Die Kalkulation, den Milchbauern Europas die überschüssige Milch abzunehmen und sie später bei womöglich besseren Marktpreisen auf den Markt zu bringen, ging nicht auf. Foto: dpa

Die EU hortet 400 000 Tonnen Milchpulver. Um von diesem Berg wieder runter zu kommen, haben die Agrarminister der Mitgliedsländer beschlossen, nicht länger Pulver aus Magermilch aufzukaufen. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen.

Brüssel - Butterberge und Milchseen stehen für die fehlgeleitete Agrarpolitik der EU in den 70-er Jahren. Ein ähnliches Bild zeigt sich jetzt wieder: Knapp 400 000 Tonnen Milchpulver liegen in der EU auf Halde. Das Produkt mit überschaubarer Haltbarkeit lagert zu einem großen Teil in angemieteten Hallen in Belgien. Allein im vergangenen Jahr hat die EU rund zehn Millionen Euro für die Aufbewahrung des Milchpulvers gezahlt.

Das weiße Pulver ist schwer verkäuflich: Gerade einmal 200 Tonnen konnte die EU-Kommission im vergangenen Jahr an den Mann bringen. Die Kalkulation, den Milchbauern Europas die überschüssige Milch abzunehmen und sie später bei womöglich besseren Marktpreisen auf den Markt zu bringen, ging nicht auf. Jetzt haben die Agrarminister der EU-Mitgliedsländer die Notbremse gezogen. Sie haben beschlossen, dass die EU von Mittwoch an kein Pulver aus Magermilch mehr von den Molkereien aufkauft.

Weltweit ist der Bedarf an Butter gestiegen

Wie kam es dazu, dass die Milchpulverberge überhaupt aufgehäuft wurden? Weil weltweit der Bedarf an Butter gestiegen ist. witterten Europas Milchbauern gute Geschäfte und haben die Milchproduktion hochgefahren. Hintergrund ist, dass Fette aus tierischer Produktion zuletzt wieder gefragt waren. In der Folge ist der Marktpreis für Fette nach oben gegangen, und der Marktpreis für Magermilchpulver, das bei der Produktion von Butter übrig bleibt, ist niedrig geblieben. Magermilchpulver ist zur schlecht verkäuflichen Ware auf den Weltmärkten geworden. Die Entscheidung in Brüssel hat Konsequenzen. Die Milchbauern verlieren Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte. Dadurch dürfte der Milchpreis in nächster Zeit noch weiter unter Druck kommen.

Vor Weihnachten zahlten die Molkereien noch bis zu 38 Cent für die Milch. Jetzt bewegt er sich Richtung 30-Cent-Marke. Wenn die EU den Molkereien kein Magermilchpulver mehr abnimmt, wird dies den Abwärtstrend bei den Milchpreisen verstärken. Hinzu kommt, dass EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Berge von Milchpulver abbauen will. Wenn nun viele Tonnen Magermilchpulver zusätzlich auf den Markt kommen, wird dies die Milchpreise nicht stabilisieren. Die Frage ist, was mit dem Magermilchpulver geschehen soll. Wie in Brüssel zu hören ist, hat die EU-Kommission mit dem eingelagerten Produkt schon jetzt ein Verlustgeschäft in zweistelliger Millionenhöhe gemacht. Das Milchpulver wurde umgerechnet für etwa 25 Cent je Liter den Molkereien abgekauft. Und die 200 Tonnen, die bislang verkauft wurden, sollen im Schnitt nur zehn Cent je Liter erlöst haben.

Noch ist offen, wie die Milchpulverberge abgebaut werden sollen

Der grüne Europaabgeordnete und Milchbauer Martin Häussling geht hart mit der Entscheidung ins Gericht: „Weil die Mehrheiten in Rat und Parlament seit Jahren eine Mengenregelung scheuen wie der Teufel das Weihwasser, werden hier Rohstoffe, Steuergelder und bäuerliche Existenzen verheizt.“ Die Abschaffung der Milchquote, die die Milchproduktion der Bauern jahrelang gedeckelt hat, ist ihm zufolge gescheitert. der Grüne fordert den EU-Gesetzgeber auf, die Möglichkeit zu schaffen, „bei Marktstörungen die Milchproduktion zu deckeln“.

Noch ist nicht beschlossen, wie die Milchpulverberge abgebaut werden. In der Vergangenheit hatte die EU wiederholt überschüssige Lebensmittel zu Dumpingpreisen nach Afrika exportieren lassen. Davor warnt Häussling. Es sei wenig sinnvoll und moralisch fragwürdig, die europäische Milchproduktion auf das „Erobern von Märkten“ außerhalb der EU auszurichten. Diese Methoden würden die lokalen Märkte zu Dumpingpreisen mit Lebensmitteln aus europäischer Produktion fluten. Dadurch würden die Absatzmärkte der Kleinbauern vor Ort zerstört und Millionen Landwirte südlich der Sahara um ihre Existenz gebracht. Häussling: „Europa muss seine Probleme selbst und nicht auf Kosten anderer lösen.“