Der „schiefe Turm von Pisa“ – vor dem Einsturz Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Bildungspolitik ist in aller Munde. Jetzt melden sich Schüler zu Wort. Auf dem Schlossplatz machen sie eine Aktion, die große Resonanz bei Passanten findet: Sie bauen aus Schulbüchern den schiefen Turm von Pisa, der einstürzt. Was soll das bedeuten?

Stuttgart - Taschenweise haben sie alte Schulbücher mitgebracht. „Erfolg im Mathe-Abi“, „Biologie des Menschen“ und „Was junge Leute wissen wollen“ lauten einige der Titel. Ein wüster Haufen zunächst, der nun Stück für Stück zu einem breiten, mannshohen Turm hochgestapelt wird. Allerdings nur für eine kurze Zeit, denn dieser „schiefe Turm von Pisa“ wird postwendend zum Einsturz gebracht: Eine symbolische Aktion, die veranschaulichen soll, „dass wir in der Schule mit Stoff überhäuft werden, den wir schon bald nach den Prüfungen wieder vergessen haben“, erklärt Simon Marian Hoffmann. Er ist der Vorsitzende des jüngst in Stuttgart gegründeten Vereins „Demokratische Stimme der Jugend“, der die Aktion auf dem Schlossplatz veranstaltet hat. In Pisa-Studien wird die Leistung der Schüler verglichen.

Was läuft schief an der Schule?

Was nach Meinung der Akteure noch schief läuft in der Schule, das zeigen sie in einer Performance, bei der ein „Angstzug“ in weißen Overalls junge Leute durch verschiedene, mit Zellophan verhängte Kästen treibt. Mit hängende Köpfen und Schultern steht eine taub wirkende Gruppe da. In Zeitlupe wird am Boden gerungen und gezuckt, andere kauern in Ecken, isoliert und angstbedrückt. „Schule macht krank,“ sagt eine Elftklässlerin vom Königin-Katharina-Stift. „Der Druck, immer gut zu sein, ist viel zu krass“, meint eine Zehntklässlerin vom Wagenburg-Gymnasium.

Malina Bar-Lev, eine 20-jährige Politik-Studentin, hat sich die Performance ausgedacht. Ein Leitgedanke dabei: „Der Schule fehlt es an Freiheit. Sie basiert auf einem deformierenden Menschenbild, in dem nur der Erfolg zählt. Von Anfang an wird man in Schubladen gesteckt, aus denen man nicht mehr heraus kommt“, sagt sie.

Es gehe darum, „Bildung neu zu denken“, sagt Hoffmann und betont: „Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, das Potenzial der Jugend zu brechen und zu verschwenden. Wir brauchen keine Schule, die auf Egoismus trimmt und eine skrupellose Elite nach vorne bringt, sondern eine Schule, die neben Leistungsbereitschaft auch die Empathie und das Sozialgefühl für eine solidarische Gesellschaft fördert.“

Eine Lehrerin stimmt zu

Und was ist die Vision? „Stell dir vor, es ist Schule – und alle gehen gerne hin“, sagt Hoffmann. Auf die Aktion werden viele Passanten aufmerksam. Eine Lehrerin bleibt stehen und sagt: „In der Schule geht unterwegs so vieles verloren, vor allem die Freude am Lernen. Die jungen Leute haben recht. Es ist gut, dass sie sich rühren.“