Die Sperrstunde im Land scheint generell akzeptiert zu sein. Foto: dpa/Annette Riedl

In keinem Bundesland ist die Regelung so streng wie in Baden-Württemberg. Dennoch wird sie auch in Ludwigsburg eher befürwortet. Ein Szenario wie in Villingen-Schwenningen, wo Kneipen jetzt früher schließen müssen, zeichnet sich nicht ab.

Lautstärke in Innenstädten – zwischen Gastronomen und Anwohnern führt das immer wieder zu Spannungen. Das zeigt sich am jüngsten Beispiel Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis), wo sich Anlieger im Rathaus über zu viel Lärm beschwert hatten. Die Folge: Der Gemeinderat beschloss Anfang Februar, die Sperrzeit für einen bestimmten Straßenzug ab März zu verlängern. Sprich: Die Betriebe dort müssen früher schließen.

Auch in Ludwigsburg war das Thema Lautstärke immer wieder in der Diskussion. Vor allem, was die Außenbewirtschaftung angeht. „Die ist in den Sommermonaten immer ein Thema“, heißt es von der Pressestelle der Stadt. Eine eigens festgelegte Sperrzeitverordnung mit zwei Zonen sorgt seit 2020 für klarere Regeln. Nach einem erfolgreichen Testlauf konnte das Ende der Außenbewirtschaftung am Marktplatz an den Wochenenden gar auf 24 Uhr hinausgeschoben werden, unter der Woche ist sie bis 23  Uhr erlaubt. In der übrigen Innenstadt ist eine Stunde früher Schluss.

Bisher keine Ausnahmen in Ludwigsburg

Und die allgemeine Sperrzeit? Hier übernimmt die Stadt Ludwigsburg die Regelung des Landes: unter der Woche ab 3 Uhr, an den Wochenenden ab 5 Uhr. Änderungen für einzelne Gaststätten könnten zwar beantragt werden, beschlossenen Änderungen existieren aber nicht. „Die Verordnung gilt grundsätzlich ausnahmslos. Änderungen für einzelne Gaststätten behalten wir uns vor“, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Kleinere Hotspots mit Anwohnerbeschwerden gebe es zwar. „Für eine Stadt in der Größe ist dies aber nichts Außergewöhnliches“, heißt es weiter vonseiten des Rathauses.

Eine Diskussion um eine Veränderung der Sperrzeit gibt es nicht – man hat aber auch keine Feiermeile wie in Villingen, für welche die Regelung immer wieder geändert wurde. Betroffen von der früheren Sperrstunde ist dort explizit die Färberstraße. Ein 300 Meter langer Straßenzug der Altstadt mit 21 Restaurants, Imbissen, Cafés und Kneipen, in denen teils Live-Musik gespielt wird. Die Musik selbst sei aber nicht das Problem, erläutert Madlen Falke, Sprecherin der Stadt. „Es ist vor allem der Punkt, dass die Türen immer wieder geöffnet werden.“ Und: Die Polizei stellte in der Färberstraße zwischen 2017 und 2022 im Schnitt jeweils mehr als 150 Straftaten im Jahr fest – im Schnitt 42 davon wegen Ruhestörung. Statt unter der Woche ab 3 Uhr gilt im besagten Abschnitt seit Monatsbeginn die Sperrstunde 1 Uhr. An den Wochenenden statt zwischen 5 bereits um 3 Uhr. Die Stadtverwaltung hatte die Sperrstunde am Wochenende gar auf 2  Uhr festsetzen wollen. Der Gemeinderat stimmte letztlich für einen Kompromiss.

