Wilde Müllkippe in der Goethestraße in Dagersheim Foto: Julia Theermann

Tütenberge, Altkleider, Matratzen: Illegale Entsorgung ist im Kreis Böblingen ein zunehmendes Problem. Allein im vergangenen Jahr ist die Menge an wildem Müll um 112 Tonnen gewachsen. Eine Werbekampagne zeitigt bisher kaum Erfolg, jetzt soll ein Aktionstag helfen.

Der Berg an Unrat in der Goethestraße im Böblinger Ortsteil Dagersheim war den Anwohnern ein Dorn im Auge. Vor den dortigen Getränkecontainern türmten sich über Wochen Tüten mit Abfall, Bauschutt, Kisten und sogar eine Matratze auf. Eine Anwohnerin stellte ein Bild davon in die sozialen Medien, lud sarkastisch zum zweiwöchigen Geburtstag der Matratze ein und berichtete von Ratten, die darin ein neues Zuhause gefunden hätten.

Der wilde Müllhaufen in Dagersheim ist beileibe kein Einzelfall: Die Menge an illegal entsorgtem Abfall im Kreis Böblingen wächst seit Jahren und stieg zuletzt sogar noch einmal sprunghaft an. Im vergangenen Jahr betrug sie 778 Tonnen und damit 112 Tonnen mehr als im Vorjahr, in dem der wilde Müllhaufen in Summe 666 Tonnen wog. Nach einem Tiefstand von 334 Tonnen im Jahr 2012 wuchs die Menge an wildem Müll seitdem Jahr für Jahr wieder an, im Jahr 2021 hatte sie sich ungefähr verdoppelt.

Illegaler Bauschutt auf Häckselplätzen

Hinter dem jüngsten sprunghaften Anstieg steckt ein relativ neues Phänomen der illegalen Ablagerungen auf den kreiseigenen Häckselplätzen: 118 Tonnen wilder Müll, davon 56 Tonnen Langgras wurden dort im vergangenen Jahr verbotenerweise entsorgt. Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) kämpft seit Jahren mit dem wachsenden Berg an illegalem Unrat, der viel Arbeit und Kosten verursacht. Die Kommunen können ebenfalls ein Lied davon singen.

Denn nicht aller Unrat, der wild entsorgt wird, kann im Böblinger Restmüllheizkraftwerk verwertet werden. Im vergangenen Jahr musste der AWB 86 Tonnen auf seine Wertstoffhöfe bringen und ordnungsgemäß auftrennen und entsorgen. Darunter vor allem E-Schrott, Problemstoffe, Bauschutt und 667 Altreifen. All das verursacht dem Steuerzahler Kosten. Auf 614 275 Euro beziffert der Böblinger AWB die Jahressumme. Schon 2021 entschied der Kreistag, dass der AWB hier mit einer breit angelegten Kampagne gegensteuern solle. Der Slogan: „Wilder Müll kann nix.“ Die plakativen Motive prangen seit Mitte des vergangenen Jahres auf Mülllastern, Großplakaten und im Netz. Eine durschlagende Wirkung erzielten sie nicht.

Kampagne schärft Bewusstsein

„Im Gegenteil“, teilt der AWB mit. „Vermehrt berichten Bürgerinnen und Bürger sowohl den Städten und Gemeinden als auch dem AWB regelmäßig ihre Beobachtungen“, heißt es weiter. Besonders im Fokus stünden bei den Meldungen über illegale Ablagerungen die Containerstandorte für Glas, Dosen und Alttextilien. Hier würden neben Hausmüll auch Matratzen, Schrottteile oder sogar E-Schrott abgelagert. Immerhin habe die Kampagne aber mehr Aufmerksamkeit gegenüber achtlos Weggeworfenem und anonym hingestelltem Haus- und Sperrmüll erzeugt, was über die Anzahl der Anrufe und E-Mails deutlich abzulesen sei.

„Mit unserer aktuellen Kampagne haben wir das Thema ‚Wilder Müll‘ sicherlich ins Bewusstsein der Menschen im Landkreis rücken können“, sagt der Erste Werkleiter des AWB, Martin Wuttke. Noch stelle er gewichtsmäßig aber keine spürbare Mengenreduzierung fest. „Wir erhoffen uns aber am Jahresende eine bessere Bilanz“, sagt er. Vielleicht hilft ja der Aktionstag am 16. September, den der AWB gemeinsam mit den Kommunen bewirbt: World Cleanup Day, der Welttag des Saubermachens.

Aktionstag in vielen Kommunen

Viele Kommunen und private Initiativen planten bereits, am World Cleanup Day eine Ortsputzete durchzuführen und Müll einzusammeln, teilt der AWB mit. Die Verantwortlichen begännen jetzt schon mit den Vorbereitungen und können Unterstützung gut gebrauchen. Wer Interesse habe, solle sich einfach bei seiner Stadt oder Gemeinde melden und könne bei der Organisation oder Durchführung der Putzete tatkräftig unterstützen. Auch der AWB werde mit einer eigenen „Putztruppe“ am Samstag, den 16. September wieder unterwegs sein, sagt Wuttke.

Wilder Müll in Zahlen

Im Jahr 2022
fielen im Kreis Böblingen 778 Tonnen an wildem Müll an. Das entspricht einer Steigerung um rund 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (666 Tonnen).

Städte und Gemeinden
sammelten 300 Tonnen davon ein, eine leichte Steigerung zu 2021 (291 Tonnen).

Außerhalb von Orten
registrierte der AWB in 2022 die Zahl von 242 Tonnen.

Auf Häckselplätzen
kamen 118 Tonnen zusammen nach 32 Tonnen im Vorjahr – das entspricht fast einer Vervierfachung.

Die Straßenmeisterei
nahm 29 Tonnen im vergangenen Jahr auf – so viel wie im Jahr zuvor.

Im Wald
ging die Menge an wildem Müll zurück: Von neun Tonnen in 2021 auf nur noch drei Tonnen.

Wertstoffhöfe
haben hingegen mit wachsenden Mengen zu kämpfen: 86 Tonnen fielen hier an, davon 70 Tonnen Bauschutt. (jps)