Schwimmen macht Spaß, will aber gelernt sein. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Nach dem Tod eines Flüchtlingsjungen im Freibad stellt sich erneut die Frage nach Schwimmunterricht. Doch der Bildungsplan scheitert auch am Bäderengpass.

Stuttgart - Die Wogen schlagen hoch nach dem Tod eines 13-jährigen Flüchtlingsjungen im Botnanger Freibad: Hätte der Badeunfall am Montag verhindert werden können, wenn der Bub schwimmen gelernt hätte? Gibt es ein Fremdverschulden? Die Ermittlungen der Kriminalpolizei sind noch im Gange, doch für die Staatsanwaltschaft ist der Trend bereits erkennbar: „Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Aufsichtspflicht verletzt wurde“, sagt Staatsanwalts-Sprecher Jan Holzner.

Daher werde es voraussichtlich keine weiteren Ermittlungen zur Todesursache geben. Mit anderen Worten: Die Staatsanwaltschaft wird keine Obduktion anordnen. Demnach bleibt offen, ob der Tod durch Ertrinken oder durch gesundheitliche Probleme eintrat. Der Bub hatte laut Zeugen als Nichtschwimmer am Beckenrand Tauchspiele gemacht, war dabei offenbar bewusstlos geworden und im zwei Meter tiefen Becken untergegangen. Der Junge wurde zwar noch reanimiert, starb aber vier Tage später in einem Krankenhaus.

Zwei Schwimmkurse für Flüchtlinge laufen

An dem Fall entzündet sich die Frage, wie der Schwimmunterricht für Flüchtlinge in Stuttgart geregelt ist. „Derzeit laufen in unseren Bädern zwei Schwimmkurse für Flüchtlinge – Kinder und Jugendliche“, sagt Anita Grube, die kommissarische Geschäftsführerin der Bäderbetriebe. Diese würden von der Arbeitsgemeinschaft Schwimmsport treibender Vereine in Kooperation mit dem Sportamt organisiert. Ein weiterer Kurs werde vom Turnerbund Cannstatt organisiert, die Bäderbetriebe seien Kooperationspartner. An den Kursen nehmen jeweils zwischen acht und 15 Flüchtlingskinder teil.

Offenbar gibt es auch Angebote von Ehrenamtlichen. Diese würde man zwar intensiv bei der Suche nach freien Belegungsmöglichkeiten in den Bädern unterstützen. „Dies gestaltet sich aber schwierig, da die vorhandenen Wasserflächen begrenzt sind“, sagt Anita Grube.

Mehrere Bäder müssen saniert werden

Grund dafür seien auch Sanierungen. So sei das Hallenbad Sonnenberg noch bis Mitte September außer Betrieb. Dort hatte im Juli 2015 ein Brandstifter zugeschlagen. Im Hallenbad Feuerbach beginnt am 28. Juli eine Generalsanierung – das Bad ist zwei Jahre geschlossen. Und das Hallenbad Plieningen ist wegen einer Deckensanierung vom kommenden Montag bis zum 19. September geschlossen. Im Hallenbad Untertürkheim steht von Januar 2017 an eine Sanierung der Abwasserleitung an. Dauer: sechs Monate.

Die Einschränkungen wirken sich auf die Angebote an Schwimmkursen aus. „Diese sind immer sehr gut nachgefragt und schnell ausgebucht“, sagt Grube. Auch an vielen Schulen ist Schwimmunterricht Mangelware. An zehn der 72 Grundschulen fällt er komplett aus. Grund sind laut der Stadt neben den Sanierungen auch weite Wegzeiten oder fehlende Sportlehrkräfte. An vielen Schulen haben die Kinder nur ein Jahr lang Schwimmunterricht. Einer Untersuchung des Staatlichen Schulamts von 2013 zufolge kann jedes fünfte Kind auch nach dem Ende der vierten Klasse immer noch nicht schwimmen.

Kooperation mit Grundschulen

Daher plant der Schwimmverband Württemberg in Kooperation mit der Sportkreisjugend unterstützende Maßnahmen für die Stuttgarter Grundschulen. Das Ziel: als erstes erhalten die Nichtschwimmer der zweiten Klassen Schwimmunterricht, von der dritten Klasse an soll ein homogener Unterricht stattfinden. Im Frühjahr hat der Schwimmverband in Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt bei interessierten Schulen eine Bedarfsanalyse begonnen. Dieser sollen eine Mittelakquise sowie eine Aufstockung des Übungsleiterpools folgen. Geklärt werden muss noch, wie man ausreichende Belegungszeiten der Bäder erreicht.

Einige Schwimmvereine bieten Grundschulen auch Schwimmunterricht im Rahmen der Ganztagsbetreuung an – und zwar im Auftrag des jeweiligen Trägers der Jugendhilfe. Derzeit laufen solche Angebote an der Eichendorff- und der Falkertschule. Weitere Angebote gibt es im Rahmen der außerschulischen Bildung und Betreuung, so beispielsweise an der Ameisenbergschule und am Dillmann-Gymnasium.

Aus Sicht des Schulverwaltungsamts sieht die Versorgung der Schulen gar nicht so schlecht aus – im Prinzip: „Wenn alle Bäder zur Verfügung stehen, sind die Schulen eigentlich versorgt“, sagt die Leiterin des Schulverwaltungsamts, Karin Korn, auf Anfrage. „Die Sanierungen jedoch führen immer wieder zwangsläufig zu vorübergehenden Einschränkungen beim Schwimmunterricht.“ Doch seien diese eben notwendig, wenn die Bäder in einem vernünftigen Zustand erhalten werden sollen.