ie Stars von morgen: Pablo von Sternenfels und Rocio Aleman als Romeo und Julia Foto: Stuttgarter Ballett

Das Stuttgarter Ballett teilt während der Benefizgala seltene Stücke und Momente mit seinem Publikum und macht Lust auf mehr.

Stuttgart - London hieß die jüngste Gastspielstation des Stuttgarter Balletts. Erst vor kurzem ist die Kompanie von dort zurückgekehrt, wo ihr Gründer John Cranko seine ersten Erfolge feierte. Und auch wenn die britischen Kritiker mit den Innovationsschüben aus Stuttgart nichts anzufangen wussten, waren sie sich einig: Tolle Tänzer seien da zusammen.

Die Erkenntnis, dass der Prophet im eigenen Land nichts gelte, stellt das Stuttgarter Ballett wunderbar auf den Kopf. Seit 50 Jahren wird jeder Schritt nach vorn vom Publikum mitgetragen. Und so war die 33. Benefiz-Gala für die Aktion Weihnachten unserer Zeitung an diesem Sonntag ein schöner Anlass, um dem Publikum für seine Treue zu danken. Selten zu erlebende Stücke gab es wie den sportiven Tänzer-Wettstreit „Are you as big as me?“. Seltene Momente teilten sie mit den Gala-Gästen wie Friedemann Vogels Stuttgarter Debüt als Onegin.

Und ganz selbstverständlich wechselten sich an diesem Morgen junge Choreografen und die Hits Crankos ab, ganz selbstverständlich tanzten bekannte Stars wie Marijn Rademaker neben jungen Kollegen. Dabei war nicht nur der große Applaus an diesem Vormittag Made in Stuttgart. Jedes der fünf Stücke ist hier entstanden. Auch die meisten Tänzer sind Stuttgarter Gewächse, ausgebildet an der hauseigenen Ballettschule.

Dass die Cranko-Schule seit Jahren zu den Weltmarktführern in Sachen Ballettausbildung gehört, setzte bereits im ersten Teil der Matinee perfekte Glanzlichter. So qualitätvoll ausgebildet, kann Intendant Reid Anderson jungen Tänzern Großes anvertrauen, wie Pablo von Sternfels und Rocio Aleman bewiesen. Vor zwei Jahren erst wechselten die beiden Mexikaner von der Schule in die Kompanie, nun stürzten sie sich mit einer Vertrautheit in das Glück von Romeo und Julia und brachten Leidenschaft zum Vibrieren, dass die technischen Tücken von Crankos Choreografie vergessen waren.

Über ihnen steht Friedemann Vogel. Für die Rolle des Onegin musste der Starsolist dennoch Reife sammeln. Ein Traum im wahrsten Sinne ist nun sein Auftritt mit Alicia Amatriain als Tatjana, die vor ihrem Spiegel der Sehnsucht Form gibt und sich leicht wie eine Feder in Onegins Arme katapultiert. Smart darf Vogel in dieser Mädchenfantasie sein – und so hält er die Spannung hoch, wie ihm der Rest des kalten, glatten Herzensbrechers gelingen wird.

Lust auf mehr – nämlich auf ihr an Weihnachten anstehendes Debüt in „Der Widerspenstigen Zähmung“ – machen auch Anna Osadcenko und Marijn Rademaker in Christin Spucks „Le Grand Pas de deux“: Als schusselige Ballerina mit Brille und Handtasche und als Ehrgeizling, den die Kollegin tierisch nervt, zeigen die zwei große Tanzkunst und perfekt dosierte Komik.

Jung lassen Daniel Camargo und Roman Novitzky ihre Kollegen aussehen. Der eine macht sein Duett „Do outro lado“ zur Hommage an die Schwerkraft, indem er sie Nicholas Jones und Robert Robinson einfach ausschalten lässt. Und wenn Jesse Fraser, Robert Robinson und Matteo Crockard-Villa wie Hamster im Rad treten und sorgenvoll auf die Konkurrenz schielen, dann wird der Tanz zum heiteren Abbild eines Lebens unter Zeitdruck. „Are you as big as me?“ – eine Frage, die das Stuttgarter Ballett nach diesem Vormittag nicht fürchten muss.