Am 24. Mai hat das Paar in der Leonhardskirche den Segen erhalten. Foto: Lichtgut/Martin Stollberg

Sie sind das erste homosexuelle Paar, das in einer evangelischen Kirche in Stuttgart gesegnet wurde. Weil eine Wohnung unbewohnbar wurde, leben sie seit einigen Wochen zusammen auf engstem Raum. „Wir geben uns gegenseitig Halt“, sagen sie.

Stuttgart - Die Nächte sind gerade wenig erholsam für das Ehepaar Wolf. Ahmad Wolf wird von schweren Albträumen geplagt. Er schreit und redet im Schlaf. Bei dem staatenlosen Palästinenser, der aus Syrien nach Deutschland geflohen ist, wurde unter anderem eine schwere posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die Kriegserlebnisse verfolgen ihn nachts. „Er ruft laut Hilfe, Hilfe, Hilfe“, erzählt sein Mann Gerald mitgenommen.

Der 54-jährige Stuttgarter kann selbst aber auch deshalb nicht gut schlafen, weil er so unbequem liegt. Als Ahmad vor wenigen Wochen bei ihm in die nicht einmal 35 Quadratmeter kleine Wohnung zog, hat er ihm sein fest in einen Schrank eingebautes Bett überlassen. Er selbst liegt seither in einem alten Kinderbett daneben. Das Bett hatte ein Nachbar in den Keller gestellt. Es ist zu kurz für ihn, die Beine muss er anziehen, wenn die Füße nicht rausgucken sollen. Ahmad sei schwerer, ihn würde das Kinderbett nicht aushalten, glaubt der Ältere der beiden.

Im Mai wurde das Paar in der Leonhardskirche gesegnet

In der Regel anonymisieren wir die Beiträge für die Aktion Weihnachten. Doch Gerald und Ahmad Wolf haben sich dafür entschieden, mit Namen in die Zeitung zu kommen. Es wurde bereits Ende Mai über sie berichtet: weil sie das erste homosexuelle Paar sind, das in einer württembergischen Kirche gesegnet wurde. Vor dem Standesamt haben sie sich Anfang Januar das Jawort gegeben. Kennengelernt hatten sie sich im Juli 2018. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Und dass sie heiraten wollten, sei schnell klar gewesen. Die Segnung bedeute ihnen viel, sagt Gerald Wolf. „Unser Glauben ist uns sehr wichtig“, betont er. Sein Mann ist zum christlichen Glauben konvertiert. In Syrien konnte er seine sexuelle Orientierung nie ausleben.

Eine Hochzeitsfeier gab es nicht nur wegen des Coronavirus nicht, sondern auch aus finanziellen Gründen. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt der Stuttgarter. Dass sie sich etwas festlicher kleiden konnten an dem Tag, haben sie der Diakoniepfarrerin zu verdanken, da es vom Jobcenter hierfür keinen Zuschuss gab.

Wände in Ahmad Wolfs Wohnung waren nach Wasserschaden verschimmelt

Ahmad und Gerald Wolf würden beide gerne arbeiten, doch psychische und körperliche Leiden ließen das leider nicht zu, sagt der 54-Jährige, der seine Worte mit Arztbriefen unterlegt. Bei Ahmad ist schon länger die Psyche das Hauptproblem, bei Gerald Wolf inzwischen der Körper. Diverse orthopädische Leiden führen dazu, dass er chronische Schmerzen hat. Ein Jahr hat er in einem Tafelladen gearbeitet, auch das musste er aufgeben. In seinem angestammten Beruf sieht es wegen Corona düster aus. Er ist gelernter Reiseverkehrskaufmann.

„Wir stützen uns gegenseitig“, sagt Gerald Wolf. Zusammenziehen wollten sie schon länger, aber in eine größere Wohnung. In der Notfallkartei der Stadt stehen sie seit zwei Jahren. Dann kam es zu einem Wasserrohrbruch in der Wohnung von Ahmad. Auf Bildern sieht man verschimmelte Wände. Da habe sein Mann nicht bleiben können. Der 31-Jährige sei vorbelastet, war wegen einer Lungenarterienembolie im Krankenhaus.

Was Gerald Wolf empört: Seit sie zusammenwohnen, haben sie noch weniger Geld zur Verfügung. Der Regelsatz wird bei Bedarfsgemeinschaften auf jeweils 90 Prozent gekürzt. So ist kein Geld da, um zwei Stühle, einen kleinen Tisch und ein Einzelbett zu kaufen, damit Gerald Wolf nicht mehr in dem Kinderbett schlafen muss. Für ein Doppelbett ist die Wohnung zu klein. Die Aktion Weihnachten will dem Paar helfen.

So können Sie spenden

Die Aktion Weihnachten freut sich über Spenden. Wenn Ihr Name als Spender veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte bei der Überweisung. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00. Sachspenden können wir aus logistischen Gründen nicht annehmen. Mehr unter www. stuttgarter-nachrichten.de/aktion-weihnachten.de.