In Stuttgart-Bad Cannstatt haben Aktivisten ein Gebäude besetzt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Im Stuttgarter Gemeinderat wurde am Donnerstag über Wohnungsmangel diskutiert. Zeitgleich kam es auf dem Marktplatz zu einer Demonstration. In Bad Cannstatt besetzten Aktivisten ein Gebäude.

Stuttgart - Erneut ist es in Stuttgart zu einer Hausbesetzung gekommen: Am Donnerstagabend haben nach eigenen Angaben rund 100 Personen einen Wohnkomplex in Bad Cannstatt in Beschlag genommen. Die mehrstöckigen Gebäude an der Ecke Daimlerstraße/Veielbrunnenweg in der Nähe des Cannstatter Bahnhofs befinden sich im Eigentum der Stadt.

Die Aktivisten begründeten ihr Vorgehen damit, dass die Gebäude seit mehreren Jahren leer stünden, obwohl die Stadt diese im Jahr 2007 erworben habe. „Mit der Besetzung soll auf die Untätigkeit der Stadt aufmerksam gemacht werden“, teilten die Aktivisten am Abend in einer Pressemitteilung mit. Zuvor hatten rund 250 Personen auf dem Stuttgarter Marktplatz gegen Wohnungsmangel demonstriert. Zu dem Protest hatte das Aktionsbündnis Recht auf Wohnen, Verdi Stuttgart und der Verein Die Anstifter aufgerufen.

Aktivisten nehmen Bezug auf die Besetzung in Heslach

Urheber der Aktion in Bad Cannstatt ist nach eigenen Angaben das „Ex-BesetzerInnenkollektiv der Wilhelm-Raabe-Straße 4“. Eine Anspielung auf eine Aktion Anfang Mai in Stuttgart-Heslach. Dort waren Ende April zwei leerstehende Wohnungen besetzt worden. Ende Mai hatte die Polizei die Aktion beendet.

Außerdem: Sehen Sie Szenen von der Hausbesetzung in Bad Cannstatt und wie die Gemeinderatsitzung durch Proteste gestört wurde im Video.

Die Hausbesetzung löste eine heftige politische Debatte aus, in die sich auch Innenminister Thomas Strobl einschaltete. Der CDU-Politiker übte heftige Kritik an den Besetzern. Nach Recherchen dieser Zeitung mischte bei der Aktion in Heslach die linksextremistische Szene mit. Das Stuttgarter Baurechtsamt hat die Eigentümer des Hauses in Heslach inzwischen aufgefordert, ihre Pläne für die beiden leer stehenden Wohnungen mitzuteilen. Es wurde ein Verfahren nach dem Zweckentfremdungsverbot eingeleitet, das seit 2016 in der Landeshauptstadt gilt.

Polizei: Keine Hausbesetzung im eigentlichen Sinne

Die Aktivisten in Cannstatt erklärten am Donnerstagabend, die Besetzung werde bis spätestens 24 Uhr wieder freiwillig beendet werden. Man feiere in und vor dem aus zwei Häusern bestehenden Wohnungskomplex am Abend ein Fest mit Live-Musik und Redebeiträgen. Auf einem Spruchband, das an der Fassade angebracht wurde, stand zu lesen: „Wohnungsnot, Verdrängung, Mietenwahnsinn – Die Stadt schaut zu, wir nicht!“ Über den Leerstand des Gebäudes hatte vor wenigen Tagen die „Cannstatter Zeitung“ ausführlich berichtet.

Die Polizei hat sich schon bald nach dem Bekanntwerden der Hausbesetzung ein Bild der Lage gemacht. Ein Sprecher wollte den Vorgang nach dem ersten Eindruck nicht als Hausbesetzung im eigentlichen Sinne bezeichnen. „Wir werten das als öffentlichkeitswirksame Aktion, die wohl im Zusammenhang mit der Demonstration in der Innenstadt steht.“ Da die Akteure erklärt hätten, dass sie wieder abziehen werden, greife man nicht ein. „Wir werden das im Auge behalten und warten ab, was geschieht“, so der Sprecher am Abend.