Kippen-Sammelaktion beim Rathaus in Marbach (von links): Eva Kissel von der Marbacher Nachhaltigkeitsgruppe und Andrea Lehning vom Umweltverband BUND Marbach-Bottwartal. Foto: Avanti/Ralf Poller

Die Nachhaltigkeitsgruppe Marbach hat am Samstag in der Marktstraße auf die Umweltproblematik von Zigarettenstummeln aufmerksam gemacht. Das gesammelte Material soll zu Aschenbechern recycelt werden.

Marbach - In der Marktstraße in Marbach herrscht am Samstagvormittag Hochbetrieb. Nicht nur die Marktbeschicker bieten ihre Waren auf dem Wochenmarkt an, auch die politischen Parteien werben an diversen Ständen um die Aufmerksamkeit der Fußgänger. Ungewöhnliches tut sich derweil vor dem Rathaus: Eva Kissel und Daniel Kühn von der Nachhaltigkeitsgruppe Marbach stehen dort mit dem Lastenrad Charlotte. Sie möchten auf ein drängendes, aber wenig bekanntes Umweltproblem aufmerksam machen: achtlos weggeworfene Zigarettenkippen. Zu diesem Zweck haben sie ein paar Schilder aufgestellt, die aufrütteln sollen: „Eine Kippe verschmutzt bis zu 60 Liter Grundwasser“ steht auf einem, „Zigarettenmüll ist Giftmüll“ auf einem anderen.

Von zehn Zigaretten landen acht im Abfall

„Acht von zehn Zigaretten landen nicht im Müll, sondern auf der Straße“, erklärt Eva Kissel. Sie seien damit das Abfallprodukt, das am häufigsten weggeworfen würde. Die Filter bestünden aus Plastik, ihre Zersetzung könne bis zu 200 Jahre dauern. Zudem enthielten diese jede Menge Giftstoffe. Die Nachhaltigkeitsgruppe will an diesem Samstagvormittag zur Kippenjagd aufrufen, passend zum weltweiten „Cleanup Day“ und mitten in den baden-württembergischen Nachhaltigkeitstagen, die vom 17. bis zum 20. September dauern. Unterstützt werden sie dabei vom BUND Marbach-Bottwartal, dem Lastenrad Marbach und der Fairtrade-Gruppe.

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Eva Kissel und Daniel Kühn sind mit gutem Beispiel vorangegangen: Erstere hat schon auf der Schillerhöhe Kippen eingesammelt, Letzterer auf dem Weg vom Bahnhof zum Rathaus. Einer der ersten, die am Samstagmorgen vorbeischauen, ist der Stadtrat Hendrik Lüdke (Puls). „Die Strecke bis zur Wendeplatte ist jetzt sauber“, erklärt er und kippt den Inhalt eines Joghurtbechers in einen großen Eimer, in dem die Zigarettenabfälle gesammelt werden. „Aber es geht ein bisschen ins Kreuz“, ergänzt er.

Eine Greifzange erleichtert das Sammeln

Doch daran soll es nicht scheitern: Bei Bedarf drücken die Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe den Sammlern nicht nur Handschuhe und einen Becher, sondern auch eine lange Greifzange in die Hand, so dass sich die Kippen auch im Stehen aufklauben lassen. „Wobei das Bücken ja auch einen sportlichen Aspekt hat“, sagt Eva Kissel augenzwinkernd.

Die Idee zu dieser neuen Aktion sei bei einem Treffen der Nachhaltigkeitsgruppe im Juli entstanden, führt sie weiter aus. Anfang 2020 sei der Plan entstanden, ein Plogging-Projekt ins Leben zu rufen, bei dem beim Joggen Müll eingesammelt wird. Diese Idee sei in Schweden entstanden, allerdings habe der Plan wegen der Coronapandemie nicht umgesetzt werden können. Nun habe man sich auf diese einfachere Aktion verständigt.

Kippen landen häufig in Ritzen

Nach einer Stunde stößt Andrea Lehning vom Bund Marbach-Bottwartal dazu. Auch sie bringt einen Becher voller Kippen mit, die sie auf dem Weg vom Kirchenweinberg zum Rathaus eingesammelt hat. „An Bänken, Fußgängerüberwegen, Aussichtsplattformen und Bushaltestellen liegen die meisten Kippen rum“, lautet ihre Erfahrung.

Eine besondere Herausforderung seien zudem die gepflasterten Straßen und Gassen in der Altstadt. „Bei der Aktion ,Bunte Besen kehren besser‘ vor einigen Jahren hat man gesehen, dass die Kippen beim Zusammenkehren gern in den Ritzen zwischen den Steinen verschwinden“, erzählt sie.

Aus Kippen werden Aschenbecher

Am Ende der Aktion am Samstagmittag freuen sich die Beteiligten darüber, dass ein Zehn-Kilogramm-Ketchup-Eimer mit Kippen voll geworden ist. Andreas Sieber wird die gesammelte Kippen-Ladung in seinem Lastenrad zu einer Sammelstation nach Stuttgart fahren. Von dort werden sie zur Firma Tobacycle nach Köln gebracht, die aus den Kippen kleine Aschenbecher zum Mitnehmen herstellt.

Andrea von Smercek von der Fachstelle für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt ist begeistert von der Aktion. „Vielleicht wird vielen Rauchern jetzt klar, dass das Wegschnippen von Kippen keine Kleinigkeit ist“, sagt sie. Eva Kissel wäre schon sehr zufrieden, wenn die Aktion den ein oder anderen zum Nachdenken bringt.

Gifte und Schwermetalle

Schadstoffe
 Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden weltweit jedes Jahr 4,5 Billionen Zigarettenkippen achtlos weggeworfen. In den Stummeln sind neben Nikotin viele Gifte und Schwermetalle enthalten: Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium, Formaldehyd, Benzol und polyzyklische Wasserstoffe finden sich vor allem im Filter. Der Filter ist ohnehin ein großes Problem: Er besteht aus dem Kunststoff Celluloseacetat.

Umweltgefahr
Je nach äußerem Umfeld dauert es bis zu 15 Jahren, bis sich der Filter zersetzt, im Salzwasser bis zu mehreren hundert Jahren. Umweltgefährdend ist es auch, wenn die Stummel nass werden: 50 Prozent des in Zigarettenfiltern enthaltenen Nikotins werden bereits nach 30 Minuten Regen herausgelöst. Pro Kippe gelangen zwei bis sechs Milligramm Nikotin in die Umwelt. Laut EU sind bereits Tabakabfälle mit 0,5 Milligramm Nikotin als gefährlich einzustufen.