Ein Bild des Grauens für Flughafenchef Walter Schoefer: Der Terminal 1 ist leer und die Corona-Pandemie hat die Zahl der angezeigten Abflüge drastisch reduziert. Foto: Flughafen Stuttgart/Maks Richter

Mangels Fluggästen wäre der Flughafen eigentlich besser geschlossen worden, bis es mit dem Reisen wieder läuft, meint der Flughafenchef Walter Schoefer. Weil der Bund die Betriebsbereitschaft verlange, soll der nun zahlen. Und zwar nicht zu knapp.

Stuttgart - Die Anzeigetafel mit den Abflügen ist für den Flughafenchef Walter Schoefer ein Bild des Grauens – immer noch. Denn während in Deutschland manche Branchen zu einer Art Normalität zurückkehren, hat die Corona-Pandemie den Flughafen Stuttgart nach wie vor stark im Griff.

Hatte es sonst immer mehr als 300 Starts und Landungen pro Tag gegeben, so waren es jetzt vor dem Reisehöhepunkt in den Pfingstferien gerade mal so etwa zehn. Oder anders ausgedrückt: maximal 2000 Passagiere pro Tag statt rund 35 000. Aber schlimmer noch: „Das Pfingstgeschäft ist auch verloren“, sagte der Sprecher der Flughafen-Geschäftsführung kurz vor diesem Freitag, an dem normalerweise die Massen in den Pfingsturlaub starten würden, gäbe es die Pandemie nicht. Bis zu 50 000 Reisende hatte der Flughafen 2019 am stärksten Tag zu Beginn der Pfingstfeiertagen erwartet.

„Wir wären startklar für alles, was da kommen könnte“, beteuert Schoefer. Was Corona-Schutz angeht, sind Vorkehrungen getroffen. Doch so, wie es die Lufthansa-Tochter Eurowings angekündigt hat, werden auch andere Akteure der Luftfahrtbranche erst nach Pfingsten „Schritt für Schritt“ den Betrieb hochfahren. Nur wenn der Umgang mit der Pandemie und die Schutzvorkehrungen in den europäischen Ländern in etwa gleichgeartet wären, würden die Flugreisen wieder in Schwung kommen, sagt Schoefer. Von den Airlines würden gerade zwar wieder etwas mehr Flüge und auch Buchungsmöglichkeiten bis in den Sommer 2021 hinein angekündigt, doch wie die Menschen darauf reagieren, sei ungewiss.

Pro Banktag fehlt eine Million

Die Flughafengeschäftsführung ist unverkennbar im Krisenmodus. „Die Löcher, die die Pandemie wirtschaftlich bei uns reißt, sind brutal“, sagt Schoefer. Es könne passieren, dass das Unternehmen bis Jahresende schlimmstenfalls 200 Millionen Euro Schulden machen müsse. Und dies, nachdem es 2019 im Jahr des Rekordgewinns mit 50 Millionen Euro noch mehr als 60 Millionen Euro hatte tilgen können und sich angeschickt hatte, bis Ende 2020 die verbleibenden knapp 60 Millionen Euro zurückzuzahlen. Jetzt bemüht sich die GmbH auf dem Kreditmarkt um neue Kredite, weil an einem einzigen Banktag – und davon gibt es im Monat rund 20 – etwa eine Million Euro mehr aufgewendet werden als man erwirtschaftet.

Wenn ein Laden nur noch zwei Prozent des üblichen Geschäfts mache, würde man ihn wohl geschlossen lassen, sagt Schoefer. Das konnte die Flughafengeschäftsführung – abgesehen von einer kurzen Phase im April wegen der Startbahnsanierung – aber nicht machen. Der Bund besteht auf Betriebspflicht. Die Landemöglichkeit für die Fliegerei soll gesichert sein. Daher fordert Schoefer, wie er jetzt unserer Zeitung sagte, vom Bund eine Kompensation der „Vorhaltekosten“ für die rein fliegerische Infrastruktur. Die könne man zurzeit nämlich „nicht mal ansatzweise erwirtschaften“. Pro Monat gehe es um sieben bis zehn Millionen. „Und das hätten wir gern mindestens ein Jahr lang“, sagt Schoefer, der somit rund 100 Millionen Euro beansprucht. Alle deutschen Flughäfen zusammen möchten vom Bund insgesamt etwa 170 Millionen Euro pro Monat. Gemessen an den Summen für andere Rettungsaktionen sei das „relativ überschaubar“, meint Schoefer. Flughäfen mit öffentlich-rechtlichen Besitzverhältnissen könnten außerdem keine Hilfskredite wie von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten. Man sei bei Darlehen auf den normalen Kreditmarkt angewiesen.

Vielleicht wird der Ersatzterminal nun überflüssig

Dazu gezwungen sehen Schoefer und seine Kollegin Arina Freitag sich auch deswegen, weil trotz „extrem vorsichtigem Wirtschaften“ in diesem Jahr noch rund 75 Millionen Euro Investitionen finanziert werden sollen und die Gesellschafter – das Land sowie die Stadt Stuttgart – nichts überweisen. Schon vergebene Aufträge storniere man nicht, das sei nicht wirtschaftlich, sagt Schoefer. Doch weitere Investitionen im Umfang von 30 bis 35 Millionen sind vertagt.

Das gilt noch mehr für die Pläne, die Terminals in den nächsten 20 Jahren nicht nur qualitativ zu verbessern, sondern auch für bis zu 18 Millionen Passagiere auszubauen. Da herrscht absoluter Stillstand. Einige Details will Schoefer aber neu vorausdenken. Die schwerste Krise seit Kriegsende und der Rückgang der Passagierzahl von 12,7 auf vielleicht nur noch drei Millionen böten vielleicht die Chance, Terminal 4 baulich zu verbessern, ohne dass ein Ersatzterminal gebraucht wird. Baulich wird Schoefer damit aber nichts mehr zu tun haben. Er hat seit Neuestem zwar das Plazet, dass sein Vertrag bis Ende Januar 2022 bis zum regulären Ruhestandsalter verlängert wird. Doch vom Weichenbauer für den Ausbau ist Schoefer unversehens zu einer Art Mangelverwalter geworden. Zu tun habe er allerdings eher mehr als vor der Corona-Krise, sagt er, denn viele Verträge mit den Partnern am Airport, etwa im Handel, werden neu justiert. Dabei komme es ihm auf ein faires Miteinander an nach dem Motto: „Eine Schicksalsgemeinschaft waren wir schon immer. Nun wollen wir gemeinsam aus der Krise und in die Erfolgsspur zurück.“ Schoefer will aber auch den Mitarbeitern zeigen, dass „die Brücke auf diesem Schiff besetzt ist und wir nicht untergehen – im Gegenteil“.