Hinten arbeitet der Bagger, vorne schauen die Journalisten: Die Zellkühltürme (nicht sichtbar hinter dem Zaun) des Kernkraftwerks Neckarwestheim I werden abgerissen. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Abriss der Zellenkühltürme erstes sichtbares Zeichen für Atomausstieg – EnBW legte 6,6 Milliarden zurück.

Neckarwestheim - Das gewohnte Bild der beiden Reaktorblöcke im ehemaligen Steinbruch wird den Neckarwestheimern und ihren Nachbarn noch eine Weile erhalten bleiben. Bis zum Jahr 2025 wird sich der Rückbau des stillgelegten ersten Blocks aller Voraussicht nach hinziehen. Die ausgedienten Brennstäbe müssen noch Jahre in den Abkühlbecken lagern. Und der 1989 fertiggestellte Zweitblock darf dank der Laufzeitverlängerung der schwarz-gelben Bundesregierung noch bis 2022 am Netz bleiben.

Dennoch gibt es in Neckarwestheim seit dieser Woche erstmals auch ein sichtbares Zeichen für den Atomausstieg in Baden-Württemberg. Mit Bagger und Kran werden die Kühltürme des Ruhestandsreaktors abgerissen. Die fast 190 Meter lange Reihe steht außerhalb des eigentlichen Kraftwerkareals und hat nach EnBW-Angaben keine Verbindung zum nuklearen Kreislauf.

Bis zum Herbst soll die Demontage der 1976 in Betrieb genommenen Kühlturm-reihe aus Sicht des Energieversorgers abgeschlossen sein. Dass die Abrissarbeiten eine Lastwagenlawine durch umliegende Dörfer auslösen, ist nicht zu erwarten. Der Großteil des Bauschutts – vor allem Beton, Holz und Stahl – soll mit dem Schiff über den Neckar abtransportiert werden. Beim Kraftwerk entsteht durch die Demontage der Kühltürme eine 25.000 Quadratmeter große Fläche, die in einigen Jahren zum Rückbau des eigentlichen Atomreaktors benötigt wird. Ein Ende des Genehmigungsverfahrens für den Abriss der Kernkraftruine ist freilich noch längst nicht in Sicht. Dennoch wertete die BUND-Landeschefin Birgit Dahlbender den Beginn der Arbeiten am Donnerstag als „wichtiges Signal“ für den Atomausstieg. Entscheidend sei, dass nicht noch mehr Strahlenmüll produziert werde: „Wir wissen alle, dass es bis zu einer ,grünen Wiese‘ noch Jahrzehnte dauert.“ Mit Obrigheim, Philippsburg I und Neckarwestheim I sind jetzt drei der fünf Atommeiler im Südwesten stillgelegt. Für Philippsburg – den nächsten Punkt auf der Agenda der EnBW – gibt es noch keine konkreten Abrisspläne. Im Vergleich zu den gigantischen Naturzug-Nasskühltürmen wirken die Zellenkühler in Neckarwestheim mit ihrer geringen Höhe fast schon unscheinbar.

Kosten für den bis 2023 laufenden Rückbau mit 2,6 Milliarden Euro beziffert

Für den Rückbau seiner fünf Atomkraftwerke hat der Energieversorger insgesamt 6,6 Milliarden Euro auf die Seite gelegt. Schon die Erfahrung bei der Demontage der 1990 stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage (WAK) in Karlsruhe zeigt allerdings, wie teuer die Beseitigung der strahlenden Hinterlassenschaften werden kann. Auch weil rund 60.000 Liter flüssiger Atommüll in Glaskokillen verpackt ins Zwischenlager Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) mussten, werden die Kosten für den bis 2023laufenden Rückbau allein mit 2,6 Milliarden Euro beziffert. Die seit vier Jahren laufende Demontage des Kernkraftwerks Obrigheim wird auf eine halbe Milliarde veranschlagt.

Die Energieversorger sind gesetzlich verpflichtet, nach Abschaltung ihrer Kernkraftwerke den Abbau zu tragen – und zwar organisatorisch wie finanziell. Schließlich haben sie auch am Verkauf des produzierten Stroms verdient. Nach Berechnungen des Freiburger Ökoinstituts war allein die in Block 1 in Neckarwestheim erzeuge Energie mehr als 720.000 Euro wert – pro Tag. Der Bau des Kraftwerks in den 1970er Jahren hat umgerechnet 375 Millionen Euro gekostet, in drei Jahrzehnten Laufzeit steckte die EnBW gut 900 Millionen in den Meiler. Jetzt will der Abriss der Atomruine bezahlt sein.