Streit, Trennung, Wochenendbesuche – das alles geht nicht spurlos an dem Sohn der Eltern vorbei. Er hat ADHS und soll im Krankenhaus auf ein Medikament eingestellt werden. Der Vater setzt alle Hoffnung darauf.
Stuttgart - Herr V. ist immer pünktlich bei der Arbeit. Lebensmittel ausladen, in die Regale einräumen, die schwarzen Eimer bereitstellen, Runtergefallenes zusammenfegen. Das alles muss gemacht sein, bevor die Kunden der Schwäbischen Tafel eingelassen werden. An diesem Morgen sind sie wieder so zahlreich, dass einige im Vorraum warten müssen. Ein Angestellter lässt sie erst ein, wenn zuvor andere Kunden gezahlt und den Laden verlassen haben.
Job verloren, Alkohol getrunken
Zu viel Trubel also dort, wo Herr V. seit März 2017 pünktlich und verlässlich schafft. Im Bahnhofscafé ist es ruhig genug. Schule, Mittlere Reife, Freiwilliges soziales Jahr, damals sei noch alles in Ordnung gewesen. „Mein Traumberuf war Heilerziehungspfleger, und die Lehre habe ich auch begonnen, aber nie beendet“, erzählt er. Heute sei dieser Traum ausgeträumt.
Statt sich nach einer anderen Ausbildungsmöglichkeit und einem anderen Beruf umzuschauen, heuerte Herr V. bei einer Zeitarbeitsfirma an. Lagerhelfer wurde er, für 8,50 Euro die Stunde. Dann wurde seine damalige Freundin schwanger. „Das war natürlich nicht geplant, wir hatten auch nicht genug Geld“, sagt Herr V., aufrecht sitzend, die Hände auf seinen Knieen liegend.
Schließlich fiel die Entscheidung doch anders aus: „Sie wollte das Kind, ich wollte kein Vater sein.“ Für das Paar schien der Zwist unüberbrückbar, es kam zur Trennung, auch weil „ich ihrer Meinung nach zu viel getrunken habe.“
Beim Bier am Feierabend ist es damals nicht geblieben, „ich habe schon auch Schnaps getrunken und wusste manchmal nicht mehr, was ich tat oder getan hatte im Rausch“, sagt Herr V. Das war auch für seinen damaligen Arbeitgeber zu viel. Im Jahr 2015 sagte der zu Herrn V.: „Sie brauchen morgen nicht mehr zu kommen.“ Der Entlassene ist heute selbstkritischer als damals. „Es war wirklich zu viel. Hätten mir meine Freunde nicht geholfen, ich weiß nicht, ob ich jemals vom Alkohol weggekommen wäre.“ Inzwischen fasst er keinen Schnaps mehr an, nur gelegentlich gönne er sich noch ein Bier.
Neue Struktur im Leben
Zuletzt aber war es dann doch sein Sohn, der ihn wieder in die Spur gebracht hat. Er nahm die Arbeitsgelegenheit in der Schwäbischen Tafel an und hofft, im kommenden Jahr „einen richtigen Job“ auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Immerhin habe er ja Kenntnisse in Lagerlogistik und den Staplerführerschein. Der Job brachte zudem Struktur in V.’s Leben. Er besann sich auf seine Vaterrolle, er wollte den Kontakt nicht abreißen lassen und erstritt sich gerichtlich das Umgangsrecht für jedes 2. Wochenende, so ist die Vereinbarung.
Dafür nimmt der 29-Jährige einiges auf sich. Die Mutter lebt mit dem Kind im Schwarzwald. Um dort hinzukommen, muss er S-Bahn, Bus und Pedes benutzen. „Das macht mir nichts aus, Hauptsache, wir können uns sehen.“ Nach Weihnachten ist das allerdings nicht möglich, weil das Kind ins Krankenhaus muss. Bei der Einschulung haben die Ärzte ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom festgestellt. Ein Medikament hilft dem Jungen, ruhig zu bleiben, nicht zu zappeln, nicht auszurasten. Nun muss er im Krankenhaus darauf eingestellt werden. Bei beiden Elternteilen hapert es jedoch daran, das Kind anständig dafür auszustatten und ihm für die Wochenenden, die er beim Vater verbringen darf, ein ordentliches Bett zu beschaffen. Die Aktion Weihnachten hilft.
Spenden an die BW-Bank, Iban: DE04 6005 0101 0002 3423 40, Bic: SOLADEST und die Schwäbische Bank, Iban: DE85 6002 0100 0000 0063 00, Bic: SCHWDESS.