Öner Durmaz bezeichnet sich als nicht so richtig türkisch. Foto: Natalie Kanter

In Leinfelden-Echterdingen gibt es mehrere Helferkreise. Einer davon ist der AK Asyl. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden, der sich selbst als „nicht so richtig türkisch“ sieht und sagt, was seiner Meinung nach für eine Integration maßgeblich ist.

L.-E. - Die Eltern von Öner Durmaz sind vor Jahrzehnten von der Türkei nach Deutschland gezogen. Eigentlich wollten sie nur wenige Jahre bleiben. Der Sohn leitet nun den Arbeitskreis Asyl in L.-E. Wir haben den 38-Jährigen gefragt, wie Integration gelingen kann.

Herr Durmaz, was antworten Sie auf die Frage: woher kommen Sie ursprünglich?

Ich antworte, dass meine Eltern aus der Türkei kommen und ich aus Günzburg. Ich erkläre meist dann auch gleich, dass ich nicht so richtig türkisch bin.

Was heißt das?

Viele, die ich kennengelernt habe, sind der Meinung, dass sich Türken auffällig verhalten. In Günzburg gab es beispielsweise Türken, die zu schnell mit getuntem Auto unterwegs waren oder nur im Unterhemd herumliefen. Meine Eltern aber haben mir beigebracht, mich so zu integrieren, dass man nicht auffällt.

Nerven Sie diese Fragen?

Nein, das ist normal. Ich frage ja auch, wenn ich jemanden kennenlerne, der einen bayerischen Slang hat, woher er kommt.

Fühlen Sie sich integriert?

Ja. Die Stadt L.-E. strengt sich auch massiv an, so dass sich Leute integrieren.

Was genau bedeutet für Sie Integration?

Da muss ich den Informatiker auspacken. Wenn Sie ein altes Handy besitzen, wissen Sie, welchen Knopf Sie drücken müssen. Mit einem neuen Handy müssen Sie, um Vorteile daraus zu ziehen, sich auf die neuen Funktionen einlassen. So auch beim neuen Nachbarn, der eine neue Kultur mitbringt. Er kocht anders, redet anders. Sich gegenseitig so aufeinander einzulassen, dass man daraus auch Vorteile ziehen kann, das ist Integration.

Was hilft Flüchtlingen dabei?

Man braucht jemanden, der sich kümmert. Der von Anfang bis Ende hilft, beispielsweise beim Spracherwerb, beim Kennenlernen der Stadt. Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer sind dabei das A und 0. Im Türkischen sagt man im Übrigen nicht ehrenamtlich, sondern von Herzen aus.

Warum haben Sie sich für die Flüchtlingsarbeit interessiert?

Der Grund war meine Frau. Sie arbeitet in einer Firma, die neben dem Echterdinger Renault-Gelände liegt. Sich zurückzulehnen und via Facebook zu posten, ein Flüchtlingscamp an dieser Stelle gefällt mir gar nicht, war nicht mein Ding. Ich wollte sehen, was dort tatsächlich passiert, wie sich die Flüchtlinge anstrengen.

Sie leiten den AK Asyl seit Ende 2015. Was war in dieser Zeit das schönste Ereignis?

Bereits 2016 hat mich ein Flüchtling mit „Guten Tag Herr Öner“, angesprochen. Der Mann konnte also schon Deutsch. Wir haben uns unterhalten können. Das war ein sehr schönes Erlebnis.

Gibt es auch ein schlechtes Erlebnis?

Ich hatte an einem Samstagmorgen um 10 Uhr einen Termin mit einem Flüchtling. Ich war voller Tatendrang. Er aber lag noch im Bett, hatte in der Nacht Schlaftabletten genommen, weil er seine Frau verloren hatte. Da habe ich meine Lektion gelernt: Die Flüchtlinge, die hier herkommen, bringen ein großes Päckchen mit. Im Anschluss bin ich anders auf den Mann zugegangen.

Welche Schwierigkeiten gibt es in L.-E.?

Ein Problem sind sicher die vielen unterschiedlichen Helferkreise in L.-E. Ich werde auch gefragt, warum wir uns nicht einfach vereinen. Eine Organisation funktioniert aber nur, wenn die Teams klein und dynamisch sind. Es gibt ja auch mehrere Sportvereine, Kindergärten und Kirchen in einem Ort. Es würde aber helfen, wenn sich die Helfer allesamt mit Toleranz gegenübertreten.

Der AK Asyl gilt im Gegensatz zu anderen als stadtnah? Wie erklären Sie sich das?

Ich finde, die Stadt ist supernett, bietet den Ehrenamtlichen einiges. Da kann man nicht mehr verlangen. Die Jungs ticken gut. Deshalb sind wir so nah, wie es geht.

Die Stadt hat in Echterdingen, an der Hauptstraße 109, Räume zur Verfügung gestellt. Der Arbeitskreis Asyl bietet dort ein Haus der Integration an. Was passiert dort?

Jeden Freitagabend können Flüchtlinge dort Tischkicker spielen, Tee kochen, sich mit Deutschen austauschen. In den Räumen finden Sprachkurse statt. Wir bieten eine Sprechstunde an. Im Keller werden Fahrräder hergerichtet. Einheimische können sehen, wie die Jungs ticken. Mancher Flüchtling musste aber auch lernen, dass man einer deutschen Frau die Hand schüttelt, ohne dass man sich im Anschluss gleich Hoffnung auf mehr machen kann.

Sie teilen sich diese Räume mit anderen Helferkreisen. Das bringt sicher auch Konflikte?

Ja, mehr oder weniger. Manchmal ist der Boden dreckig. Gleichklingende Angebote der Helferkreise können die Flüchtlinge mitunter auch verwirren – aber sie gehen eben dorthin, wo es ihnen gefällt.

Die Flüchtlingsunterkunft auf dem Renault-Gelände sollte eigentlich ihre Pforten schließen. Dennoch scheint dort immer noch jemand zu wohnen...

Ja, die Stadt hat ein paar Container übrig gelassen, für Menschen, die sonst keine Unterkunft finden. Aber zumindest die Zelte sind weg. Diese Unterkunft war uns ein Dorn im Auge. Die Bewohner haben sich auch immer wieder beschwert. Es gab dort Ratten und Mäuse. Wir haben Fallen aufgestellt. Ein Kammerjäger kam vorbei. Die Maßnahmen haben aber nicht viel geholfen. Wir haben mit der Stadt gesprochen und angedroht eine Demo zu veranstalten, wenn das Ding nicht zugemacht wird.

Die Zahl der Flüchtlinge geht derzeit stark zurück. Was ändert sich dadurch?

Es gab seit 2015 viele Veränderungen. Eine davon: Die Flüchtlinge sind immer mehr dezentral untergebracht. Das macht die Arbeit schwerer. Auch die Zahl der Helfer, die zu den gemeinsamen Treffen kommen, ist zurückgegangen. Aber immer mehr Flüchtlinge ergattern Jobs. Das läuft.

Ihr Arbeitskreis hat sehr viele Untergruppen: Wo werden zusätzliche Helfer benötigt?

Im Café-Team und im Spenden-Team brauchen wir Unterstützung. Auch wenn jemand einem Flüchtling Deutsch beibringen will, ist er herzlich willkommen. Den Kontakt stelle ich gerne her.

Was sind aktuelle Projekte?

Wir bereiten für Mitte September ein Kochevent vor. Ein Flüchtling kocht. Die Teilnehmer lernen nicht nur, woher das Rezept kommt, sondern auch wie der Mann lebt und gelebt hat.