Nach der Übernahme von Teilen der Air Berlin durch die Lufthansa fühlen sich viele Mitarbeiter im Stich gelassen. Foto: dpa

Die Air-Berlin-Übernahme durch die Lufthansa hat die Belegschaft der Pleite-Airline in Turbulenzen gebracht. Viele Piloten haben schon ihre Kündigungen erhalten und müssen hoffen, bei der Eurowings zu landen – mit erheblichen Abstrichen.

Stuttgart - Sein letzter Flug ging von Miami nach Düsseldorf. Ende September war das. Der Co-Pilot Michael Gies befand sich gerade in der Umschulung auf die Langstrecke, als diese eingestellt wurde – der Anfang vom Ende der Air Berlin. Anfang November wurde der 31-jährige Stuttgarter widerruflich freigestellt – ohne Gehalt. Ende des Monats folgte die unwiderrufliche Freistellung und am vergangenen Mittwoch auch die Kündigung, sodass er mittlerweile Arbeitslosengeld beantragt hat.

Gies, einer von 1800 Flugzeugführern der Air Berlin, ist mit einer Stewardess verheiratet. Solche Konstellationen gibt es etliche, sodass oft beide Ehepartner ohne Arbeit dastehen. Seine Frau ist derzeit in Mutterschutz. Beide haben eine fünf Monate alte Tochter und einen dreijährigen Sohn, die Familie lebt in Berlin. „Es gibt Kollegen, die direkt in Hartz IV fallen“, sagt er. Dutzende Piloten seien zuvor – nach einer von Air Berlin vermittelten Arbeitnehmerüberlassung – in China oder der Türkei geflogen und kürzlich zurückgekommen. Wer zuletzt kein halbes Jahr in Deutschland gearbeitet habe, erhalte kein Arbeitslosengeld I. Ähnlich ergeht es Flugschülern, die noch keinen gültigen Eintrag ihrer Lizenz erwerben konnten. „Die stehen vor dem Nichts.“ Gies weiß von schweren Lebenskrisen. Es sei „fahrlässig“ vom Management, in dem sensiblen Bereich ein „Psychospiel mit den Piloten“ zu betreiben, rügt das Mitglied der Vereinigung Cockpit.

Ärger über das Bewerbungsverfahren

Dabei sieht der weltweite Arbeitsmarkt für Piloten gut aus. Doch wer ist schon so frei, ins Ausland zu ziehen? Zudem hat „Air Berlin wirklich gute Konditionen geboten“, sagt der 31-Jährige. Nach acht Jahren als Co-Pilot hatte er ein Jahresbruttogehalt von ungefähr 80 000 Euro. Das Einstiegsgehalt betrug um die 50 000 Euro. Auch die Arbeitsbedingungen wie etwa Teilzeitmöglichkeiten – wichtig für junge Mütter in der Kabine – seien attraktiv. Zu Abstrichen seien er und viele andere Piloten sofort bereit, beispielsweise zu solidarischen Teilzeitmodellen – aber nicht zu den Konditionen der Eurowings Europe. Je nach Berufsalter hätten sie Gehaltsverluste von bis zu 40 Prozent zur Folge. So hofft er weiter auf eine faire Übernahme – zudem ohne die Unsicherheiten eines neuen Bewerbungsverfahrens, bei dem speziell ältere Kollegen „herausgeprüft“ würden. Angelogen fühle sich die Belegschaft: 80 Prozent sollten weiterbeschäftigt werden, habe die Lufthansa verkündet. Dieser Wert werde „bei weitem nicht erreicht“. Nun versuchten die Kollegen zusammenzustehen und zu signalisieren: „Vergesst uns nicht!“

„Mein Herz hängt am Fliegen“

Eine Stuttgarter Stewardess, die nicht namentlich genannt werden möchte, fliegt noch fast täglich Kurz- und Mittelstrecke für Air Berlin – im Auftrag von Eurowings, aber in der Uniform ihres bisherigen Arbeitgebers. Sie und ihre Kollegen fühlen sich völlig in der Schwebe: Niemand gebe habhafte Informationen, wie lange sie noch arbeiten dürfen. „Man hört von überall her etwas anderes.“ Doch auch sie wird sich wohl bei der Eurowings bewerben und Einbußen in Kauf nehmen, denn weitermachen will sie auf jeden Fall. Seit zehn Jahren ist die Endzwanzigerin aus ihrem erlernten Beruf heraus, die Wissenslücke ist kaum zu füllen. Vor allem aber gilt: „Mein Herz hängt am Fliegen“, sagt die Stewardess. Sie würde sonst die Passagiere vermissen.