Spricht heute auf dem Bauerntag in Schwieberdingen: Bundesagrarminister Schmidt Foto: dpa

Viele Bürger laufen Sturm: Die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA lösen Ängste aus. Agrarminister Christian Schmidt stellt klar: Regionale Spezialitäten sollen geschützt bleiben.

Stuttgart/Berlin – Herr Schmidt, als Bundesminister hätten Sie die Möglichkeit, einen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, gegen den Sie ausdrücklich sind, auf nationaler Ebene zu verhindern. Wieso wollen Sie den Ländern in dieser Frage trotzdem die Entscheidung überlassen?
Mit Blick auf den deutschen und europäischen Rechtsrahmen bin ich sehr konsequent. Ich will, dass in Deutschland gentechnisch veränderte Pflanzen nicht angebaut werden. Dazu dient der Entwurf für ein Bundesgesetz, dass ich in die Abstimmung gegeben habe. Mein Ziel ist ein flächendeckendes Anbauverbot – und das muss rechtssicher sein.
Würde sich an Ihren Plänen etwas ändern, wenn alle Bundesländer erklärten, sie wollen ein nationales Anbau-Verbot?
Wie gesagt, mein Ziel ist klar: ein flächendeckendes Verbot für Deutschland. Jetzt reden wir über den besten Weg dorthin. Ich setze dabei auf ein konstruktives Mitwirken der Länder, deren Zielsetzung ja offenbar dieselbe ist. Vor dem Hintergrund der strengen Voraussetzungen für das Ergreifen von Opt-out-Maßnahmen hat unsere fachliche und juristische Prüfung ergeben, dass die rechtlichen Vorgaben für Anbauverbote und -beschränkungen rechtssicher am besten von den Ländern zu erfüllen sind.
Der Einwand gegen die föderale Lösung ist klar: Wenn Bundesländer ausscheren, gibt es einen Flickenteppich an Zulassungen.
Wichtig ist nicht, welche Muster der Teppich hat, sondern dass er reißfest ist. Bei den Grünen gibt es ja auch Diskussionen, in denen gesagt wird: Wenn einmal der Bund einen Anbau befürwortet, müssten die Länder die Chance haben, selbst Anbau-Verbote auszusprechen. Es geht also munter hin und her. Aber „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ – das geht nicht. Also noch mal: Eine Regelung muss absolut rechtsfest fest.
Das heißt?
Sollte sich zeigen – was ich nicht glaube –, dass das bundesrechtlich zu lösen ist, bin ich der letzte, der sich dagegen stellen würde. Wir sind aber noch am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens. Ich sage allen Kritikern: Wenn gute Argumente kommen, wird die Bundesregierung sie gerne betrachten.
Beim Thema TTIP gibt es in der öffentlichen Debatte offenbar einen Akzentwechsel. Früher verhakte sich Debatte bei den Chlorhühnchen. Jetzt droht beim transatlantischen Freihandelsabkommen ein Streit über den Investitionsschutz und den Schiedsgerichten.
Die Debatte über TTIP wurde bislang wenig sachlich geführt, was bedauerlich ist. Was wir brauchen ist Transparenz, nur so können wir Akzeptanz in der Öffentlichkeit erreichen. Bei den Schiedsgerichten ist das Thema Transparenz von großer Wichtigkeit, genau wie die Möglichkeit, gegen Schiedssprüche Rechtsmittel einzulegen. Und es muss klar sein, dass staatspolitische und demokratisch zustande gekommene Grundentscheidungen nicht einem Schiedsverfahren unterliegen dürfen.
Wann dann?
Schiedsverfahren haben etwa dann einen Sinn, wenn ein Staat die Investition eines Unternehmens quasi gesetzmäßig enteignet. Es ist im Sinne der Transparenz notwendig, dass die Schiedsgerichts-Praxis anders strukturiert wird. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat internationale Handelsgerichtshöfe vorgeschlagen. Das ist eine gute Idee.
Sie hatten einen Vorstoß zum Schutz geografischer Ursprungsbezeichnungen vorgenommen. Das hat viel Wirbel ausgelöst.
Ja, aber im Ergebnis ist die Diskussion in meinem Sinn gelaufen. Mitunter bin ich ja – vielleicht bewusst – missverstanden worden. Zur Klärung: Ich bin nicht der Meinung, dass wir geografische Herkunftsbezeichnungen auslaufen lassen sollten. Im Gegenteil. Mir ging es um etwas anderes.
Worum?
Ein Beispiel: Von den 1500 Wurstsorten in Deutschland sind nur ganze acht geschützt. Für 1492 andere erwartet der Verbraucher Klarheit und keine Täuschungen. Ich möchte eine klare Position auf EU-Ebene für die Verhandlungen der EU-Kommission mit den USA. Wir wollen nicht, dass sich da jemand unter falscher Flagge segelnd reindrängt. Deshalb müssen wir bei TTIP eben feste Vereinbarungen zur Anerkennung von Standards bei Lebensmitteln haben. Die EU-Kommission hat erfreulich auf meinen Anstoß reagiert. Unsere Verhandlungslinie mit den USA muss sein: Unsere geschützten geografischen Angaben sind so viel Wert wie ein Warenzeichen. Und am Rand bemerkt: Ich höre, dass aktuell der Schwarzwälder Schinken hohe Abnehmerzahlen in den USA findet.
Der Kern der Befürchtungen rund um TTIP ist ja das Thema Lebensmittel-Sicherheit. Sind die Verhandlungen aus Ihrer Sicht so weit gediehen, dass Sie da keine Sorge mehr haben?
Unsere hohen deutschen Verbraucherschutzstandards sind nicht verhandelbar. Ganz klar ist: Fleisch mit Wachstumshormonen hat beispielsweise bei uns keinen Platz. Solche Produkte dürfen nicht auf unseren Märkten auftauchen. Zweitens muss klar sein, dass keine gentechnisch veränderten Produkte angeboten werden, ohne dass dies ausdrücklich für die Verbraucher ausgewiesen ist. Bei der Lebensmittelsicherheit sind keine Abstriche an den europäischen Standards akzeptabel.
Sie sprechen heute beim Bauerntag in Schwieberdingen bei Ludwigsburg. Die Betriebsergebnisse der Landwirte fallen in Baden-Württemberg seit Jahren am niedrigsten aus. Muss man den Bauern ehrlich sagen: Es gibt keine Hoffnung auf eine Trendumkehr. Es geht weiter in Richtung Großbetriebe?
Wir wollen ja über Direktzahlungen einen Ausgleich für topografische und bodenabhängige Nachteile schaffen. Aber nehmen Sie das Beispiel Milch. Richtig ist, dass es im Südwesten vergleichsweise kleine Betriebe gibt. Aber die Erzeugerpreise sind in Süddeutschland im Augenblick höher als in manchen norddeutschen Regionen. Das liegt auch daran, dass die Verbesserung der betrieblichen Abläufe in kleineren Betrieben schneller durchführbar war. Ich erwarte auch nicht, dass der Wegfall der Milchquote den Trend zum Großbetrieb beschleunigt.