In Ludwigsburg verteilt sich das Angebot im Stadtgebiet. „Man kann da nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. In der übrigen Stadt gilt bei uns auch die normale Landesregelung“, meint die VS-Sprecherin Madlen Falke. Die Studentenkneipe Flint zum Beispiel befindet sich in Ludwigsburg fernab vom Zentrum bei der Friedenskirche. Dass keine Sperrstunden-Veränderung angedacht ist, freut den langjährigen Betreiber Islam Kryeziu. „Die jetzige Regelung entspricht dem Ausgehverhalten der Leute“, sagt er. Sie sei absolut in Ordnung, er sei „happy“ damit. Einzelne Beschwerden von Anwohnern bekommt er zu hören. Gerade, wenn im Sommer manches Schlafzimmerfenster geöffnet ist. Dann müsse er sich rechtfertigen. „Das ist jahreszeitenabhängig.“

In sechs Bundesländern gibt es keine allgemeine Sperrzeit

Im Vergleich mit der Region liegt Ludwigsburg voll im Schnitt. Ob in Stuttgart, Esslingen, Böblingen, Leonberg, Waiblingen – nirgendwo rückt man von der allgemeinen Sperrzeitenregelung des Landes ab. Die einzige Ausnahme in diesen Städten besteht für ein Schnellrestaurant in Leonberg, das von den Grenzen befreit ist. Bei der Außengastronomie gilt meist 22 oder 23 Uhr, teils 24  Uhr. In welchem der Rathäuser dort man auch fragt: Einzelne Beschwerden von Anliegern gibt es – mit Ausnahme von Böblingen – überall. Gerade in der Innenstadt Waiblingens. Dort habe es auch vereinzelt Anfragen von Gastwirten gegeben, die Sperrzeit zu verkürzen. „Aus grundsätzlichen Erwägungen wurde dem nicht entsprochen“, heißt es von der Stadt.

Eine Änderung der allgemeinen Sperrzeit strebt keine der besagten Städte an. Anders waren zeitweise Überlegungen bei der Landesregierung selbst, die davon aber vorerst wieder abgerückt ist. Mit der hiesigen Regelung – unter der Woche 3 Uhr, an Wochenenden 5  Uhr – ist man im Vergleich der Bundesländer ein Exot. Nirgendwo ist sie so streng. Nur Bremen mit einer Sperrzeit von 2 bis 6  Uhr unter der Woche macht eine strengere Vorgabe, dafür gibt es dort am Wochenende gar keine Sperrstunde. Und sonst? In acht Bundesländern gilt nur die umgangssprachlich „Putzstunde“ genannte Sperrzeit von 5 bis 6 Uhr, in zwei davon nur unter der Woche. Und in sechs Bundesländern gibt es überhaupt keine allgemeine Sperrzeit.

Das heißt allerdings nicht automatisch, dass es dort keinerlei Beschränkungen gibt. Die Zügel halten dann, deutlich stärker als in Baden-Württemberg, die Städte und Gemeinden selbst in der Hand.

Die allgemeine Sperrzeit wird erneut geprüft

Prüfung
 Das Innenministerium des Landes prüfte 2020 umfassend eine Aufhebung der allgemeinen Sperrzeitenregelung. Das Ergebnis: Die Rechtslage soll beibehalten werden, „da gewichtige Gründe sowohl gegen eine Aufhebung als auch nur eine weitere Verkürzung oder Verlängerung sprechen“, sagt Ministeriumssprecher Carsten Dehner. Der neue Koalitionsvertrag sieht nun aber erneut eine Prüfung vor. Dehner: „Die werden wir im Lauf der Legislaturperiode angehen.“

Pro
 Der Städtetag hatte Anfang 2020 abgefragt, ob die Regelung aufgehoben werden sollte. Der weit überwiegende Teil der Städte sprach sich dagegen aus – vor allem weil sie von allen Seiten als Richtschnur akzeptiert werde. „Die Abweichungsmöglichkeiten sind ausreichend“, nennt Christiane Conzen vom Städtetag ein Umfrageergebnis. Würde die Regelung abgeschafft, drohe erhebliches Konfliktpotenzial. „Es ist zu befürchten, dass die Festsetzung von Sperrstunden gegenüber dem Betreiber oder die Nichtfestsetzung gegenüber der Wohnbevölkerung in jedem Einzelfall begründet werden müsste.“ Gerichtliche Überprüfungen würden damit herausgefordert.

Contra
 Der Gaststättenlandesverband Dehoga plädiert für ein Ende der Landesregelung. „Sie führt zum zentralisierten Verlassen der Betriebe, was sich auf den Geräuschpegel auswirkt.“ Ausnahmeregelungen seien für Betriebe aufwendig und zeitlich beschränkt.