BeimFrauenberatungszentrum kommen solche Bildkarten vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen zum Einsatz. Foto:  

Eine lernbehinderte Frau wird von einem Mitbewohner sexuell belästigt. Zum Glück wird eine Betreuerin aufmerksam. Bei der Bewältigung hilft ihr nun die Frauenberatungsstelle. Die Aktion Weihnachten unterstützt, dass Frauen mit Behinderung das Angebot wahrnehmen können.

Stuttgart - Inga H. (Name geändert) ist lernbehindert und lebt in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Kontakt zu ihrer Familie hat sie keinen, sie war als Kind sexuell missbraucht worden. In ihrer Wohngruppe und auch in der Werkstatt ist sie eigentlich gut integriert. Doch dann verändert sich das Verhalten der 30-Jährigen. Inga H., die immer mit Freude alles mitgemacht hat, kommt nicht zu den gemeinsamen Abenden der Wohnheimbewohner, an den Freizeitaktivitäten nimmt sie nicht mehr teil. Auch will sie sich abends nicht mehr umziehen, besteht darauf, sich „angezogen“ schlafen zu legen und dass das Deckenlicht nicht gelöscht wird. Eine Betreuerin aus dem Wohnheim sucht daraufhin das Gespräch. So kommt heraus, dass Inga H. erneut Opfer geworden ist. Ein Mitbewohner ist mehrfach nachts in ihr Zimmer gekommen. Gegen ihren Willen hat er sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen.

Laut dem Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart (Fetz) sei das ein typischer Fall. Denn Frauen mit Behinderung sind besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Einer Studie der Universität Bielefeld zufolge wird jede zweite bis dritte Frau mit Behinderung im Laufe ihres Lebens Opfer sexueller Gewalt. Besonders gefährdet sollen Frauen sein, die in Einrichtungen leben – Frauen wie Inga H.

Frauen mit Behinderung sollen lernen, nein zu sagen

Die 30-Jährige ist dabei, ihre traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten. Dabei hilft ihr das Beratungszentrum Fetz und dort ganz konkret die Sozialpädagogin Stephane Nawrot, die für die Zielgruppe der Frauen mit Behinderung zuständig ist. Nawrot nutzt in ihren Beratungen Material in einfacher Sprache – wie Bildkarten, auf denen zum Beispiel Comics von Gewaltsituationen zu sehen sind. In der Beratung sollen Frauen wie Inga H. lernen, Nein zu sagen. Das falle den Frauen oft sehr schwer. Sie seien in ihrem Alltag sehr fremdbestimmt und hätten es nicht gelernt, sich abzugrenzen, erklärt Nawrot. Um das Beratungsangebot bekannter zu machen, besucht die Sozialpädagogin auch Einrichtungen – die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, soll sinken. Auch mit den Frauenbeauftragten aus den Werkstätten ist sie in Kontakt. Immer wieder stoße sie auf große Angst. „Es ist ganz wichtig, dass den Frauen bewusst wird, hier wird ihnen geglaubt, dann öffnen sie sich auch“, sagt Stephane Nawrot.

Einen Teil der Beratungskosten müssen die Frauen, die zu Fetz kommen, eigentlich selbst übernehmen. Frauen mit Behinderung können sich das nicht leisten. Die Aktion Weihnachten springt ein.