Elke aus dem Moore will wieder unabhängig arbeiten Foto: eadm/Victoria Tomaschko

Nach nur fünf Jahren verlässt Elke aus dem Moore, Direktorin der Akademie Schloss Solitude, die Künstlerfördereinrichtung wieder. Was bleibt? Wir haben nachgefragt.

Gefühlt ist Elke aus dem Moore für viele Wegbegleiter der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart noch immer „die Neue“ an der Spitze der international ausgerichteten Fördereinrichtung des Landes Baden-Württemberg für herausragende junge Künstlerinnen und Künstler. Kein Wunder – Gründungsdirektor Jean-Baptiste Joly formte die Akademie bis 2018 rund 30 Jahre.

Neue Ziele

Doch am Dienstagabend kurz vor 20 Uhr versendet die 1965 geborene Literatur- und Kunstwissenschaftlerin Elke aus dem Moore eine überraschende Botschaft: „Es war mir eine große Freude, fünf Jahre lang die Akademie Schloss Solitude als Direktorin in einer Zeit des Wandels zu leiten. Mit der erfolgreichen programmatischen Neuausrichtung und Öffnung der Institution für neue Akteur*innen und Partner*innen verabschiede ich mich, um neue berufliche Wege einzuschlagen.“

Wirkt Kunst in die Gesellschaft?

Die Nachricht überrascht offenbar auch das Team der Akademie Schloss Solitude. Am Mittwochmorgen sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eilends versammelt. Noch am späten Vormittag wird dann eine offizielle Information verschickt – keine nachrichtliche Mitteilung aber, sondern eine Einladung zu „einer Veranstaltung zur Reflexion der programmatischen Direktion von Elke aus dem Moore“.

Und auch dies darf man getrost als Hinweis auf das Selbstverständnis der Solitude-Direktion seit Mai 2018 sehen: „Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die institutionellen Öffnungsprozesse und die transdisziplinäre künstlerische Forschung als Zukunftslabor an der Akademie Schloss Solitude.“

Wege einer Kuratorin

Überraschung hin oder her – mit ihrem Abschied als Solitude-Direktorin bleibt sich Elke aus dem Moore ein gutes Stück treu. 1999 bis 2002 als Kuratorin für zeitgenössische Kunst an der Shedhalle Zürich tätig, verantwortet sie von 2003 bis 2006 das Ausstellungsprogramm im Künstlerhaus Stuttgart. Ein ganzes Jahrzehnt agiert sie von 2008 bis 2018 als Leiterin der Abteilung Kunst im Institut für Auslandsbeziehungen. Der jüngste biografische Eintrag lautet nun: Direktorin der Akademie Schloss Solitude von Mai 2018 bis Dezember 2022.

Seit 1990 internationale Bühne für Kunst und Wissenschaft: Akademie Schloss Solitude Foto: ass

Und nun? „Die Verbindung von Kunst und Gesellschaft ist mir ein großes Anliegen“, schreibt Elke aus dem Moore, im vergangenen Sommer auch Kuratorin der 15. Triennale Kleinplastik in Fellbach, „und diesem werde ich mich in Zukunft noch stärker widmen“. Schon bei ihrem Antritt auf Solitude hatte sie als Gast der Gesprächsreihe „Über Kunst“ unserer Zeitung gefordert: „Der Kolonialismus im Denken muss aufhören.“ Nun sagt sie: „Die Folgen des Kolonialismus sind zentral und spürbar im internationalen Kulturaustausch. Ohne eine Aufarbeitung der gewaltvollen Taten und einer Reparierung kann es nicht zu einer ,Heilung’ und damit gleichberechtigten Beziehungen kommen.“

Nicht nur vor diesem Hintergrund ist das Namibia-Stipendium zu sehen: „Gemeinsam mit der National Art Gallery of Namibia und dem Goethe-Institut Namibia organisiert die Akademie Schloss Solitude seit 2020 das Namibia-Deutschland-Stipendium im Rahmen der Namibia-Initiative des Landes Baden-Württemberg.“

Aufarbeitung ist für Elke aus dem Moore jedoch nur eine Seite in der Themenleitlinie Dekolonialisierung. Mindestens so wichtig ist ihr auch hier die Frage der sich über direkte internationale Kontakte multiplizierenden Informationen. „Bildung“, sagte Elke aus dem Moore 2019 unserer Zeitung, „muss neu gedacht werden.“ Und: „Gerade in der künstlerischen Forschung sehe ich eine große Bereicherung für die Zukunft unserer gesellschaftlichen Entwicklung.“ Wichtig sei, ergänzt sie nun: „Ein Lernen, dass das bereits bestehende Wissen aller Beteiligter miteinbezieht und nicht das Wissen der Expert*innen in den Vordergrund stellt.“

Solitude auf dem Prüfstand?

Ist groß zu denken für Elke aus dem Moore auch ein Stück kulturpolitisches Programm? „Wir planen, neue Publikumskreise anzusprechen“, sagte sie 2019 – und nannte als Thema „Solitude als virtuelle Akademie“ sowie den Versuch, „stärker in die Herkunftsländer der Stipendiatinnen und Stipendiaten zu wirken – unter dem Dach einer ,roaming academy’“. Genau hier setzt Elke aus dem Moore denn auch den Schlusspunkt ihrer Debatten über Solitude als „Künstlerresidenz“: „Roaming Moments“ ist das Einladungstreffen zum Abschied am 14. Dezember überschrieben. Die Akademie Schloss Solitude, ein international beispielloses Projekt disziplinübergreifenden Arbeitens, steht wieder vor einem Neustart – und damit vielleicht zugleich auch auf dem Prüfstand? Für Baden-Württembergs Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) ist dies keine Frage. „Die Akademie Schloss Solitude“, sagt Olschowski am Mittwoch, „ist eine Residenz für Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt, sie setzt international den Maßstab als Fördereinrichtung für Kunst und Wissenschaft und ist zugleich ein vorbildlicher Ort des Austausches“.

Vibrieren zwischen den Zeilen

Und doch bleibt nach Elke aus dem Moores überraschenden Abschiedszeilen eine spürbare Spannung bei allen Beteiligten. In gewisser Weise hat die scheidende Solitude-Direktorin mit ihrem Titel für die 15. Triennale Kleinplastik in Fellbach die Situation vorweggenommen. Er lautete: „Die Vibration der Dinge“.

Das ist die Akademie Schloss Solitude

Was?
 Die Akademie Schloss Solitude vor den Toren von Stuttgart ist ein internationales Artist-in-Residence-Programm, das seit seiner Gründung 1990 mehr als 1600 junge Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 120 Ländern gefördert hat. Es bildet für die internationale Kunstszene ein wichtiges globales und transdisziplinäres Netzwerk.

Wie?
 Ein über eine Jury-Entscheidung definierter Aufenthalt an der Akademie Schloss Solitude „ermöglicht den Stipendiatinnen und Stipendiaten, sich unter guten materiellen und intellektuellen Bedingungen ihren Arbeitsvorhaben zu widmen“.