Alesia Graf (li.) ist von der Brasilianerin Rosillette Dos Santos nicht zu stoppen. Foto: baumann

Die Stuttgarterin Alesia Graf will an diesem Freitag die Königin des australischen Frauenboxens entthronen.

Stuttgart/Melbourne - Der Wecker von Alesia Graf klingelt früh. Kurz vor 6 Uhr schrillt es neben ihrem Bett. Wie ein Roboter erhebt sich die Profiboxerin dann, zieht sich die Laufschuhe an, schließt die Haustüre und geht eine Stunde laufen. „Training“, sagt sie und macht dabei eine Pause, „geht über alles.“ Und genau das sieht man der 31 Jahre alten Boxerin auch an.

Ihr Körper ist das Resultat eisernen Trainings – mit bis zu drei Einheiten am Tag – und asketischer Lebensweise. Den körpereigenen Fettanteil hat Graf auf ein Minimum heruntergefahren. Mehr als zehn Prozent sind es nicht. Gemeinsam mit ihrem australischen Coach Lee Murray tut Alesia Graf alles für ihren Traum, den sie in Deutschland nicht mehr weiterleben konnte, weil ihr die Unterstützung durch einen Boxstall fehlte.

Rückblick: 2009 ließ Universum die zweimalige Weltmeisterin fallen. Für die gebürtige Weißrussin ein Schlag unter die Gürtellinie. An lukrative Kämpfe in Deutschland war nämlich ohne Promoter nicht mehr zu denken. Im Herbst 2010 ging sie dann nach Mexiko. Doch gegen Lokalmatadorin Ana Maria Torres verlor die Deutsche den WM-Kampf im WBC-Superfliegengewicht. Die Enttäuschung war groß. So groß, dass Graf glaubte, nur durch die Auswanderung nach Australien sich rehabilitieren zu können. „Das war eine harte Zeit“, sagt sie heute, fügt aber im selben Atemzug an: „Das ist Vergangenheit.“

Die Regina Halmich Australiens

Grafs Blick gilt nur noch der Zukunft. Die Boxerin mit dem Kampfnamen Tigerin will sich in Australien durchbeißen. Und es sieht danach aus, dass sie es schafft. Nach zwei siegreichen Kämpfen in ihrer neuen Heimatstadt Wollongong peilt die amtierende WBU- und WBF-Weltmeisterin nun ein großes Ziel an: Sie will einen WM-Kampf um den in der Boxszene vielbeachteten WBC-Titel im Bantamgewicht (bis 53,525 Kilogramm). Allerdings müsste Alesia Graf dafür an diesem Freitag in Melbourne im Ausscheidungskampf Susie Q Ramadan schlagen. Aber die ist in Down Under nicht irgendwer. Ramadan ist auf dem fünften Kontinent quasi die Regina Halmich des Frauenboxens. Eine Ikone. Eine Boxkönigin. „Sie war die erste Boxweltmeisterin in Australien, hat bisher 21 ihrer 22 Kämpfe gewonnen“, erklärt Graf.

Trotzdem ist die ehemalige Stuttgarterin für die Boxnacht im Flemington Pavilion optimistisch. „Nach meinem letzten Kampf im Dezember habe ich nur eine Woche Urlaub gemacht und bin danach drei Wochen in die Berge zum Fitnesstraining gegangen. Auch das Sparring war perfekt. Ich fühle mich richtig gut und war in meiner Karriere nie fitter“, sagt sie. Und Grafs Managerin Anja Gantner bestätigt: „Ich glaube, Alesia wird ihre Chance nutzen, um Australien zu zeigen, dass in ihr ein wahrer Champion steckt.“ Die Zuversicht hat aber noch einen anderen Grund: Susie Q Ramadan hat zuletzt geschwächelt. Im Oktober 2011 verlor sie in Mexiko ihre Titel der WBF und IBF.

Am großen Interesse an der Auseinandersetzung der Amazonen ändert das freilich nichts. Graf ist inzwischen eine Hausnummer in Australien – und das merkt man. Sogar das Fernsehen ist bei ihrem dritten Auftritt in einem australischen Ring dabei. Der Sportsender Fox Sports überträgt live. Und das freut besonders Alesia Graf. „Schließlich bin ich auch nach Australien gegangen, um hier dem Frauenboxen zu mehr Popularität zu verhelfen“, verrät sie und lächelt dabei. Denn umso populärer das Frauenboxen zwischen Perth und Sydney, zwischen Darwin und Melbourne ist, umso mehr profitiert auch die deutsche Faustkämpferin davon. Die 1,70 m große Modellathletin promotet nämlich ihre eigenen Kämpfe. Auch das ist ein Ergebnis ihrer Erfahrungen in Deutschland.

Dennoch will Graf eine Rückkehr nach Stuttgart nicht ausschließen. „Ich plane, irgendwann zurückkommen und mein eigenes Box-Event auf die Beine zu stellen“, sagt sie. Das sei aber „Zukunftsmusik“. Zunächst gilt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kampf gegen Susie Q Ramadan. Denn das frühe Aufstehen in der Vorbereitung soll sich für Alesia Graf auch gelohnt haben.