Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt Jahr für Jahr. Betroffen sind immer mehr unter 65-Jährige. Andreas Raether und Danny Einert vom Klinikum Schloß Winnenden erklären anlässlich des Welt-Alzheimertags, wieso rasches Handeln bei Demenz wichtig ist.
Immer mehr Menschen in Deutschland sind von einer Demenz betroffen. Aktuell schätzt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft ihre Zahl auf rund 1,8 Millionen. Der Anstieg ist kein Wunder angesichts der steigenden Zahl älterer Menschen im Land. Doch auch bei Männern und Frauen unter 65 Jahren nimmt die Zahl der Betroffenen zu und liegt derzeit bei mehr als 100 000.
Die Alzheimer-Krankheit, bei der Nervenzellen im Gehirn zerstört werden, ist die häufigste Ursache einer Demenz. Letztere ist keine eigene Krankheit, sondern ein Syndrom – eine Kombination von bestimmten Symptomen, wie zum Beispiel dem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, einer veränderten Wahrnehmung und einer Einschränkung der Kommunikations- und Urteilsfähigkeit.
Demenz zeigt sich, wenn 40 Prozent des Gehirns zerstört sind
Die Alzheimer-Krankheit betreffe rund 60 Prozent der Fälle und entwickele sich langsam über einen langen Zeitraum, sagt Andreas Raether. Gemeinsam mit dem Pflegedienstleiter Danny Einert leitet der Chefarzt die Klinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Schloß Winnenden. „Wenn Menschen mit einer Alzheimerdemenz ihre Diagnose bekommen, haben sie die Krankheit schon rund 20 Jahre im Gehirn“, sagt der Mediziner. Damit das Bild einer Demenz entstehe, müssten bereits 40 Prozent der Gehirnsubstanz zerstört sein.
Die Symptome treten also mit langer Verzögerung auf und beginnen oft sehr diffus. Umso wichtiger sei es zu wissen, welche Anzeichen früh auf eine Demenz hinweisen, sagen die beiden Experten, die bei der Veranstaltung Psychiatrie-Talk am 23. September im Klinikum Schloß Winnenden darüber aufklären und Fragen beantworten.
Chronischer Bluthochdruck als eine Ursache für Demenz
Denn obgleich beispielsweise bei einer Alzheimer-Demenz zerebrale Nervenzellen unumkehrbar zerstört werden, die Alzheimer-Krankheit also nicht heilbar ist, hilft eine frühe Diagnose und Behandlung, den Prozess zu verlangsamen. Das verschafft den Betroffenen und ihren Angehörigen mehr Lebensqualität. Ein wichtiger Aspekt, denn wenn Menschen mit Demenz zu Hause gepflegt werden, was immer noch bei den allermeisten der Fall ist, so bedeutet das eine große Belastung für die Pflegenden. „60 Prozent werden dabei selbst so krank, dass sie Hilfe brauchen“, sagt Danny Einert. Bis zu zehn Prozent aller Demenzen hätten behandelbare Mitursachen, sagt Andreas Raether: Stoffwechselkrankheiten und chronische Störungen der Durchblutung können beispielsweise zum Bild einer Demenz führen. Sprich: Demenz kann unter Umständen die Folge von chronischem unbehandeltem Bluthochdruck sein. Aber auch ein chronisch niedriger Blutdruck sei problematisch.
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO leidet ein Mensch dann an Demenz, wenn er mindestens sechs Monate lang Symptome aufweist, die mit der Verminderung des Urteilsvermögens und der Entscheidungsfähigkeit einhergehen und Auswirkungen auf den Alltag haben. „Wer sich seit zwei Monaten nicht mehr an Namen erinnern kann, wäre nach dieser Definition nicht dement“, sagt Raether. Und ergänzt, dass es normal sei, wenn über 50-Jährige gelegentlich Namen vergässen.
Anders verhält es sich, wenn der verschollene Hausschlüssel im Kühlschrank liegt oder Betroffene nach einem Gassigang mit dem Hund Schwierigkeiten haben, wieder zurück nach Hause zu finden. „Das ist dann kein leichter Grad von Demenz mehr, sondern schon eine mittelgradige Demenz“, sagt Danny Einert. Typische Symptome seien auch ein zunehmendes Misstrauen, der Rückzug aus dem sozialen Leben und Fehleinschätzungen. Der Pflegedienstleiter berichtet, dass die vollstationären Angebote am Klinikum voll ausgelastet seien, die teilstationäre Tagesklinik aber nicht. Sein Fazit: Die Angehörigen warten zu lange, bis sie sich Hilfe und Unterstützung holen.
Menschen mit Demenz brauchen Strukturen
Zum Angebot der Tagesklinik gehören neben der medizinischen Diagnose und Früherkennung einer Demenz auch praktische Hilfe für Angehörige, etwa zu rechtlichen Fragen oder zu Gesprächstechniken. „Demenziell erkrankte Menschen brauchen Strukturen. Da haben wir Tipps, die das Leben sehr erleichtern“, sagt Andreas Raether.
Er betont, dass Prävention bei Demenz eine große Rolle spiele. Chronische Entzündungen im Körper, chronischer Stress und Schlafmangel hätten negative Folgen, problematisch seien auch eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, zu wenig Bewegung, Rauchen und Alkohol. Um einer Demenz vorzubeugen, empfiehlt der Mediziner eine gesunde Ernährungsweise. Ein besonderes Augenmerk sollte auf den Körperbereiche liegen, an denen weich auf hart trifft, also im Bereich des Mundes, der Hände und Füße. Das seien die Stellen, an denen Erreger in den Körper und die Blutbahn gelangen und Entzündungen verursachen können.
Bewegung ist bei Demenz sehr hilfreich. „Trainierte Muskeln schütten ein Hormon aus, das sich positiv auf die Gedächtnisleistung auswirkt“, zitiert Andreas Raether die Ergebnisse einer Studie: „Menschen, die mehr Muskeln haben, entwickeln tendenziell später eine Symptomatik.“
Mehr zum Thema auch hier: www.zfp-winnenden.de
Programm zum Alzheimer-Tag
Psychiatrie-Talk
Am 23. September erklären Chefarzt Andreas Raether und Pflegedienstleiter Danny Einert, wie man Demenz früh erkennen und behandeln und so eine bessere Lebensqualität erreichen kann. Der Vortrag beginnt um 18 Uhr im Festsaal des Klinikums Schloß Winnenden, Schloßstraße 50.
Demenzwoche
Die Stadt Winnenden bietet ein kostenfreies Programm zum Welt-Alzheimertag am 21. September an. Am Mittwoch, 18. September, stellt sich zum Beispiel das Demenz-Café Sonnenschein der Diakoniestation Winnenden ab 18 Uhr im Albrecht-Bengel-Haus vor. Der Mediziner Andreas Raether hält einen Vortrag zu „Fahrtüchtigkeit im Alter“. Die Kreis-Demenzfachberaterin Melanie Schwarz erklärt am 19. September, 18.30 Uhr, im Haus im Schelmenholz, Forststraße 45, was Demenz ist und wie man damit umgeht. Am 17. September zeigt das Kino-Mobil in der Alten Kelter, Paulinenstraße, zwei Filme zur Demenz: um 18.30 Uhr „Ilse, wo bist du?“, um 20 Uhr „Honig im Kopf“. Es gibt Infostände zum Thema auf dem Wochenmarkt und in der Bücherei. Hier geht es zum Programm der Demenzwoche.