Nächtlicher Flugverkehr auf dem Flughafen ist teuer geworden. Das Geld fließt in die Infrastruktur und in Verringerung des CO2-Ausstoßes. Foto: Archiv/Achim Zweygarth

Der Flughafen Stuttgart hat Gebühren für veraltete Flugzeuge und für nächtliche Flüge drastisch erhöht. Das Geld fließt unter anderem in die Erforschung synthetischer Treibstoffe und in Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen.

Vaihingen/Echterdingen - Der Fluglärm auf den Fildern treibt die Menschen um. „Seit dieser Woche werden wir massiv von Flugzeugen gestört, die unseren Wohnbereich im Fünf-Minuten-Takt überfliegen“, schrieb uns eine Leserin unserer Zeitung aus Vaihingen Ende Januar. Besonders häuften sich die Flüge in der Zeit von 6.25 bis nach 7 Uhr. Danach sei sie bei der Arbeit und könne die Flughäufigkeit nicht mehr notieren, aber ab 21 Uhr häuften sich die Flüge erneut bis circa 21.30 Uhr. „Ich wohne hier seit mehr als 50 Jahren, aber das habe ich noch nicht erlebt. Am Montag dachte ich, das Flugzeug stürzt gleich auf unser Haus ab“, schrieb sie. Bisher habe sie keine Lärmschutzfenster gebraucht, „aber, wenn Vaihingen derart massiv überflogen wird, werden sie hier wohl bald bitter nötig werden“.

Im Flugerwartungsgebiet ist die Zahl der Flüge nicht begrenzt

Auch mit einem Schreiben an Markus Portisch, den Lärmschutzbeauftragten des Flughafens Stuttgart, hat die Vaihingerin ihrem Ärger Luft gemacht. In seiner Antwort verwies Portisch darauf, dass wegen Sicherheitsabstände pro Stunde maximal 34 Starts auf dem Flughafen erfolgten. „Die Zahl der Flugbewegungen befand sich 2006 und 2007 auf ihrem historischen Höchstwert. Von 2008 bis 2017 nahmen die Bewegungen um satte 35 Prozent ab, 2018 um vergleichsweise geringe 7,7 Prozent zu, und 2019 dürfte die Zunahme nur noch um die vier Prozent liegen“, teilte Portisch mit. Jetflugzeuge dürften am Flughafen Stuttgart in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr starten. Landen sei von 6 Uhr bis 24 Uhr möglich. In diesen Zeiträumen sei die Anzahl der Flüge nicht begrenzt. Vaihingen liege innerhalb eines Flugerwartungsgebiets, über dem Flüge rechtmäßig erfolgten.

Am Landesflughafen herrscht kein generelles Nachtflugverbot

Flüge am frühen Morgen sind lästig, nächtliche Flüge stören den Schlaf. Letztere haben den Landtagsabgeordneten Andreas Kenner (SPD) beschäftigt. Am 11. Juni 2019 richtete er eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Er wollte wissen, welche und wie viele Ausnahmen für Nachtflüge es auf dem Stuttgarter Flughafen gebe. Am 9. Juli antwortete ihm Landesverkehrsminister Winfried Hermann. Dieser wies darauf hin, dass es kein generelles Nachtflugverbot gebe. Ausnahmen gelten für Nachtluftpostdienst, für Not- und Ausweichmanöver, Vermessungsflüge der Flugsicherung, für Flüge aus meteorologischen, technischen, medizinischen oder sonstigen Sicherheitsgründen und für den Katastrophenschutz. Im Jahre 2018, schrieb Hermann, habe die Nachtluftpost 961-mal diese Ausnahmen genutzt, 23 Flüge erfolgten für den Katastrophenschutz oder aus medizinischen Gründen. Außerdem gab es 159 weitere Einzelfall-Ausnahmegenehmigungen und darüber hinaus noch 25 Flüge von Propeller- und 58 von US-Militärflugzeugen.

Neue Entgeltordnung verteuert nächtliche Flüge

Interessant ist Winfried Hermanns Verweis auf die neue Entgeltordnung, die am 1. Juli 2019 in Kraft getreten ist. Danach ist für Starts und Landungen ab 22 Uhr 100 Prozent Zuschlag auf das Lärmentgelt fällig, ab 23 sind es 200 Prozent und ab 24 bis 6 Uhr sogar 300 Prozent: „Die Landesregierung sieht in dieser Entgeltregelung einen wirksamen Anreiz, möglichst auf Flüge in den lärmsensiblen Zeiten zu verzichten“.

Auf die Frage, ob dies der Fall sei und wofür die Einnahmen aus den Zuschlägen verwendet würden, sagt eine Flughafensprecherin: „Alle Anreize der neuen Entgeltordnung wie die Förderung von elektrischem Fliegen oder die Verwendung von alternativem Kerosin sind auf langfristige Wirkung ausgelegt.“ Mit der bisher kurzen Laufzeit der neuen Regelung lasse sich noch keine aussagekräftige Statistik erstellen, „zumal das Vergleichsjahr 2018 wegen zahlreicher Sondereffekte, darunter Verwerfungen durch Marktaustritte oder Wetterkapriolen, zu Verzerrungen führen könnte“.

Airport fördert die Forschung für umweltfreundliches Fliegen

Die Einnahmen, sagt die Sprecherin, würden zum Unterhalt der Infrastruktur und zur Förderung klimaschonender Mobilität verwandt. So wolle der Airport bis 2028 rund 700 Millionen Euro für den Erhalt und die Weiterentwicklung seiner Infrastruktur investieren. Daneben fördere er zahlreiche Projekte für einen klimaneutralen Flughafenbetrieb am Boden und umweltfreundliches Fliegen: „Auf unserem Vorfeld sind unsere Passagierbusse und weitere Vorfeldfahrzeuge als Elektro-Flotte unterwegs.“

Für Flugzeuge auf ihren Parkpositionen stellt der Flughafen schrittweise Bodenstrom bereit, um die CO2-Emissionen aus dem Abfertigungsbetrieb zu reduzieren. „Wir übernehmen die Kosten für Anwohner-Schallschutz nach den geltenden Regeln, wir bauen öffentliche Ladestationen am Flughafen aus als Anreiz für eine umweltschonende Anreise“, sagt die Sprecherin. Außerdem fördere der Airport Forschungen der Uni Ulm und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zum Einsatz von Brennstoffzellen in Flugzeugen.