Ein Flüchtlingsheim in Stuttgart – auch das Projekt des Mädchengesundheitsladens ist in einem Systembau angesiedelt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Geflüchtete Mädchen wachsen oft in patriarchal geprägten Familien auf. Ein niedrigschwelliges Projekt des Mädchengesundheitsladens soll ihr Selbstbewusstsein stärken. Die Aktion Weihnachten will Starthilfe geben.

Stuttgart - Wie erreicht man geflüchtete Mädchen am besten? „Indem man vor Ort geht“, ist die Erfahrung der Sozialpädagogin und Psychodrama-Therapeutin Julia Hirschmüller. Im Sommer hat die Mitarbeiterin des Mädchengesundheitsladens sechs Wochen in einer Flüchtlingsunterkunft mit Mädchen gearbeitet. Dabei sei deutlich geworden, dass es weitergehen müsse. „Das braucht mehr Zeit“, sagt Hirschmüller.

Die Mädchen lebten mehrheitlich in stark patriarchal geprägten Familien. In der Folge bekämen sie nicht nur weniger Aufmerksamkeit und Privilegien zugestanden als ihre Brüder, sie hätten auch mehr Aufgaben zu erfüllen im Haushalt – und die Familien achteten darauf, dass sie viel Zeit drinnen in der Unterkunft verbrächten. Gemeinsame Unternehmungen wie Schwimmengehen sind deshalb geplant, damit die Mädchen mal raus kommen. „Wir wollen zusammen die Stadt entdecken“, sagt Hirschmüller.

In den Gesprächen mit den Mädchen im Sommer sei es zudem oft um das Thema Gewalt gegangen. „Gewalt gehört zu ihrem Alltag, Gewalt ist in vielen Familien ein normales, anerkanntes Erziehungsmittel“, hat die Sozialpädagogin erfahren. Dabei wüssten die Mädchen oft, dass Gewalt in Deutschland verboten sei, aber ihre eigene Realität sei eine andere. „Das ist für Ausländer egal“, habe ihr ein Mädchen gesagt.

Viele erleben Gewalt in ihrem Alltag

Sie versuchen, den Mädchen bewusst zu machen, was ihre Rechte sind, und ihre Wahrnehmungen zu stärken – dass sie Rückendeckung für ihr Empfinden bekommen, dass die Gewalterfahrung nicht in Ordnung ist. Andererseits gehe es ihnen aber nicht darum, die Familien schlecht zu machen. Schließlich gebe es auch in deutschen Familien Kinder, die Gewalt erlebten. „Unsere Botschaft ist: ,Du bist wertvoll als Mädchen.‘ Das erleben sie als sehr entlastend“, sagt die Sozialpädagogin. Die Zielgruppe des Projekts, das in Feuerbach angesiedelt sein soll, sind die Zwölf- bis 15-Jährigen. Die Gruppe soll ein Schutzraum für die Mädchen sein, um über ihre Erfahrungen zu berichten – auch über diskriminierende Erlebnisse in der Schule oder im öffentlichen Raum.

Das Projekt soll helfen, sie in ihren Wünschen nach Selbstständigkeit zu bestärken. Wie das afghanische Mädchen, das gern in den Fußballverein wollte, sich aber nicht traute, den Vater zu fragen. Gemeinsam kamen sie auf die Idee, wie sie das Gespräch am besten führen könnte, und übten dies auch im Rollenspiel. Denn am meisten sorgte sich der Vater immer darum, dass der Tochter alleine auf dem Hin- oder Rückweg etwas passieren könnte. Da eine kurdische Freundin aus Syrien ohnehin schon in den Verein ging, konnte sie ihm von vornherein diese Angst nehmen – sie würde nicht allein laufen. Es hat geklappt. Der Vater habe tatsächlich sein Okay gegeben. „Die Eltern wollen gute Eltern sein“, betont Hirschmüller. Die „Aktion Weihnachten“ würde dem Projekt mithilfe von Spendern gern Starthilfe geben.

So können Sie für die „Aktion Weihnachten“ spenden:

Achtung: Wenn Ihr Name als Spender in den Stuttgarter Nachrichten veröffentlicht werden soll, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Sachspenden können wir aus logistischen Gründen leider nicht annehmen. Die Spendenkonten der Aktion Weihnachten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00.