Seit der Finanzkrise hat sich das Misstrauen gegenüber Aktien in Deutschland noch verstärkt Foto: dpa

Gerade mal 8,4 Millionen Deutsche besitzen Aktien oder Aktienfonds – das sind 13,1 Prozent der Bevölkerung.

Stuttgart - Michael Völter ist Optimist. Der neue Börsenchef in Stuttgart nennt das Glas halbvoll. „Unsicherheit und Vorurteile prägen das Verhältnis der Deutschen zur Aktie“, weiß er. Doch nach Auswertung der Studie des Deutschen Aktieninstituts und der Börse Stuttgart sieht Völter ein Basiswissen in der Bevölkerung vorhanden, auf das sich aufbauen lässt. „Wir geben die Hoffnung nicht auf. Da ist noch viel Potenzial nach oben“, sagt Völter, der seit kurzem Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse ist – der Muttergesellschaft der Börse Stuttgart.

Einfach wird es nicht, die Aktienkultur in Deutschland zu drehen. Seit der Finanzkrise hat sich das Misstrauen gegenüber Aktien hierzulande noch verstärkt. Nach der Studie, die auf einer repräsentativen Umfrage zu Beginn des Jahres fußt, denkt knapp ein Drittel der Befragten heute schlechter über Aktien als vor der Finanzkrise 2008. Lediglich drei Prozent haben eine bessere Meinung. Dabei wäre derjenige gut gefahren, der am Tag des Lehman-Konkurses am 15. September 2008 Aktien gekauft habe, sagt Gerrit Fey vom Deutschen Aktieninstitut. „Wer damals gekauft hat, kann sich gemessen an der Entwicklung des Dax über ein Vermögensplus von fast 100 Prozent freuen.“ Offenbar prägen heftige – wenn auch vorübergehende – Kursstürze die Menschen deutlich stärker als die objektiv sehr gute Rendite und die positive Langfristentwicklung am Aktienmarkt, so die Autoren der Studie.

Gerade mal 8,4 Millionen Deutsche besitzen Aktien oder Aktienfonds, das sind 13, 1 Prozent der deutschen Bevölkerung. 2013 waren es noch 8,9 Millionen Anleger oder 13,8 Prozent. Nur gut sieben Prozent des Geldvermögens liegen in Aktien. Dabei sei wissenschaftlich bewiesen, so Völter, dass eine Geldanlage in Aktien bzw. Aktienfonds langfristig mehr Rendite bringe als andere Anlageformen.

Als folgenschwere Fehleinschätzung bezeichnen die Autoren der Studie das Vorurteil, dass die Aktienanlage gute beziehungsweise ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse voraussetzt und bei kleineren Beträgen nicht sinnvoll ist.

Völter fordert deshalb, dass die Politik mehr für die ökonomische Allgemeinbildung tun soll. Das neue Schulfach Wirtschaft, das in Baden-Württemberg eingeführt wird, sei ein guter Ansatz. Völter und Fey kritisieren zudem die hohe Besteuerung der Aktienanlage, da nicht nur Abgeltungsteuer anfalle, sondern auf Unternehmensebene auch Körperschaft- und Gewerbesteuer. Auch könne eine Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung wie in den USA, wo Beschäftigte Teile ihres Einkommens steuerbegünstigt in Aktien anlegen können, die Einstellung zu Aktien verbessern. Von Nachteil sei auch, dass sich Banken und Sparkassen aufgrund von Dokumentationspflichten aus der Aktienberatung zurückziehen.

In Deutschland fehlt eine Lobby für die Aktienanlage, sagt Fey. Seit der Finanzkrise seien die Kapitalmärkte von der Politik in eine Schmuddelecke gestellt. „Da müssen sie raus.“