Anhand eines Kartensets ermitteln Jugendliche im Workshop ihre Stärken. Foto: Gottfried Stoppel

Einfach mal sehen, wie die Berufswelt so tickt: Der 12. Aktionstag Berufswelt im Rems-Murr-Kreis ermutigt Jugendliche dazu, eine Ausbildung zu machen und gibt mit Workshops und Praktika Impulse für die Berufsorientierung.

Waiblingen - Jeanette weiß schon ziemlich genau, welchen Beruf sie erlernen möchte. „Ich habe mich bei der Polizei beworben, weil ich gerne mit Menschen zusammenarbeite und es gut finde, dass man draußen unterwegs ist, aber auch im Büro arbeitet“, sagt die 18-Jährige, „einen Plan B habe ich allerdings noch nicht.“ Deshalb sitzt Jeanette am Montagmorgen trotz Herbstferien bei der Agentur für Arbeit in Waiblingen und lotet in einem Workshop aus, wo ihre Stärken liegen.

Valeria Bieder vom Kreisjugendring leitet das Training mit dem Motto „Finde heraus, was in dir steckt!“ Ihre Erfahrung ist: „Jugendliche wissen oft nicht, was ihre Stärken sind.“ Anhand von Kartensets, die sie an die Teilnehmer verteilt, können diese das ändern. „Toleranz“, „Pünktlichkeit“, „Teamfähigkeit“ oder „spezielle Fachkenntnisse“ – solche Begriffe stehen auf den Pappkärtchen, welche die Jugendlichen auf zwei Stapel sortieren müssen. Auf Stapel 1 kommen die Fähigkeiten, die sich ein Schüler selbst bescheinigt, auf Stapel 2 landen die Begriffe, die nicht so sein Ding sind. Stapel 1, also der mit den eigenen Stärken, sei häufig sehr hoch, erzählt Valeria Bieder – und somit ein augenfälliger Beweis dafür, dass jeder etliche Talente hat.

Das Dilemma: kein Ziel und kein Plan

Ein guter Ausgangspunkt, denn das Wissen um die eigenen Stärken macht die Berufswahl leichter und ist daher ein wichtiger Aspekt beim 12. Aktionstag Berufswelt, der diese Woche zum dritten Mal in den Herbstferien stattfindet. „Wir setzen da bewusst auf Freiwilligkeit – wer in den Ferien kommt, der ist auch motiviert“, sagt Ruth Deichmann, die Leiterin des Projekts beim Landratsamt. Der Aktionstag ist vorwiegend für Gemeinschaftsschüler gedacht, die einen Hauptschulabschluss anstreben – und für Realschüler der Klasse 9, also Jugendliche im Alter von 14, 15 Jahren. „Viele junge Leute in diesem Alter haben noch kein Ziel und keinen Plan, welchen Beruf sie erlernen möchten. Da kann der Aktionstag gute Impulse geben“, sagt Ruth Deichmann. Das gelingt zum einen mittels Workshops, zum anderen durch Schnupperpraktika, welche die Jugendlichen in 40 Unternehmen im Landkreis absolvieren können.

Allein dort können Praktikanten bis zu 50 verschiedene Berufe kennen lernen, was zeigt: Die Fülle an Ausbildungsmöglichkeiten ist riesengroß, für den ein oder anderen beinahe zu groß. Manch einer drehe da lieber zusätzliche Runden an diversen Schulen und schiebe die Entscheidung hinaus, erzählt Annette Schanbacher, die sagt: „Für manche ist es nicht das Beste, weiter zur Schule zu gehen. Aber viele Jugendliche haben Angst, dass sie ihr ganzes Leben den gleichen Beruf ausüben müssen.“

Ungelernte sind häufiger arbeitslos

Diese Angst sei unbegründet, versichert die Teamleiterin der Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit, die selbst einmal Ernährungswissenschaften studiert hat. Sie versucht unentschlossenen Jugendlichen zu vermitteln, dass eine Berufsausbildung auf jeden Fall der erste Schritt in die richtige Richtung ist, denn: „Firmen beschäftigen ungelernte Mitarbeiter häufig nicht so gerne und entlassen sie schneller wieder. Die Arbeitslosigkeit von Ungelernten liegt immer deutlich höher.“ Wobei Betriebe oft gar keinen großen Wert auf spezielle Fachkenntnisse legten, sondern darauf, dass ein Mitarbeiter die Kernkompetenzen besitzt, um eine Ausbildung zu meistern. „Wichtig ist, eine Ausbildung durchzuhalten und nicht vorzeitig abzubrechen“, bestätigt Ruth Deichmann: „Durchhaltevermögen ist eine Eigenschaft, die für das ganze Leben wichtig ist.“

„Der Arbeitsmarkt ist derzeit perfekt“, macht Annette Schanbacher jungen Bewerbern Mut: „Selbst Jugendliche mit schlechtem Zeugnis bekommen attraktive Stellen. Man muss mutig sein, sich bewerben, dranbleiben – und dann wird es auch irgendwann funktionieren.“

12. Aktionstag Berufswelt

Berufswelt:
Am diesjährigen 12. Aktionstag Berufswelt nehmen 40 Unternehmen im Landkreis teil. Sie bieten rund 150 Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu einem Kurzpraktikum, bei dem die jungen Leute einen Einblick in die Arbeitswelt von insgesamt rund 50 verschiedenen Berufen erhalten.

Workshops:
Bei vier verschiedenen Seminarangeboten lernen 40 Teilnehmer zum Beispiel, welche Stärken sie haben, was sie während ihrer Ausbildung erwartet und welche Möglichkeiten sie im Anschluss daran haben.

Veranstalter:
Der 12. Aktionstag Berufswelt ist eine Gemeinschaftsaktion der Agentur für Arbeit, das Landkreises, der Industrie- und Handelskammer, der Kreishandwerkerschaft, des Arbeitgeberverbands Südwestmetall und des Staatlichen Schulamts Backnang.