasflaschen ein, kraxelten den Berg hinauf und retteten den Ballon. Als Dank lud der Scheich sie ein – und schenkte ihnen eine Fahrt im Heißluftballon. Wie oft sieht man schon Palm Jumeirah, die berühmte Inselgruppe in Palmenform, von der Luft aus? Schmiauke schwärmt noch heute davon.

„Israel war auch wirklich schön“, sagt Alexander Schmiauke. Eigentlich wollte er im vergangenen Jahr noch mal hin. Aber dann kam der Gaza-Krieg. Seine Lehre daraus: Keine Zeit verschwenden. So viel reisen wie nur möglich. „Deutschland kann man auch im Alter noch angucken.“

Schmiaukes Gruppe ist inzwischen so routiniert, dass sie kaum noch was aus der Ruhe bringt. Die Formulare für den Zoll können alle im Schlaf ausfüllen. Auch das Packen ist reine Routine. Für Kleidung und Persönliches ist meist nur im Handgepäck Platz, den Rest des Gepäcks nehmen die Ballone ein. Die sind die Hauptsache.

„Zum Glück gibt es unbezahlten Urlaub“, sagt Schmiauke. Wenn der reguläre verbraucht ist, nimmt er halt den. Er arbeitet als Bautechniker in einer Balinger Firma. Sein Chef hat Verständnis für seine Leidenschaft.

Für den Bau seiner Ballone, hat sich Alexander Schmiauke in seinem Haus eine Werkstatt eingerichtet. Mit einem Computerprogramm modelliert er seine Design-Idee und baut sich einen Schnittplan. Dann druckt er Schablonen für die Stoffbahnen in Originalgröße aus. Nach dem Ausschneiden geht es ans Zusammennähen. Fünf Kilometer Faden und 160 Quadratmeter Stoff braucht er für den neuen Panda-Ballon.

Auch die Technik und den Korb bastelt Schmiauke selbst. Foto: Gottfried Stoppel

Das Nähen macht ihm von allen Arbeitsschritten am meisten Spaß. So schön entspannend. „Man kann doch Sachen brauchen, die man in der Schule mal gelernt hat“, sagt Alexander Schmiauke. Für den Stoff des Pandas hat er 3500 Euro bezahlt. Je nach Gewicht und Qualität variieren die Kosten. „Aber Selbermachen ist immer noch günstiger als kaufen.“ Auch die Körbe flicht Schmiauke selbst. Etwa vier Wochen arbeitet er an einem Ballon – bis zu 350 Stunden.

In seiner Ballon-Karriere ist noch kein Ende in Sicht. Die nächsten Reisen sind schon geplant. Und überhaupt hat er noch viel vor. Erst in diesem Frühjahr stellte er mit anderen Modellballon-Fans im Blühenden Barock einen Weltrekord auf. Mindestens 70 Ballone mussten gleichzeitig über das Areal schweben – am Ende waren es 81. Ob er bald wieder bei einem Weltrekordversuch dabei ist? Er schmunzelt. Dazu sagt er noch nichts.