Das Tablet erinnert an Bilder von früher oder fordert zum Denksport auf. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Pflegende leben oftmals in großer Unruhe, weil sie in Sorge um das Wohlergehen ihrer Angehörigen sind. Es gibt zwar viele technischen Hilfsmittel, aber sie sind teuer. Nun zeichnet sich eine Lösung ab, und die Aktion Weihnachten gibt Starthilfe.

Stuttgart - Im Alter noch umziehen? Das wollen mehr als 90 Prozent der Stuttgarter nicht, und schon gar nicht in ein Heim. Selbstbestimmung wird großgeschrieben bei den Senioren, das haben sie bei der jüngsten Umfrage des Sozialamts deutlich gemacht. Aber das Daheimleben ist gelegentlich eine Last.

„Jeder sechste über 60 Jahren ist demenziell erkrankt, und bei den über 80-Jährigen ist es schon jeder zweite“, sagt Günther Schwarz von der Fachberatung Demenz der Evangelischen Gesellschaft. Was das bedeutet, ist leicht zu ermessen angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Stuttgart. Demnach sind im Jahr 2020 bereits 15 000 Bewohner älter als 85 Jahre, im Jahr 2025 könnten es bereits mehr als 21 000 sein. Viele haben Angehörige, die sich um sie kümmern, aber ohne Hilfe geht das nicht.

Während die Kranken- und Pflegekasse die Anschaffung von Rollstühlen, Rollatoren, Pflegebetten und Pflegehilfsmitteln bezuschusst oder gar ganz übernimmt, gibt es für die Anschaffung von sicherheitstechnischen Hilfen „eher weniger“ Beistand. Oft verzichten die Familien darauf: „Die Leute haben eh schon Angst vor den Kosten, die mit einem Pflegeheim auf sie zukommen könnten“, sagt Günther Schwarz. Und so nimmt ein wachsender Teil der Bevölkerung wachsende Probleme in Kauf. Dabei geht es auch ganz anders.

Anschauen, testen und zu Hause ausprobieren

Ortstermin in der Lindenspürstraße 39, der Werkstatt Wohnen vom Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS). In mehreren Räumen demonstriert die Wohnberatung des Deutschen Roten Kreuzes Möbel und Installationen, die älteren Menschen helfen, ihre Selbstständigkeit zu bewahren. Daneben zeigt Anja Schwarz, die Diplom-Sozialpädagogin der DRK-Wohnberatung, was es mit der Sensormatte auf sich hat: „Wenn ein älterer, verwirrter Mensch das Bett verlässt und auf die Matte tritt oder aus dem Bett stürzt, senden die Sensoren Töne oder ein Vibrationssignal an pflegende Angehörige in einem anderen Raum.“ Unfälle werden frühzeitig bemerkt, orientierungsloses Umherirren kann verhindert werden.

Günther Schwarz erläutert den GPS-Sender, den er zu Testzwecken um den Hals trägt. „Pflegende Angehörige definieren damit einen virtuellen Zaun“, erklärt er. Alle drei Minuten übermittelt das kleine Gerät den Standort des Trägers. Bewegt er sich über den definierten Aktionsrahmen hinaus, sendet das Gerät eine Kurzmitteilung an die Angehörigen. „Man kann damit vermeiden, dass ältere Menschen sich verlaufen“, sagt der Fachberater. Im häuslichen Bereich hilft auch eine kleine Lampe, die über Sensoren und eine Internetverbindung funktioniert: So lange sich ein Bewohner normal in seiner Wohnung bewegt, leuchtet die Lampe grün, gibt es Abweichungen, wechselt die Lampe auf Rot – und die Angehörigen sind gewarnt.

Ein Tablet weckt Interesse

Es gibt viele weitere Hilfsmittel, ob zum Telefonieren, für die Türklingel oder den Notruf. „Man muss aber immer schauen, welche Hilfe gerade passt“, sagt Anja Schwarz. Deshalb reifte bei der Wohnberatung des DRK und bei der Fachberatung Demenz die Idee, die mobilen elektronischen Helfer zum Testen zu verleihen und gegebenenfalls zu bezahlbaren Preisen zu vermieten. „Die Angehörigen können prüfen, ob die Geräte praktikabel sind, zu ihrem Bedarf passen und ob sie ihnen nutzen.“ Gleichzeitig könnte die Wohnberatungsstelle von den Erfahrungen der Nutzer profitieren, und die Hilfsmittel stünden nicht nur einer Familie, sondern vielen wechselnden pflegenden Angehörigen zur Verfügung. Anja Schwarz und die Wohnberatung des DRK ist telefonisch unter 07 11 / 28 08-13 33 zu erreichen und im Netz unter www.DRK-Stuttgart.de zu finden.

Erste Rückmeldungen gab es schon zu einem Tablet, das Demenzkranke geistig mobilisieren soll. Darauf sind Fotos, Filme, Sprichwörter, Melodien, ein Quiz und Rätsel gespeichert. Angehörige schildern nun, dass sie nun endlich ein kleines Repertoire dabei haben, um Demenzkranke aus der Reserve zu locken. Eine Nutzerin sagt: „Oft reagiert er mit dem Tablet auf Dinge, auf die er vorher nicht reagiert hat. Jetzt malt er damit.“

Jetzt geht es darum, eine regelmäßige, vorerst wöchentliche Beratung anzubieten. Das Personal steht bereit, doch für den geplanten Verleih müssen etliche Geräte erst noch beschafft werden. Ohne Unterstützung können die Beteiligten nicht loslegen. Damit möglichst vielen Angehörigen ein Teil ihrer Last genommen werden kann, gibt die Aktion Weihnachten dem Projekt Starthilfe.