Übernahm vergangenen Juni den Aufsichtsratsvorsitz von Christian Dinkelacker: Alexander Lehmann, der seit 2010 dem Kontrollgremium der Stuttgarter Kickers angehört. Foto: Stuttgarter Kickers/Markus Schwarz

Alexander Lehmann ist erfahren, gradlinig und verfügt über vielschichtige Kontakte. Dennoch ist der neue Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter Kickers eher ein Mann der leisen Töne. Eine Annäherung.

Stuttgart - Alexander Lehmann kommt forschen Schrittes zum Termin in den großen Besprechungsraum in seinem Unternehmen in Echterdingen. Der Aufsichtsrats-Vorsitzende des Fußball-Oberligisten Stuttgarter Kickers macht einen drahtigen, agilen, sportlichen Eindruck. Wie er sich fit hält? Zweimal in der Woche geht er joggen, dazu fährt er Rad. Seine größte Tour in diesem Jahr führte ihn zu seinem Verein. Mit dem E-Bike ging’s im September zum Auswärtsspiel der Blauen nach Villingen. Nach dem 1:1 radelte er weiter an den Bodensee, wo ihn die Familie in Empfang nahm.

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Familie, Firma, Kickers – diese drei Dinge bestimmen das Leben des 51-Jährigen. Wobei er die Kickers auch als Familie betrachtet: „Bei den Blauen hält man zusammen“, sagt er – und schiebt im Brustton der Überzeugung hinterher: „Gerade in nicht ganz so guten Zeiten.“ In Corona-Zeiten. In der fünften Liga. Und genau in dieser Phase hat der Geschäftsführer der Minol Messtechnik GmbH & Co. KG (4000 Mitarbeiter weltweit) den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Nach dem Rücktritt von Christian Dinkelacker im vergangenen Juni rückte er als Stellvertreter auf. „Die Kickers sind für mich eine Herzensangelegenheit, und ich scheue mich nicht, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Lehmann und streicht sein Herz für die Kleinen heraus: „Für den FC Bayern kann doch jeder sein.“

Seit 2010 im Aufsichtsrat

Schon mit seinem Vater besuchte er die Spiele auf der Waldau. Lehmann ging auf die Merzschule, der den Kickers stets eng verbundene Rektor Volker Merz war für ihn so etwas wie ein Mentor. 2004 holte ihn der damalige Präsident Hans Kullen als Sponsor zu den Kickers, seit 2010 sitzt er im Aufsichtsrat.

Und langjährige Wegbegleiter sind sich einig: Lehmann sorgt für wertvolle Impulse beim Traditionsclub. Warum? Weil er nicht als Haudrauf oder Pseudo-Diplomat auftritt, sondern weil er die Dinge differenziert betrachtet, gradlinig ist – und vor allem über glänzende Kontakte verfügt. Ganz nach dem Motto: Der Mann kennt Gott und die Welt. Nicht nur in der Führungsetage bei Top-Unternehmen wie Porsche, sondern auch in der mittelständischen Wirtschaft oder bei Kleinbetrieben. Konfrontiert man den smarten Geschäftsmann damit, huscht ein Lächeln über sein Gesicht, er sagt aber nur so viel dazu: „Ich bin in Stuttgart geboren, in Stuttgart aufgewachsen, ich bin Stuttgarter durch und durch.“

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Große Reden zu schwingen sind nicht sein Ding. Der Netzwerker zieht viel lieber im Hintergrund die Fäden. Bei der digital abgehaltenen Hauptversammlung am kommenden Montag (19 Uhr) wird auch er ein paar Worte an die Mitglieder richten. Es wird zumindest ein leicht positives Jahresergebnis für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2020 verkündet werden – trotz des Saisonabbruchs im vergangenen März. Dass ein Defizit verhindert werden konnte, liegt an Spenden, gekauften Retterpaketen und Zuschüssen der Stadt sowie am Kurzarbeitergeld und an den weggefallenen Prämien. „Wir haben sehr viele tolle Unterstützer, darunter auch zahlreiche Kleinere, die uns die Treue halten“, freut sich Lehmann über den Zusammenhalt. Ganz entscheidend: Auf die Großen ist weiterhin Verlass. Der Vereinbarung mit Porsche läuft bis 2022, und bezüglich einer Verlängerung des bis 2021 datierten Vertrags mit Trikotsponsor MHP befindet man sich in aussichtsreichen Gesprächen.

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Das ist keine Selbstverständlichkeit für einen Oberligisten. Wie lange das alles noch in dieser Spielklasse gut geht? „Die Kickers wird es auch in der kommenden Saison geben – egal in welcher Liga“, stellt Lehmann klar. Alle weiteren Planspiele kommen in diesen Zeiten dem Blick in die Glaskugel gleich. Auch die Frage, ob er den bis 2021 gewählten Präsidenten Rainer Lorz vielleicht mal ablösen könnte? Lehmann hebt abwehrend die Hände. „Rainer Lorz ist ein Glücksfall für die Kickers, ich hoffe, er macht noch lange weiter.“ Er selbst habe genug zu tun. Mit der Firma und seinen zwei Familien – den Kickers und seiner eigenen. Er ist Vater von sieben Kindern.