Ergun Can schnitzt aus Lindenholz eine Hexenmaske Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Ergun Can macht in rund 30 Stunden aus Lindenholz Hexenmasken – Einige sind im Foyer des Alten Schlosses ausgestellt

Stuttgart - Holz ist sein Element. Ergun Can erweckt es zum Leben. Unter seinen Händen verwandelt sich gerade ein Stück Lindenholz zu einer Hexenmaske. Beruflich hat der Stuttgarter mit Metall zu tun. „Holz ist anders als Metall. Es ist warm, man kann es fühlen und riechen“, sagt Ergun Can.

Normalerweise werkelt er in seiner Freizeit in der Werkstatt in Degerloch, doch am Samstag hat er seine Schnitzeisen und den Klöpfel mit ins Landesmuseum Württemberg gebracht. Hier können die Besucher zuschauen, wie eine Maske für die Zunft der Falken-Hexen Schramberg entsteht. Er arbeitet Stirn, Wangen, Augen und Mund heraus. Erst am Schluss wird die Maske ausgehöhlt und dann bemalt. Sie wiegt zwischen 250 und 300 Gramm. Rund 30 Stunden Arbeit stecken in jedem Gesicht aus Holz. Der Vertriebsingenieur benutzt zum Schnitzen am liebsten Lindenholz, das wenig zum Splittern neigt, und passt die Masken individuell an. So drücken sie nicht, und der Träger kann damit tagelang auf den Straßen herumtanzen.

Als Schüler bei einem Schnitzer in die Lehre gegangen

Einige seiner schönsten Werke sind im Foyer des Alten Schlosses in der Präsentation „Mein schwäbisches Ich“ ausgestellt. Aus einer Glasvitrine lächelt den Besuchern sein Erstling mit nur einem Zahn entgegen, den er mit 15 Jahren geschnitzt hat. Die Maske ist rotbraun bemalt, trägt ein rot-weiß getupftes Kopftuch und das markante Nasenprofil, das alle seine Hexen auszeichnet. Bei den Augen und dem Mund variiert er den Charakter, und auch die Warzen sind unterschiedlich verteilt. Im Innern befinden sich die Jahreszahl 1975 und die Signatur EC.

Entstanden ist die Idee bei einem Projekt an der Hauptschule in Schramberg mit zwei Freunden. Bei einem Schnitzer lernten sie in dessen Atelier die Kunst, sich selbst eine Maske zu fertigen. Die schwäbisch-alemannische Fastnacht hat auf den damaligen Teenager eine große Faszination ausgeübt. Es wuchs die Lust, selbst mit einer Gruppe am Umzug mitzumachen. Ein klassisches Hansel-Kostüm kostete damals 2000 Mark – viel zu teuer für die Schüler. Mit den Falken-Hexen gründeten sie ihren eigenen Verein, der heute 150 Mitglieder hat und ein fester Bestandteil der Schramberger Fasnet ist. Die Masken stehen unter anderem auch symbolisch für gelebte Integration. „Ich war an Fasnet in jedem Haus oder jeder Wohnung in Schramberg und hab’ viele Leute kennengelernt“, sagt der 59-Jährige, der mit fünf Jahren aus Istanbul in den Schwarzwald gekommen war. Mit seinem Hobby fühlt er sich schon als Exot. „Ich habe noch keinen anderen Maskenschnitzer mit einem nicht christlichen Hintergrund gefunden“, sagt der Vater einer Tochter.

Preis von 80 Mark auf 800 Euro geschnellt

Um sich sein Studium zu finanzieren, hat er immer wieder eine Maske für etwa 80 Mark verkauft. Heute muss man 800 Euro investieren, wenn man eine von Cans Kunstwerken bekommen will. „Leider habe ich im Moment zu wenig Zeit und freue mich schon, wenn ich dann mal drei bis vier Stunden am Stück an einem Stück Holz arbeiten kann“, sagt Ergun Can. Die achtjährige Lina streicht gerade vorsichtig über den Rohling und ist ebenso fasziniert von den Falken-Hexen wie Ursula Erl. Sie ist erst im Februar von der Narrenhochburg Rottweil nach Stuttgart gezogen und in der eher pietistisch geprägten Landeshauptstadt in Sachen Fastnacht noch nicht fündig geworden. Deshalb geht sie am Montag zum Narrensprung zurück in die Heimat und will auch den Falken-Hexen beim Umzug in Schramberg einen Besuch abstatten. Als Ergun Can 1986 nach Stuttgart gezogen ist, war das auch für ihn in Sachen Fastnacht eine eher frustrierende Erfahrung. Inzwischen ist er Mitglied beim Karnevalsclub Möbelwagen. Einmal Narr. Immer Narr.