Haltbare Lebensmittel, aber auch Verbandsmaterial, Medikamente, Kerzen und anderes werden sortiert und verpackt. Foto: Ralf Poller/Avanti

Schüler und Lehrkräfte der Erich Kästner Realschule in Steinheim haben Spenden für die Ukraine gesammelt. Viele machen sich große Sorgen wegen des Kriegs.

Steinheim - Angst und Sorge – dieses Gefühl teilen zurzeit einige der Schülerinnen und Schüler an der Steinheimer Erich Kästner Realschule. Nicht nur diejenigen, die in der Ukraine Angehörige und Freunde haben. Die 16-jährige Giulia etwa sagt, sie habe „ein schlechtes Bauchgefühl und Angst, dass der Krieg auch hierher kommt“. Denn die Waffenlieferungen an die Ukraine hält sie, so nachvollziehbar sie auch seien, für eine weitere Provokation an Putins Adresse. Zugleich spricht aus ihr völliges Unverständnis, wenn sie sagt: „Wir haben 2022. Da ist es doch wirklich unnötig, dass ein Krieg ausbricht.“ Richtig beunruhigend findet sie, dass sich keine Lösung abzuzeichnen scheint.

Und weil sie selbst, wie etliche ihrer Mitschüler, sich so hilflos fühlt, hat sie das Bedürfnis zu helfen. Deshalb ist sie froh darüber, dass der Lehrer Uwe Maisenhölder zusammen mit der Höpfigheimerin Tina Siber, die er von der Ahrtalhilfe her kennt, eine Sammelaktion auf die Beine gestellt hat.

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Und so war die Aula der Schule den ganzen Montag über ein nur auf den ersten Blick unübersehbares Durcheinander von verschiedenen Hilfsgütern, Pappkartons, Lehrkräften und Schülern.

Die Pappkartons werden in der Landessprache beschriftet

Auf den zweiten Blick ist alles gut durchorganisiert. „Wir mussten auch nur ganz wenig zurückgeben, die meisten Leute haben sich an das gehalten, was wir auf die Liste geschrieben hatten“, sagt Maisenhölder. Die Schüler sortieren die Spenden, darunter auffallend viel Babynahrung, in verschiedene Pappkartons und beschriften sie – auf Deutsch, aber auch in ukrainischer Übersetzung und kyrillischer Schrift – das Internet macht’s möglich.

Als die 16-jährige Emilia und die 15-jährige Luisa am Montagmorgen in die Schule gekommen sind und den Trubel gesehen haben, hatten sie auch sofort das Bedürfnis zu helfen. „Unsere Lehrerin hat gleich ja gesagt, wir sollten in die Aula gehen“, sagt Emilia. Wie Giulia findet sie den Krieg in der Ukraine sehr erschreckend und hat „Panik, dass das auch zu uns kommen könnte“. Und Luisa ergänzt: „Man kennt ja die Bilder vom Krieg im Irak, aber jetzt ist es viel näher und betrifft uns irgendwie mehr.“

Der Krieg ist Thema im Unterricht

Emilia und Luisa haben von den Groß- und Urgroßeltern schon vom Krieg gehört. Ihre Oma etwa sei im Krieg geboren, erzählt Luisa, und habe ihren Vater gar nicht kennengelernt, weil der gefallen sei. Ihre Uroma habe mit den kleinen Kindern fliehen müssen – erst auf das Gebiet der späteren DDR, dann sei die Familie nochmals von dort geflohen. Auch Giulias Uroma hat den Krieg noch erlebt: „Aber sie redet nicht darüber“, sagt Giulia.

Der Krieg in der Ukraine sei auch Thema in verschiedenen Schulfächern, berichten die Schülerinnen – in Gemeinschaftskunde, Geschichte, Religion, sogar Englisch. „Die Lehrer erklären uns das auch.“ Eine der Lehrerinnen ist Jasmin Pfeiffer, die unter anderem Ethik unterrichtet. „Das ist jetzt aktiver Ethik-Unterricht“, ruft sie ihrem Kollegen Uwe Maisenhölder im Vorübergehen zu.

Die Verunsicherung ist groß

„Ja, klar“, bestätigt sie auf Nachfrage. „Wir wollen das für die Schüler lebensnah machen, indem sie helfen. Und natürlich reden wir auch darüber, was man tun kann.“ Viele seien verunsichert, hat auch sie festgestellt. „Wir haben einige Schüler mit russischem Migrationshintergrund“, erklärt sie. Vom Kultusministerium sei man extra mit Arbeitsmaterial – Arbeitsblätter, Filme und Ähnlichem – versorgt worden. „Das war schon vor den Ferien so.“

Der Schulleiter Ulrich Laumann habe den Lehrkräften den Auftrag gegeben, den Krieg in der Ukraine zu thematisieren und bei Gesprächsbedarf zur Verfügung zu stehen, ergänzt Maisenhölder. Er selber ist besonders berührt: Ein ehemaliger Schüler von ihm lebt in der Ukraine. Er habe zusammen mit anderen Schülern aus Russland und Weißrussland die Tennisakademie in Murr besucht; inzwischen seien alle wieder zu Hause. Man halte aber immer noch über WhatsApp und Instagram Kontakt. Vor wenigen Tagen habe der junge Mann angefragt, ob man nicht Hilfe schicken könne. Er selber lebe zwar nahe der ungarischen Grenze, und die Kampfhandlungen seien etwa 800 Kilometer entfernt, doch kämen viele Flüchtlinge in den Ort. „Und er und seine Eltern helfen dabei, das zu koordinieren“, erklärt der Lehrer. Der ehemalige Schüler habe angeboten, dass sein Vater einen Lkw aus Prag schicken könne, um die Hilfsgüter abzuholen. „Die Familie ist recht gut betucht“, sagt Maisenhölder.

Wichtig ist ihm aber auch, dass nun nicht „die Russen“ als Feindbild aufgebaut werden. „Ich war bei der WM in Russland und habe die Bevölkerung als sehr herzlich erlebt. Das mit dem Krieg sind nur ein paar Größenwahnsinnige.“