Albie Donnelly mit seiner Band auf der Bühne des Laboratoriums. Foto: Lichtgut/Michael Latz

Mit angloamerikanischer roots music und viel englischem Humor bespielen Albie Donnelly’s Supercharge das Stuttgarter Laboratorium – und zeigen, dass es nicht immer die ganz große Bühne braucht.

Stuttgart - Seine Modernisierung im vergangenen Jahr hat das Stuttgarter Laboratorium bekanntlich ohne nennenswerte atmosphärische Verluste verkraftet. Das typisch nahbare „Lab“-Flair ermöglicht noch immer manch überraschende Begegnung zwischen Besuchern und Künstlern, die einander in hübsch familiärer Stimmung ungeahnt nahe kommen können.

Gänzlich ungeplant – der Zufall führt Regie in Form einer letzten Zigarette vor Konzertbeginn – ergibt sich am Samstagabend prompt eine kleine Plauderei mit Albie Donnelly, und der Chef der englischen Rhythm & Blues-Band Supercharge erweist sich als kurzweiliger Gesprächspartner. So flott wie wenig später die Rhythmen in Donnellys Musik wechseln die Themen, von steifem Smalltalk keine Spur. Zwei Pässe habe er seit kurzem, erzählt der in Liverpool geborene Sänger, Saxophonist und Entertainer; neben der englischen besitze er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Doch weder das eine noch das andere Dokument werde ihn je zum Nationalisten machen, erklärt Donnelly.

Und der Brexit? „Der größte Unfug, auch wenn in der EU natürlich nicht alles rund läuft. Ich frage mich bis heute, wer eigentlich dafür gestimmt hat.“ Von den letzten Konzertreisen, die ihn bis in arabische Gefilde geführt haben, beginnt Donnelly noch zu berichten, aber: it’s showtime – ab auf die Bühne also.

Supercharge auf kleiner Bühne im Laboratorium

Die hat im Laboratorium übrigens das Zeug zum Superlativ. Gerne behauptet ja das Morgenmagazin von ARD und ZDF, die kleinste Bühne der Welt zu bespielen, aber die des Laboratoriums rangiert auf Augenhöhe. Hübsch eng geht es auf den wenigen Quadratmetern zu, insbesondere, wenn ein mehrköpfiges Ensemble wie Supercharge aufspielt. In Septettbesetzung ist die deutsch-englische Band angereist; mit viel angloamerikanischer Traditionsmusik der 1940er- bis 60er-Jahre im Gepäck – und einer ordentlichen Portion britischem Humor.

„Get hip“ heißt etwa das jüngste Album von Supercharge, wobei trendy zu sein wohl so ziemlich das letzte sein dürfte, was Albie Donnelly in diesem Leben noch widerfahren wird. Aber der englische Humor macht bekanntlich nur vor Wenigem Halt, am allerletzten vor sich selbst. So langsam komme er in jenes Alter, in dem Hämorrhoidencreme und Viagra eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen, witzelt der inzwischen 71-Jährige – aber: „true story“, er wisse, wovon er rede.

Munterer Abend in typischer „Lab“-Atmosphäre

Altersmäßig noch überwiegend diesseits des großen Viagra-Grabens unterwegs: die Musiker seiner Band; jeweils ein Organist, ein Posaunist und ein zweiter Saxophonist, dazu Gitarre, Bass und Schlagzeug. Bläserbetont startet das Set, in dem der Chef sich die Hauptrolle entspannt mit seinen Mitstreitern teilt. Schmissig swingt man durch Louis Jordans „Choo Choo Ch’Boogie“ von 1946, Funk und Soul klingt in „Gangster of Love“ an, das Johnny Guitar Watson 1978 komponierte.

Vor allem Jürgen Wieching lässt sein kapitales Bariton-Saxophon da so kernig tröten wie das Nebelhorn eines Frachters im Liverpooler Hafen und liefert sich mit Donnellys Tenorsax manch hübsches Duell, in das gerne auch mal Posaunist Thorsten Heitzmann eingreift. Doch fließend konfiguriert sich dieses Septett immer wieder zum Quartett um. Organist Sascha Kühn und Gitarrist/ Sänger Roy Harrington übernehmen dann die Regie, die Tonart wechselt vom bläsergetriebenen Rhythm & Blues hin zum klassischen Rock ‚n’ Roll der Gründerjahre und es gibt reichlich Platz für Soli.

Uwe Petersen lässt die Drumsticks über sein Schlagzeugset wirbeln, Wolfgang Diekmann bespielt seinen Bass mit massivem Daumeneinsatz. Nach rund zweieinhalb Stunden: viel Applaus für einen munteren Abend in typischer „Lab“-Atmosphäre – und für jede Menge handgemachte Musik aus vergangenen Zeiten, die sich vital und nostalgisch zugleich präsentierte