Packt sein Bündel und geht: der Jes-Schauspieler Alexander Redwitz Foto: Jes (4), Lichtgut/Leif Piechowski

Er war eines der markanten Gesichter am Jungen Ensemble Stuttgart. Jetzt hat der Schauspieler Alexander Redwitz das Gefühl, dass seine Zeit an dem erfolgreichen Kinder- und Jugendtheater vorbei ist. Die Neuerungen will er nicht mehr mitmachen.

Stuttgart - Eigentlich kann man sich die Produktionen des Jungen Ensembles Stuttgart (Jes) gar nicht ohne ihn vorstellen. Wer soll denn all die kantigen Typen spielen, die extremen Jungs, die komischen Kauze und Sonderlinge? Alexander Redwitz hat eine Leidenschaft für extreme Charaktere. Selbst wenn er scheinbar harmlose, durchschnittliche Typen spielte, ließ er durchblicken, dass es keine harmlosen, durchschnittlichen Typen gibt, sondern jeder seine Geheimnisse und Abgründe hat. Das hat die Stücke im Kinder- und Jugendtheater unterm Tagblatt-Turm geprägt. Und jetzt sagt er einfach Adieu. Ende der Saison ist Schluss. Nach zehn gemeinsamen Jahren.

Vielleicht ist Alexander Redwitz auch privat ein kantiger, eigenwilliger Typ. Zumindest ist er anders als andere, die in seinem Alter – er ist jetzt 41 Jahre alt – nach einem Häuschen im Grünen Ausschau halten, der Kinder wegen. Alexander Redwitz, seine Frau und die drei Kinder werden im Sommer dagegen ihr Bündel packen und in einem alten Wohnmobil in die Welt hinausfahren. Der Mietvertrag der Wohnung im Heusteigviertel wäre ohnehin im Sommer ausgelaufen. Die Zwillinge kommen erst im nächsten Jahr in die Schule. Das dritte Kind ist gerade auf die Welt gekommen – und Redwitz geht in Elternzeit. „Es kamen einige Faktoren zusammen“, sagt der Schauspieler, „das nutzen wir, um auf die Reise zu gehen.“ Wohin, wissen sie auch noch nicht so genau. Ostsee, Polen, Baltikum vielleicht. „Norwegen wäre auch schön.“

Alexander Redwitz will nicht „bei Zehntklässlern recherchieren“

Leicht fällt es Redwitz nicht, das spürt man. „Man muss sich abnabeln, das ist schon schmerzhaft“, sagt er und hat doch auch gespürt, dass seine Zeit am Jes zu Ende ist. Das Theater sei ein „Wohlfühlort“, an dem er besonders schätzte, eingebunden zu sein in Entscheidungen. Trotzdem habe sich das Jes in eine Richtung entwickelt, bei der sein „Herz nicht mehr so mitgeht“, wie er sagt. Denn die Intendantin Brigitte Dethier versucht schon seit einiger Zeit, das Theater neu auszurichten und an die aktuelle Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen anzupassen. Veränderungen, die Redwitz kritisch sieht, weil dabei zu stark darauf geachtet werde, was beim Publikum ankommt. Er dagegen will nicht fragen, was die Jugend gerade umtreibt – „ich schrecke davor zurück, bei Zehntklässlern zu recherchieren“, sagt er; er wolle kein Theater machen, das „cool“ ist, wie er es nennt. „Cool ist kein Kriterium für mich.“ Er will Theater, das auch mal anecken darf – und eben auch von Figuren in Außenseiterpositionen erzählt, immer wieder.

Damit hat er sich vielleicht selbst ein wenig zum Außenseiter im Ensemble gemacht. Man ahnt, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen ist, ein Haus zu verlassen, das für ihn eindeutig „das beste Haus in Baden-Württemberg ist“. Deshalb will Redwitz jetzt erst einmal „Abstand nehmen vom Beruf und sehen, wie sehr er einem fehlt“. Ein Jahr hat er Zeit, ein Jahr, in dem sich die Familie mit einer kleinen Erbschaft finanzieren wird. Danach wartet auf die Kinder ein Platz in der Freien Waldorfschule am Kräherwald. Redwitz hat schon wieder Sorgenfalten auf der Stirn, als sei er sich gar nicht so sicher, ein ganzes langes Jahr ohne Theater durchhalten zu können. Er hofft herauszufinden, wie es weitergehen soll, ob er nach seiner Rückkehr doch wieder bei einem Theater anklopft oder sich neu orientiert. „Manchmal würde ich gern etwas anderes können“, sagt er ernst, „etwas Richtiges. Schauspielen ist doch ein wenig eine Hochstaplerkunst.“